Alexanders letzter Traum. Heinz-Joachim Simon

Читать онлайн книгу.

Alexanders letzter Traum - Heinz-Joachim Simon


Скачать книгу
gewusst?“

      „Dass man dich zum Boten wählt? Nein. Das hat keiner gewusst. Alexander hat manchmal so seine Eingebungen und die kennt nur, wenn überhaupt, Hephaistion.“

      „Und warum gerade ich?“

      „Du hast es doch gehört. Er hält dich für einen Liebling des Apoll. Alexander hat gern die Götter auf seiner Seite. Es können ihm gar nicht genug Götter sein.“

      Als die Besprechung zu Ende war, hielt mich Attalos im Flur auf.

      „Dann reiten wir morgen, bevor es hell wird!“ sagte er und sah sich dabei vorsichtig um. Mich wunderte ein bisschen seine Vorsicht. Schließlich waren wir im Palast des Königs.

      „Gut. Ich werde bereit sein.“

      „Ich besorge die Männer und Pferde. Nimmst du noch jemanden mit?“

      „Ja. Nur meinen Diener Phokis.“

      Attalos nickte. Er war ein kleinwüchsiger Mann mit einem ruhigen Gesicht mit dunklen Augen unter den zusammengewachsenen Augenbrauen. Mal abgesehen davon, dass ich seine Handlungsweise bei der Tötung des Pausanios noch immer vorschnell und ein wenig seltsam fand, mochte ich seine ruhige bestimmte Art.

      „Wir bekommen Agrianen mit, Gebirgskämpfer. Das sind die Besten. Harte Burschen. Vielleicht kommt einiges auf uns zu.“

      „Du glaubst …?“ fragte ich und stockte und sah mich nach den vielen herumstehenden Sklaven um.

      „Klar. Man wird uns jagen.“

      „Wer? Warum?“

      „Die Perser haben ihre Spione auch hier in Pella. Und es gibt eine Menge Griechen, die Alexander gern scheitern sehen würden. Vielleicht sogar …. Makedonen.“

      „Unsere Leute?“

      „Unsere Leute!“ bestätigte er grimmig.

      „Warum?“

      „Es gibt einige, die meinen, dass wir nicht den Sohn dieser Wilden aus Epiros zum König haben sollten.“

      „Und wer sind diese Leute?“

      Er zuckte mit den Schultern. „Was weiß ich? Sicher einige, die vorhin geschrien haben, dass wir siegen werden.“

      So erfuhr ich, dass der Hof in Pella ein Schlangennest war und ich noch nicht den Durchblick hatte, was hier wirklich ablief. In unseren Bergen ging es einfacher zu, zwar war auch Gewalt dabei und manches Blut floss, aber man wusste, wer mit wem nicht konnte. Für einen Jungen aus den Bergen war Pella ein Boden, auf dem man leicht ausrutschen konnte.

      Als ich Phokis erzählte, was für einen Auftrag ich bekommen hatte, war dieser erst einmal begeistert.

      „Na endlich passiert etwas. Als Kammerdiener hat man nicht allzu viel Spaß. Mittlerweile haben sich auch alle meine Kameraden daran gewöhnt, dass ich der Diener des Bärentöters bin.“

      „Es kann gefährlich werden.“

      „Na und? Das ist doch der Spaß daran.“

      „Wir werden nicht immer wissen, wer der Feind ist“, klärte ich ihn über das auf, was mir Attalos erzählt hatte.

      Aber Phokis’ gute Laune konnte dies nicht erschüttern.

      „Dafür bin ich zuständig. Ich habe einen falschen Hund bisher immer gerochen. Nicht zu vergessen, dass wir drüben in Ionien sicher auf deinen Vater und sein Früchtchen stoßen werden.“

      „Hast du etwas gehört?“

      „Ja. Parmenion hat ihn nach Asien kommen lassen und natürlich hat er Antiochios mitgenommen. Philipps alter General hat, wie du weißt, immer viel von deinem Vater gehalten. Mir wurde berichtet, dass er ihn sogar zu seinem Adjutanten gemacht hat.“

      Dass ich in Kleinasien auf meinen Vater stoßen könnte, hatte ich nie bedacht. Er hatte mir keine Nachricht zukommen lassen und ich hatte dies auch nicht erwartet. Und Sehnsucht hatte ich nach dem Peiniger meiner Kindheit ganz gewiss nicht. Doch nun musste ich ins Kalkül ziehen, dass wir uns wieder begegneten. Unter Umständen würde dies ein ungemütliches Wiedersehen werden.

