Alexanders letzter Traum. Heinz-Joachim Simon

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Alexanders letzter Traum - Heinz-Joachim Simon


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meine Vorlieben dahinter. Apollon möge mir verzeihen, dass ich so oft seinen Namen missbrauchte.

      Meine Geschichte fängt also vor der Zeit an, als ich dem König begegnete. Und es war keine gute Zeit. Es hatte mit Mord zu tun und dem Unaussprechlichen, das nur ich kenne. Doch hier auf dem Papyrus will ich es nicht verschweigen, nichts werde ich verbergen, weil ich abrechnen muss, mit mir, mit dem König und den Gefährten, die er zu seinen Verwandten zählte und die ihn erst liebten, aber zum Schluss nur noch fürchteten.

      Mein Bericht ist nichts für zarte Seelen, denn er handelt von einer Mörderbande, wie sie die Welt noch nicht gesehen hat. Es wird von Blut und Schweiß, von Tränen und meines Vaters Samen die Rede sein, vor allem aber von den Frauen, die ich liebte. Ich habe drei Frauen geliebt und jeder von ihnen habe ich hier in Gordion einen Tempel geweiht, wenn sie auch die Götternamen Hera, Artemis und Aphrodite tragen. Ich habe marmorne Statuen hineinstellen lassen, die ihnen nicht gerecht werden, obwohl ich die größten Künstler Griechenlands damit beauftragte.

      Ptolemaios will eine ehrliche Antwort über seinen Alexanderbericht, ein Urteil. Ich soll wohl die Wahl des Paris wiederholen. Und natürlich erwartet er Lob und Anerkennung. Aber ich werde ihm nicht schmeicheln. Ich werde ihm schreiben, dass er vielleicht ein großer König ist, aber zum Chronisten nicht sehr viel taugt. Warum? Indem er Ereignisse aneinanderhängt, wird er Alexander nicht gerecht. Er ist nicht einmal ein Xenophon. Es ist eine blutleere lieblose Abhandlung. Mein Bericht über den Alexanderzug wird ihm den Unterschied aufzeigen. Natürlich wird er sich darüber ärgern und es wird ihm leidtun, dass er mir das Leben rettete. Es gibt da so einiges, was ich ihm bisher nicht heimgezahlt habe. Schließlich ist es seine Schuld und die des Perdikkas und Seleukos, dass man mich nicht Herr über Asien nennt.

      Ich liebte drei Frauen, so könnte ich anfangen. Denn mehr werden es nicht werden, so sehr man mir auch Alexanders Schwester als Gemahlin anpreist. Dies wäre ein guter Anfang für einen Dichter, aber mein Leben wurde nicht von ihnen bestimmt, sondern von dem Alp, der auf meine Seele drückte.

      Ich sitze hier auf dem Turm meiner Burg und schaue auf das von der Sonne versengte Land, das man mir als mein Reich zugeteilt hat und das nur deswegen bekannt ist, weil unten in dem Tempel Alexander den berühmten Knoten, den gordischen, mit seinem Schwert löste. Es ist eine Burg, wie sie die Alten bauten. Nichts hat sie von den edlen Linien griechischer Tempel, nichts von der barbarischen Pracht der Apadama in Persepolis, noch von der uns fremd wirkenden Anmut ägyptischer Götterhäuser. Große mächtige Steine wurden fugenlos aufeinander getürmt, als hätten Titanen sie herangeschleppt, Sklaven der Götter, die sie in manischem Zorn zusammenfügten als Mahnung, dass es noch größere Wesen gibt als uns Menschen. Die Könige von Mykene hätten sich in Gordion sicher wohlgefühlt. Der alte Streitwagen steht noch in dem Tempel, aber der Knoten ist zerschlagen und die Enden hängen lose von der Deichsel. Alexander wurde Herr Asiens und nicht ich. Aber wenigstens neidet mir keiner die Herrschaft über Phrygien. Jedenfalls keiner von denen, die einmal meine Gefährten waren und die ich nun verachte. Ptolemaios wähnt sich immer noch als mein Freund, obwohl er sich an mir vergangen hat und an Alexander. Je tiefer ich grabe, je mehr ich bloßlege, umso deutlicher schält sich heraus, dass der Mann, dem ich mein Leben verdanke, es auch verdarb.

      Obwohl es um den Alexanderzug geht, steht nicht der König, sondern mein Vater im Mittelpunkt. Wir sind Bergmakedonen und lebten oberhalb von Pella und Anthes. Mein Vater war der Clanhäuptling. Unser Haus stand auf einem von Felsen durchzogenen Hügel und sah von Weitem wie der Rumpf einer Triere aus, und die Winter waren lang und sehr kalt und der Frühling feucht und die Sommer so heiß, dass der Fluss in der Ebene austrocknete.

