Alexanders letzter Traum. Heinz-Joachim Simon

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Alexanders letzter Traum - Heinz-Joachim Simon


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er unwillig auf.

      „Was ist denn noch?“

      „Wo ist die Kleiderkammer?“

      „Stimmt. Kannst du ja nicht wissen.“

      Er erklärte es mir und ich humpelte hinaus.

      Ein älterer dürrer übelgelaunter Soldat gab mir einen blauen Rock, einen schmucklosen ledernen Brustpanzer sowie Helm, Speer und Schwert. Er zeigte mir den Schlafsaal, der zwar prächtig mit Marmor verkleidet war, aber nur sehr einfache Pritschen aufwies, die mich aber nicht schreckten. Bisher hatte ich schlechter geschlafen. Der Saal der Diener wies keinen Marmor auf, aber Phokis’ Ansprüche waren auch nicht höher als meine. Ich zog den blauen Rock an und gab Phokis meine Kleider, so dass auch er ordentlich gekleidet war und wir nicht auffallen würden. Phokis konnte sein Glück kaum fassen.

      „Kein Wunder, dass Antiochios stinksauer ist. Wir haben die Glücksgöttin auf unserer Seite!“ wiederholte er mehrmals.

      Ich konnte dem nur zustimmen. Es war eine gewaltige Verbesserung gegenüber dem, was wir bisher gewohnt waren. Ich machte mich allein auf den Weg zum Theater. Phokis wollte sich derweil die Stadt ansehen.

      „Mach aber keine Dummheiten!“

      „Nein, mein Gebieter!“ sagte mein Riese und grinste mutwillig. „Ich will nur versuchen, beim Würfeln ein paar Drachmen zu gewinnen.“

      „Mach mir keinen Ärger!“ warnte ich noch einmal.

      „Oh, ein Molosser weiß, dass er in Makedonien keinen Ärger bekommen darf.“ Er machte eine ironisch gemeinte Verbeugung und zog ab.

      Das Theater zu finden war nicht schwer. Aigai ist nicht so groß, dass ich lange suchen musste. Ich brauchte nur dem Lärm nachzugehen. Die Wache am Eingang ließ mich nach einem Blick auf meinen blauen Rock anstandslos passieren. Das Theater war bis auf den letzten Platz besetzt und ich konnte mich nicht zu den Gefährten durchdrängeln, die unschwer in der vorderen Reihe an ihren blauen Röcken auszumachen waren. Ich begnügte mich mit einem Stehplatz gleich am Ausgang. Man hatte gerade die Statuen der Unsterblichen hereingetragen, unter ihnen eine Statue mit dem Gesicht des Königs, was überraschtes Gemurmel auslöste. Nun kamen Alexander und Hephaistion herein, kaum fünf Schritte von mir entfernt. Hephaistion erkannte mich und zwinkerte mir zu. Die beiden sahen wie Götterjünglinge aus. Hinter ihnen kam ein älterer Mann, der wie ich sein Bein nachzog und mit einem goldenen Kranz gekrönt war. Philipp, der König. Nun wusste ich, warum meine Behinderung auf die Gefährten Alexanders keinen großen Eindruck gemacht hatte. Philipp hob grüßend die Hand und die Menge jubelte. Langsam humpelte er auf die Mitte des Theaters zu. Sein Gesicht, das durch eine Narbe entstellt war – es fehlte ihm auch ein Auge – zeigte Freude und Genugtuung. Es war ein großer Moment für ihn. Er wollte diese Feier zu Ehren seiner Tochter zum Anlass nehmen, den Feldzug nach Persien zu verkünden. Als Hegemon und Anführer aller Griechen wollte er die Zerstörung der Akropolis rächen. Dass dies ein paar Menschenleben her war, schien niemand zu stören. Das Gesicht des Königs glühte, was auch an unmäßigem Weingenuss liegen mochte. Es war allgemein bekannt, dass der König ein großer Anhänger des Dionysos war. Er winkte leutselig und drehte sich nach allen Seiten, so den Jubel dankend entgegennehmend.

      Nun passierte etwas, was erst Verwunderung, dann Entsetzen und schließlich erschrockene Schreie auslöste. Ein Mann in einem dunklen Umhang mit verhülltem Gesicht trat mit schnellen Schritten auf den König zu und umarmte ihn und plötzlich sank Philipp zusammen und der Mann lief die Treppen zum Ausgang hoch. Der König lag in der Mitte des Theaters am Boden und sein Übergewand färbte sich rot. Der Mann in dem dunklen Mantel stürmte nur wenige Schritte von mir entfernt dem Ausgang zu. Schon war er an den Wachen vorbei. Ich eilte ihm nach. Da ich nicht der schnellste bin, konnte ich nur noch sehen, dass er zur Agora lief. Und eigentlich hätte ich jetzt umkehren können, denn hinterher zu laufen, brauchte ich gar nicht erst zu versuchen. War es Apollon oder mein Jagdinstinkt, der mich auf die Straße humpeln ließ? Der Flüchtende hatte sich noch vor der Agora auf ein Pferd geschwungen. Auf der anderen Straßenseite, gegenüber dem Theater, vor dem Tempel der Demeter, kam ein Reiter heran und wollte dort wohl für eine gute Ernte beten. Er war gerade dabei, sein Pferd an der Tempelmauer festzubinden, da war ich schon bei ihm. Ehe er protestieren konnte, war ich auf seinem Pferd und riss es herum und jagte zur Agora hinüber. Der Besitzer des Pferdes überwand nun seine Überraschung und schrie mir ein paar kräftige Flüche hinterher, die ihm die Demeter sicher nicht so schnell verziehen hat.