      Im Morgengrauen ritten wir los. Attalos hatte gute Tiere ausgewählt. Mit Phokis waren wir fünfzehn Mann. Die Krieger, die er bestimmt hatte, waren wettergegerbte Leute aus den Bergen und sprachen einen Dialekt, den ich gut kannte, und ich verstand mich sofort prächtig mit ihnen. Wir ritten auf der neuen Heerstraße nach Sestos. Das Wetter war angenehm. Es war noch nicht zu heiß und ein kühler Wind kam von vorn. Wir übernachteten in Olivenhainen und da sich Attalos’ Befürchtungen als unbegründet herausstellten, waren wir in prächtiger Stimmung. Nach zwei Tagen waren wir alle gute Kameraden. Phokis, der immer zu Scherzen aufgelegt war, bezeichnete die Gebirgskämpfer schon bald als seine Freunde. Attalos jedoch war die ganze Zeit unruhig. Wenn wir manchmal einem Reiter begegneten, machte er schmale Augen. Er nahm seine Aufgabe sehr ernst. Aber niemand schien sich um uns zu kümmern.

      Wir waren nur noch einen Tagesritt von Sestos entfernt, als Attalos auf einen Berghang zu seiner Linken wies.

      „Schau dir das mal an. Ich beobachte die schon eine ganze Weile.“

      Fünf Reiter ritten dort in die gleiche Richtung wie wir. Aber warum benutzten sie nicht die Heerstraße?

      „Vielleicht ist es ganz harmlos“, versuchte ich mich selbst zu beruhigen.

      „Ach ja? Und warum wählen sie den unbequemeren Weg über die Berghänge? Das glaubst du doch selbst nicht.“

      „Wie weit haben wir es noch bis Sestos?“

      „Wir könnten heute Abend dort sein.“

      „Wenn es das bedeutet, was du annimmst, werden sie bald zuschlagen.“

      „Ja. Es kommt jetzt bald eine Schlucht. Eine wunderbare Gelegenheit uns aufzuhalten. Ach, schau einmal. Jetzt sind auch Reiter auf der anderen Seite.“

      Ich stieß einen Fluch aus. Auch sie wählten den unbequemeren Weg. Nun glaubte ich, dass dies kein Zufall war.

      „Und in der Schlucht vor uns wird ihre Hauptmacht auf uns warten.“

      „Richtig. Die hier sollen erst einmal nur aufpassen, dass wir die Straße nicht verlassen.“

      „Und was machen wir?“ fragte Phokis, der das Gespräch verfolgt hatte.

      „Kann man die Schlucht umgehen?“ fragte ich.

      Attalos nickte. „Es wird uns gar nichts anderes übrig bleiben als den Höhenpfad zu wählen. Wir müssen dort den Hang hoch und es mit den Reitern aufnehmen.“

      „Dann teilen wir uns in zwei Gruppen. Du reitest mit sechs Reitern links um die Schlucht. Ich versuche es rechts“, schlug ich vor. Ein toller Vorschlag war dies nicht. Aber mir fiel nichts Besseres ein. Doch immerhin hatten wir Agrianen dabei. Wenn wir versuchten über die Anhöhen zu entkommen, hatten sie ein Terrain, auf dem sie ihre Fähigkeiten entfalten konnten. Attalos stimmte zu und ritt mit sechs Männern von der Straße den Berghang zur Linken hoch. Ich versuchte es rechts. Die Pferde kamen bald tüchtig ins Schnaufen. Ich zog den Speer vom Rücken und nahm das Schwert in die linke Hand. Spitames hatte mir beigebracht, wie man ein Pferd auch ohne Zügel dirigieren konnte.

      Unsere Verfolger erwarteten uns. Als wir nah genug heran waren, schrien sie uns Schmähungen in bestem Attisch zu. Ich wich dem Stoß meines direkten Kontrahenten aus und gab ihm meine Speerspitze zu fühlen. Es gefiel ihm nicht. Er schrie jämmerlich und fiel vom Pferd. Als ich mich um die anderen Männer kümmern wollte, war niemand mehr auf den Pferden. Unsere Agrianen waren schließlich Elitesoldaten, das Beste was wir Makedonen an Kämpfern haben, und sie hatten ordentliche Arbeit geleistet. Drei unserer Feinde waren tot. Zwei krochen am Boden herum. Ich winkte Phokis zu, sich um sie zu kümmern. Er sprang ab und riss einen der Männer hoch und gab ihm eine Ohrfeige, die nicht von schlechten Eltern war, denn mein schwarzbärtiger Riese konnte eine Eisenstange verbiegen, ohne einen roten Kopf zu bekommen. Er brüllte den Mann an, wer


Скачать книгу