Alexanders letzter Traum. Heinz-Joachim Simon

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Alexanders letzter Traum - Heinz-Joachim Simon


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soll das, Antiochios?“

      „Du willst nun in Aigai meinen Platz einnehmen, du Dieb!“

      „Wieso deinen Platz? Hast du den Hephaistion gerettet? Du scheinst schlecht geträumt zu haben. Geh wieder hinein und schlaf weiter.“

      „Du bist aufmüpfig geworden, Krötlein. Dir ist das, was in den Bergen passiert ist, wohl zu Kopf gestiegen. Ich werde dir zum Abschied die rechte Demut beibringen!“

      Sein Kopf war hochrot. Mit dem blanken Schwert in der Hand kam er auf mich zu.

      „Willst du deinen Bruder töten?“

      „Nein. Nur zurechtstutzen. Wann kommt einer wie ich, einer der Gefährten zu Fuß, ein gewöhnlicher Krieger, schon dazu, einen Gefährten des Königssohnes zu verprügeln!“ brüllte er bitter.

      Er stürmte kopflos auf mich zu, und ich trat schnell beiseite, stellte ihm ein Bein und er stürzte zu Boden. Sofort setzte ich ihm mein Messer an die Kehle und entwand ihm das Schwert.

      „Und schon ist es aus!“ sagte ich gelassen. Sein eigener Übereifer hatte ihn niedergestreckt. „Nun lass es gut sein, Antiochios. Die Götter sind nicht mit dir.“

      „Ich kriege dich noch!“ keuchte mein Bruder. „Ich schwöre bei unseren Ahnen, dass ich dich töten werde. Ich werde dich töten!“

      „Darüber entscheiden die Götter“, erwiderte ich und nahm die Klinge von seiner Kehle und drehte mich um und humpelte zu meinem Pferd.

      Unter den Flüchen meines Bruders verließen wir den Burghof. Ich sah nicht zurück. Beim Apollon, ich hatte keinen Grund meiner Jugend auf dem Berg nachzuweinen. Vor mir lag die Zukunft. Ein aufregendes Leben. Der Nebel löste sich auf. An diesem Wintertag schien die Sonne bei uns in den Bergen. Ich war auf dem Weg, den mir der Gott Apollon vorausgesagt hatte.

      5.

      Aigai ist nicht wie Pella eine griechische Polis, sondern die Stadt der alten makedonischen Könige, grau, schroff und urwüchsig wie der hiesige Menschenschlag. Aber für uns tat sich eine Welt der Wunder auf. Das Gedränge der Menschen, die vielen Marktstände mit Früchten, Fleisch und Naschwerk, die fremden Gerüche, der Rauch aus den Tempeln waren Eindrücke, die uns Provinzler wie eine Zauberwelt erschienen. Die Griechen aus Athen oder gar Ionien halten Aigai für barbarisch und zurückblickend kann ich mich diesem Urteil nur anschließen. Aber damals, aus den Bergen kommend, kannte ich keine anderen Städte. Mir kamen die Tempel mit ihren tonnenartigen grauen Säulen großartig vor. Staunend stand ich vor dem Palast des Königs, dessen Mauern Titanen aufgetürmt haben mochten. So schien es mir.

      Der Bote hatte mir gesagt, dass ich mich in der Kaserne neben dem Königspalast melden sollte. Ich wurde von einem gelangweilt dreinblickenden Soldaten an die Kommandeursstube verwiesen. Ich hieß Phokis vor der Kaserne warten, um den sich bereits kleine Jungen drängten, die über sein Pferd lachten. Mein Riese auf dem mageren Klepper, seine Füße reichten fast bis zur Erde, war ein kurioser Anblick.

      Ich betrat einen Raum, der für eine Kaserne erstaunlich luxuriös eingerichtet war, jedenfalls hielt ich ihn, gemessen an dem, was ich von zu Hause gewohnt war, für prächtig. Neben einem Tisch und einigen Hockern sah ich auch eine Liege. An der Wand war ein schönes Fresko mit einem Flöte blasenden Jüngling. Die Gefährten des Kronprinzen lassen es sich gut sein, dachte ich unwillkürlich.

      Nun muss ich etwas über die Gefährten Alexanders vorausschicken, was ich erst später von Ptolemaios erfuhr. Die Gefährten des Königs wurden aus den vornehmsten Familien ausgewählt und führten die Reiterkompanien. Aus ihnen bestimmte der König seine Leibgardisten, die er als seine Verwandten bezeichnete. Während die Gefährten früher ausschließlich auf Philipp, also Alexanders Vater, eingeschworen waren, hatte der Kronprinz eine eigene Gruppe junger Männer um sich versammelt, die ihn liebten und verehrten, nicht nur, weil er der Kronprinz war, sondern weil sie in ihm bereits einen auserwählten Menschen sahen, woran Alexanders Mutter einen nicht geringen Anteil hatte. Ihre dunklen Andeutungen führten zu dem Gerücht, dass nicht Philipp der Vater Alexanders sei, sondern der Gott Amun. Einem ägyptischen Gott die Vaterschaft unterzuschieben, konnte nur jemand einfallen, der zu viel Mohn gegessen hat und nicht so ganz richtig im Kopf war oder aus Epiros stammte. Dass sie damit Alexanders Anspruch auf den Thron untergrub, schien Olympias nicht in den Sinn zu kommen.

