Alexanders letzter Traum. Heinz-Joachim Simon

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Alexanders letzter Traum - Heinz-Joachim Simon


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Vorschlag nicht sehr begeistert.

      „Wenn sie keine große Mitgift mitbringt, wovon soll der Kretin dann leben? Als Krieger ist er nicht zu gebrauchen. Ich hatte an die Tochter des Mithridates gedacht, die ist fett und doof, aber kriegt ein paar schöne Wiesen als Aussteuer, die unser Land gut ergänzen.“

      „Ich will ihn aus dem Haus haben. Vielleicht kann dein Parmenion ihn in der Heeresverwaltung unterbringen. Du tust doch so, als wenn der große Feldherr dein Gönner wäre. Jetzt kann er etwas für dich tun.“

      „Er tut ja bereits etwas für uns. Er wird dafür sorgen, dass Antiochios bei den Gefährten des Königs oder wenigstens des Kronprinzen aufgenommen wird. Ich erwarte täglich die Nachricht, dass er es geschafft hat. Ich kann ihn jetzt doch nicht auch noch mit Leonnatos belämmern.“

      So stritten sie oft und wie zu erwarten war, setzte sich Eurydike durch. Der Mond rundete sich zweimal, als wieder ein Zug den Berg hochkam und natürlich war er kleiner und recht bescheiden anzusehen. Mein Herz schlug mir bis zum Hals, als die Sänfte in den Burghof getragen wurde. Es stimmte, was mein Bruder gesagt hatte. Bis dahin war mein Kontakt zu Mädchen äußerst spärlich gewesen, geschweige denn, dass ich bei einer Frau gelegen hätte. Alles war ich über den Eros wusste, hatte ich den Tieren auf der Weide abgesehen und die unflätigen Bemerkungen unserer Mägde und Knechte zu einer recht lückenhaften Vorstellung zusammen gefügt. Eine gute Vorbereitung für eine Hochzeitsnacht konnte man das kaum nennen.

      Der Zug bestand nur aus zwei altersschwachen Dienern auf zwei mageren Eseln, wenn man von den vier Sklaven absah, die die Sänfte trugen.

      „Jetzt wollen sie die arme Maus bei dir loswerden!“ flüsterte Phokis, mit dem ich mich angefreundet hatte.

      „Du kennst sie?“

      „Ja. Sie ist ein netter Kerl. So schlecht hast du es mit ihr nicht getroffen. Sie ist anders als Eurydike.“

      Wenigstens das, dachte ich. Aber wer will schon einen netten Kerl zur Frau, wenn man keine siebzehn ist. Von Eurydike schloss ich auf die Nichte, erwartete also trotz seiner Worte ein ähnliches Ungeheuer, nur ein bisschen jünger und vielleicht ohne Schnurrbart.

      Als sie den Schleier zurückschlug und ich ihr Gesicht sehen konnte, verschlug es mir fast den Atem. Auch von meinem Vater hörte ich einen erstaunten Ruf und Antiochios stieß einen gellenden Wolfspfiff aus. Beim Apollon, bei der Verteilung von Schönheit war meine Braut nicht zu kurz gekommen. Sie machte der göttlichen Aphrodite allemal Konkurrenz. Eurydike war auf den Eindruck, den ihre Nichte machte, natürlich ein wenig stolz. Antiochios warf sie einen unwilligen Blick zu, als dieser rief, dass die Schönheit für mich doch viel zu schade sei. So ganz konnte ich es auch noch nicht glauben, dass sie für mich bestimmt war. Denn etwas Gutes hatte ich nicht von meiner Stiefmutter erwartet. Andromache sah mich ohne Scheu an und lächelte, so dass mir ganz komisch in den Knien wurde. Wie es sich gehörte, sagte ich ihr, dass ich über die Wahl meiner Eltern sehr glücklich sei und ähnliches. Ich hatte zu dem Empfang ein abgelegtes Überkleid meines Bruders bekommen und mich gewaschen, so dass ich einigermaßen manierlich aussah. Was mich wunderte, aber noch zu keinem Schluss führte, war ihr Schweigen. Lange konnte ich auch nicht darüber nachdenken, denn man trennte uns sofort. Ich schrieb dies der Tatsache zu, dass wir noch nicht im Tempel zusammengegeben waren.

      Doch ehe dies geschah, passierte noch etwas, was mich erkennen ließ, dass die Götter mit mir etwas vorhatten, dass sie den Krüppel Leonnatos, der mit dem gleichen Leiden geschlagen war wie der Gott Hephaistos, aus seinem Elend erlösen wollten.

      3.

      Der Frühling ist in unseren Bergen sehr feucht. Es regnet meist viele Tage lang. Ich war auf der Nordweide. Dort die Schafe zusammenzuhalten, gehörte zu meinen Aufgaben. Oft war ich dort oben wochenlang, und der Eurydike war es nur recht, dass sie mich lange Zeit nicht zu Gesicht bekam. Unterhalb der Schneegrenze hatte ich mir eine Hütte aus Steinen gebaut, mehr ein Unterstand als eine Hütte. Aber sie hatte ein Dach, das mich vor Wind und Regen schützte und ich hatte die meiste Zeit Phokis, diesen Riesenkerl, bei mir, der mehr und mehr zu meinem Vertrauten und Freund geworden war.