      Ich preschte über die Agora und nahm die Straße aus der Stadt heraus. Der Flüchtende tanzte als dunkler Punkt in der Ferne. Mein Pferd war nun nicht gerade von edler Rasse, aber es machte sich nach gutem Zureden ganz ordentlich und ich kam dem tanzenden Punkt immer näher. Hinter mir hörte ich Schreie und ich drehte mich um. Zwei Reiter versuchten zu mir aufzuschließen. Es waren Perdikkas und Attalos, auch Gefährten Alexanders, wie ich bald erfuhr. Sie beschimpften mich kräftig, nahmen an, dass ich der Attentäter sei. Als sie nahe herangekommen waren, rief ich ihnen ihren Irrtum zu und wies immer wieder auf den tanzenden Punkt vor uns. Es dauerte eine Weile, ehe sie akzeptierten, dass ich nicht der Meuchelmörder war. Ein großer Reiter war der vor uns gerade nicht und wir kamen ihm langsam näher. Endlich waren wir aus der Stadt heraus und konnten den Pferden unsere Fersen ordentlich in die Flanken schlagen. Vor den Ausläufern des Gebirges, bei der Weggabelung nach Pella, holten wir ihn ein. Genauer gesagt, ich holte ihn ein. Er drehte sich die ganze Zeit gehetzt nach mir um. Es war ein gut aussehender Jüngling. Aus verständlichen Gründen machte er kein fröhliches Gesicht. Auf meine Rufe aufzugeben, reagierte er nicht. Also trieb ich mein Pferd näher an ihn heran. Er schlug mit der Faust nach mir, doch erwischte nur jede Menge Luft. Ich hechtete mich auf ihn und riss ihn vom Pferd und wir rollten über den Boden. Nun waren auch die beiden anderen Reiter heran. Blitzschnell sprangen sie von den Pferden und zogen den Mörder hoch und ….. töteten ihn. Sie fragten nicht, wer er war oder warum er es getan hatte, sondern stießen ihm sofort die Messer in Brust und Kehle.

      „He, was soll denn das?“ brüllte ich die beiden an. „Nun erfahrt ihr nie, wer ihn angestiftet hat.“

      „Wer bist du denn?“ fragte der Kleinere von ihnen. Später erfuhr ich, dass er Attalos hieß und sein Vater ein Vetter des Königs war. Ich sagte es ihnen und natürlich kannten auch sie die Geschichte vom Bärentöter. Sie akzeptierten mich nun.

      „Der Kerl musste sterben!“ verteidigte sich Perdikkas.

      Es blieb eine undurchsichtige Geschichte. Von Attalos erfuhr ich, dass der Attentäter Philipp ermordet hatte, weil dieser ihm keine Genugtuung für den Schimpf gegeben hatte, den ihm der Onkel von Philipps zweiter Frau zufügte. Eine unappetitliche Angelegenheit. Der Onkel der Kleopatra hatte den Pausanias, so der Name des Mörders, betrunken gemacht und von seinen Sklaven vergewaltigen lassen. Aber es gab auch viele andere Gerüchte, zum Beispiel, dass Olympias, Alexanders Mutter, hinter dem Anschlag steckte. Offiziell waren natürlich die Perser daran schuld. Zu der Zeit waren sie nämlich an allem schuld, selbst am Wetter. Dass ich an der Ergreifung des Attentäters beteiligt gewesen war, sollte sich für mich erfreulich auswirken.

      Noch am Abend des gleichen Tages wurde ich zu Alexander gerufen. Natürlich waren Hephaistion dabei und die anderen Gefährten. Seleukos, den ich bereits kennen gelernt hatte, Ptolemaios und Peukestas, die meine engsten Freunde wurden, Krateros und Lysimachos, von denen ich viel lernte, und natürlich der Dunkle, Kleitos. Ach ja, Perdikkas und Eumenes waren auch dabei, die nie meine Freunde wurden. Sie alle waren – bis auf Kleitos – jung und sahen gut aus und waren Alexander treu ergeben. Es war eine verräucherte dunkle Halle, kein Thronsaal, in der sie mich empfingen, und eigentlich nur dadurch interessant, weil dort ein Altar zu Ehren des Zeus–Amun stand. Selbst ich wusste bereits, dass Alexander ein enges Verhältnis zu den Göttern pflegte.

      „Unser Bärentöter – ein bemerkenswerter Kerl!“ sagte Alexander zu Hephaistion und betrachtete mich, als wäre ich ein Pferd, das ihn zum Sieg tragen sollte. „Erst rettet er dein Leben und nun fängt er auch noch den Mörder meines Vaters.“

      „Amun hat ihn uns geschickt!“ sagte eine Frauenstimme hinter uns.

      Olympias, die Mutter Alexanders, war immer noch eine schöne Frau


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