      Der junge Offizier, der sehr lässig in einem Stuhl gedöst hatte und mit den Beinen auf dem Tisch nicht gerade den Eindruck eines gewaltigen Kriegers machte, gähnte und schlug nach der Fliege, die über seinem Kopf kreiste und sah mich dabei an, als wäre es das beste, wenn ich mich gleich in Luft auflöste. Ich sagte ihm, wer ich war und warum ich mich hier melden sollte und reichte ihm den Brief, den mir der Bote gebracht hatte. Nun zeigte er so etwas wie Interesse und schlug, während er las, erneut nach der Fliege.

      „Ich habe dich erwartet. Du bist also dieser Bärentöter, der Hephaistion das Leben gerettet hat.“

      Ich nickte und nahm eine stramme Haltung ein, denn immerhin war dieser Mann einer der Gefährten und für mich so etwas wie ein überirdisches Wesen. Er war breitschultrig, hatte eine vorspringende Nase und ein energisches Kinn. Nach seinen kräftigen Armen zu urteilen, mochte er mit dem Schwert gut austeilen können.

      „Ich heiße Seleukos und bin jetzt erst einmal dein Vorgesetzter. Du hältst dich in der nächsten Zeit an mich. Alexander wird entscheiden, wie und wo du Dienst tun wirst. Wenn du Ärger hast, dann kommst du zu mir. Wenn dich jemand verscheißert, meldest du dich. Wo ich bin, wirst auch du sein. Aber das gilt erst ab morgen. Wegen mir kannst du jetzt ins Theater gehen, wo der König eine Prozession zu Ehren der Götter anführt. Hier in der Kaserne wirst du heute niemanden finden.“

      Seleukos sah mich abschätzend an. Er war in dem gleichen Alter wie Alexander und ahmte ihn offensichtlich nach. Jedenfalls hielt er den Kopf auch etwas schief und sprach so, wie ich Alexander hatte sprechen hören.

      „Du hast einen bösen Fuß, hat mir Hephaistion gesagt.“

      „Ja. Aber ich bin ein guter Reiter. Nur mein Pferd taugt nicht allzu viel.“

      Seleukos seufzte. „Gut. Da du zur Schwadron Alexanders gehörst, wird dir ohnehin ein Pferd gestellt. Kannst du mit Speer und Schwert umgehen?“

      „Mein Freund, der Wolftöter, meinte, dass ich nicht schlecht bin.“

      „Wolftöter?“

      „Ja. Ein Jäger.“

      „Hm. Da haben wir uns mit dir ja etwas ganz tolles eingefangen.“

      Er lehnte sich zurück und betrachtete mich, als wäre ich eine gesprungene Vase, die man ihm andrehen wollte. So ganz heil war ich ja auch nicht.

      „Aber reiten kannst du?“ fragte er skeptisch und kniff die Augen zusammen. Er war zwar untersetzt und hatte breite Schultern, doch konnte man ihn durchaus als gut aussehend bezeichnen, wenn man den athletischen Typ mochte.

      „Ich habe noch kein Pferd gesehen, das ich nicht reiten kann.“ Das war ein wenig geprahlt, denn so viele Pferde hatte ich bisher noch nicht gesehen. Und dass mein Vater die besten Pferde hatte, würde ich auch nicht behaupten. Aber den Seleukos schien meine Prahlerei nicht zu stören.

      „Du musst auch ein guter Reiter sein, sonst bekämst du Schwierigkeiten. Es ist unsere Aufgabe, Alexander zu schützen. Geh in die Kleiderkammer und lass dich ausstatten. So wie du aussiehst, lässt man dich nicht ins Theater. Hast du Diener dabei?“

      „Ja. Phokis, einen Molosser.“

      „Ist der auch verrückt? Ich traue keinem Molosser über den Weg.“

      „Nein. Er ist in Ordnung“, beeilte ich mich ihm zu versichern. „Er ist mein Freund.“

      „Was denn nun, dein Freund oder dein Diener?“

      „Beides.“

      „Na schön. Wenn du eingekleidet bist, gehst du mit ihm in die Dienerlogis, neben den Schlafräumen der Gefährten. Er wird dort ein Lager bekommen. Und nun ab mit dir. Wir sehen


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