      Es geschah kurz vor dem Fest des Dionysos. An diesem Tag hatte ich Phokis nach Haus geschickt, weil unsere Nahrungsmittel zu Ende gingen. Ich stand vor unserem Unterstand, eingehüllt in eine Decke und war nass bis auf die Haut. Trotz des großen Hutes lief mir das Wasser ins Gesicht. Auf den Hirtenstab gestützt, sah ich den Schafen zu, die sich zwar von dem Wetter nicht beeindrucken ließen, aber seltsam häufig den Kopf in den Nacken warfen und sich blökend zusammendrängten. Ich sah hinunter ins Tal und in die Richtung, in der ich unser Gut wusste und stellte mir vor, was meine Andromache gerade tat und wünschte mir sie bei mir zu haben. Obwohl ich noch kein Wort mit ihr gewechselt hatte, war ich in sie verliebt. Sie war bis dahin das schönste Mädchen, das ich zu Gesicht bekommen hatte und ich war in dem Alter, in dem man sich über Mädchen heftig den Kopf zerbricht.

      Es fing damit an, dass plötzlich unter mir die Erde zu zittern anfing und dann grollte es, als würde der Himmel einstürzen. Ein mächtiger Sturm zog auf und warf mich zu Boden. Ich krallte mich in die schwankende Erde und als ich zum Himmel sah, erblickte ich eine Gestalt, die dem Apoll sehr ähnlich sah, wovon ich mich später in Milet überzeugen konnte. Jedenfalls wusste ich sofort, dass es Apollon war, wovon auch die Leier in seiner Hand Zeugnis ablegte. Ehe ich mich von dem Anblick erholen konnte, geriet der Berg ins Rutschen und fiel ins Tal herab. Es war so, als würde einem eine Decke unter den Füßen weggezogen. Dazu krachte es ordentlich und es hörte sich so an, als würden Hephaistos, Zeus, Poseidon, Ares, also die ganze göttliche Verwandtschaft, die himmlischen Trommeln schlagen. Ich wurde durch den rutschenden Berg in die Höhe gewirbelt und mit mir, das sah ich noch, flogen die Schafe durch die Luft. Dann war es um mich herum dunkel. Tatsächlich, ich war bereits über den Fluss und im Schattenreich angekommen und kein Fährmann hatte ein Scherflein von mir verlangt. Ich war im Hades. Einige Schatten wankten auf mich zu. Alte Bekannte. Achilleus und Odysseus waren dabei und beklagten ihr Schicksal und schimpften über das Leben hier unten. Zu ihnen gesellten sich Platon und Sokrates und der olle Heraklit und erzählten das Gegenteil, priesen die Ruhe, die sie nun hätten, und dass das Maß aller Dinge die Mitte sei und ähnliches, womit ich damals noch nicht viel anfangen konnte. Sie stritten sich also, wie es sich für Griechen gehörte. Achilleus und Odysseus beharrten darauf, dass alle Grenzen hinter sich zu lassen, den wahren Menschen ausmache und es war auch klar, dass sie zu den Besten gehört hatten, wenn auch nicht beide in der gleichen Disziplin angetreten waren. Der eine hatte es mit den Muskeln, der andere mit dem Kopf. Wo ich sie schon einmal traf, wollte ich die Gelegenheit nutzen.

      „Was ist für mich das richtige? Mit meinem Bein habe ich wohl kaum die Chance einem Hektor oder anderen Helden Angst einzujagen und so weise wie Platon und Sokrates bin ich nun auch wieder nicht.“

      Ich war also felsenfest davon überzeugt, dass ich aus dem Hades zurückkehren würde. Woher ich diese Zuversicht nahm? Keine Ahnung. Vielleicht wegen des aufmunternden Lächelns des Apollon, der etwas abseits zuhörte.

      Odysseus sah betroffen Platon an und der dunkle Heraklit murmelte „Alles fließt“, womit ich auch nicht viel anfangen konnte.

      „Was meinst’n?“ fragte Achilleus den unsterblichen Apollon. Ein wenig war ich über die respektlose Anrede schon betroffen. Der gute Held tat so, als wäre der Gott nichts anderes als ein Beutegrieche aus Illyrien.

      Und Apollon in seiner Güte nahm dies nicht einmal krumm. Er klimperte gedankenverloren ein wenig auf seiner Lyra und es klang sehr hübsch und wir hörten zu und warteten, bis er zum Ende kam.

      „Er wird Zeugnis ablegen. Er wird im Schatten stehen und doch wird das Licht seinen Weg bescheinen. Er wird der Held sein und doch der Unbekannte. Er wird mein Bote sein und ich werde über ihn wachen. Er wird den Helden besingen, aber nur sein Sänger sein.“

      Jeder, der in Delphi war, weiß, wie rätselhaft sich die Götter ausdrücken und Apollon stand der Pythia nicht viel nach. Ich konnte jedenfalls damit nicht viel anfangen. Achilleus zuckte mit den Achseln und sah mich mitleidig an und Sokrates seufzte und Platon kraulte sich den Bart. Aber wenn die beiden klügsten Menschen Griechenlands ratlos waren, dann konnte man auch von mir nicht verlangen,


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