      Ich hatte eine böse Kindheit, und Anthes, mein Vater, lag mir wie ein Fels auf der Brust. Ich hasste ihn so lange ich denken kann und er hasste mich und dies hörte nicht auf so lange er lebte. Er hat nie verwunden, dass mich Alexander zu seinem Verwandten machte, zu seinem Strategen und Leibgardisten, dass er meine Nähe suchte und meinen Rat. So lange meine Mutter lebte, war der Hass meines Vaters abgemildert und ich hatte als Ausgleich zu seinen Verwünschungen und Flüchen die zärtlichen Hände der Mutter auf meinem Kopf. Sie starb im Kindbett und seitdem war ich den Händen meines Vaters ausgeliefert und er prügelte mich so oft er mich sah. Dies wurde nicht besser, als er sich eine andere Frau ins Haus holte, sondern im Gegenteil noch schlimmer. Meine Geschichte und die des Alexanderzuges beginnt also mit der Lust meines Vaters. Er, der seinen Samen verströmte und mir damit das Leben schenkte, hatte lange gesucht, bis er ein neues Gefäß für die Wildheit seiner Lenden gefunden hatte, und dieses neue Weib war ihm ebenbürtig und auch sie habe ich gehasst. Ich glaube, mit ihr anzufangen, mit dem Tag ihrer Ankunft wäre ein guter Beginn, denn er unterschied sich von den vorangegangenen Tagen dadurch, dass mein Vater nun noch wilder wurde. Ich habe nicht viel gelacht in jener Zeit und so lange ausgehalten habe ich es nur, weil mir ein Gott zur Seite stand und mich zum Werkzeug nahm, zum Verkünder seines Willens. Dies also ist die Geschichte des Leonnatos, der nach Alexanders Willen Herr über Asien werden sollte. Es war der Tag, an dem sich mein Vater ein neues Weib nahm und damit meinem Leben eine neue Peinigung hinzufügte. So fängt es an.

      2.

      Es begann damit, dass eine Raupe herankroch. Ich stand im Hof unter der mächtigen Eiche, von der mein Vater behauptete, dass sie dort schon gestanden habe, als Ajax sich nach Troja aufmachte, was natürlich eine genau so eine blödsinnige Behauptung war wie seine Tiraden, dass wir von den trojanischen Helden abstammen. Jeder, der etwas auf sich hält, hat in unserer Gegend einen trojanischen Ahnen. An deren Frauen kann sich jedoch niemand erinnern. Da auch mein Vater dazu mit keinem Namen herausrückte, ist meine Abstammung von Priamos’ Untertanen als sehr unsicher anzusehen.

      Was unter uns den Berg hochkroch, war keine Raupe, und ich war auch nicht besonders erpicht darauf, dass sie endlich auf dem Berg ankam. Wir wussten, dass sie kommen würde und mein Vater hatte das Haus dazu auch entsprechend herrichten lassen. Der Hof war gefegt und der Türeingang mit Misteln bekränzt. Ein anderer als mein Vater hatte sich aufs Pferd geschwungen und wäre seiner Braut entgegen geritten. Aber so etwas war nicht seine Art. Breitbeinig stand er im Eingang des Hauses, die Hand auf den Nacken meines Bruders gelegt, was er mit mir sein Lebtag nicht getan hat. Mein Vater hasste mich und meine Gefühle standen den seinen in nichts nach. Meinen Bruder dagegen liebte er. Antiochios war sein Augapfel, der Mittelpunkt des Hauses und alle schrieben ihm Eigenschaften zu, die vermuten ließen, dass er bald vom König zu den Getreuen geholt werden würde.

      Was da herankroch, konnte für mich nur Ärger bedeuten, denn alles, was mein Vater in die Wege leitete, brachte mir Ärger. Eurydike, auch sie von den Molossern abstammend, genau so wie die Mutter Alexanders, also von diesem wilden halb barbarischen Stamm, sollte nun die Frau unseres Vaters werden. Meine leibliche Mutter, die mich bis dahin vor den schlimmsten Verfolgungen des Alten bewahrt hatte, war nicht einmal ein halbes Jahr unter der Erde, als er sich eine neue Frau ins Haus holte, obwohl doch genug Mägde da waren, die ihm seinen Spaß nicht verwehrten. Auch dies hatte neben anderen tierischen Ausschweifungen dafür gesorgt, dass sie gestorben war. Ich dachte stets voller Zärtlichkeit an ihre Liebe, an ihre Hand auf meinem Kopf und hasste meinen Vater für das, was er ihr angetan hatte. Für die Schläge, für die trunkenen Worte und die Arbeit, die er ihr aufbürdete. Ihre Beziehung zu meinem Vater war, so lange ich denken kann, vergiftet gewesen. Wir gehören nicht dem Hochadel an und mein Vater herrscht nur über ein paar einfältige Bergbauern in ihren Katen, aber er war der Anführer und ließ darüber keinen Zweifel aufkommen. In Pella nannten sie ihn einen Makedonen von altem Schlag. Unsere Burg war auch nichts Besonderes und bestand hauptsächlich aus einer rauchgeschwärzten Halle, die stets im Halbdunkel lag. Genug Kammern hatte die Burg zwar, aber viele waren feucht und weil ich meine Gesundheit erhalten wollte, übernachtete ich oft draußen in der Scheune. Neben dem Haupthaus standen im Karree Gesindehaus, Stallungen und Scheunen, die mit einer mannshohen Mauer verbunden waren. Unser ganzer Reichtum bestand nur aus Schafen und Ziegen und dicht war nur das Dach des Haupthauses. Unsere Knechte und Mägde froren im Winter in den Kammern des windschiefen Gesindehauses neben den Stallungen. Anthes fror natürlich nicht, denn er saß behaglich ausgestreckt mit seinem Lieblingssohn und einem Pokal Wein auf dem Tisch vor dem riesigen Kaminfeuer des Haupthauses und grunzte genussvoll. Mich hatte er dann mit einem Fluch und einem geworfenen Knochen oder Schemel, was ihm gerade in die Hand geriet,


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