Alexanders letzter Traum. Heinz-Joachim Simon

Читать онлайн книгу.

Alexanders letzter Traum - Heinz-Joachim Simon


Скачать книгу
bist schnell aufgestiegen, Leonnatos“, sagte er mit einem Lächeln und deutete auf die Plakette auf meiner Brust. Er musterte mich ausgiebig und sein Blick ging hinunter zu meinem Fuß.

      „Dem König macht das nichts aus!“ sagte ich feindselig.

      „Ja? Auch Philipp war nicht gut zu Fuß!“ stimmte Parmenion zu. „Wenn er noch leben würde, wäre mir vor dem Feldzug nicht bange.“ Er seufzte.

      Ich fand die Bemerkung sehr unpassend. Sie sagte nichts anderes, als dass Philipp der bessere König war.

      „Alexander wird bald hier sein“, sagte Attalos eisig.

      „Ja. Alexander!“ sagte Parmenion dumpf und las noch einmal den Papyrus und rollte ihn zusammen.

      „Ihr könnt morgen zu ihm zurück reiten. Ihr werdet ihm die Nachricht überbringen, wo wir uns mit ihm vereinigen. Ich gebe euch ein paar von meinen besten Reitern mit. Kommt heute Abend zu mir zum Nachtmahl. Anthes, du kümmerst dich derweil, dass dein Sohn und seine Männer eine entsprechende Unterkunft bekommen und sich ausruhen können. Du wirst mit Leonnatos sicher auch genug zu erzählen haben.“

      Er lächelte und nickte meinem Vater zu und der presste die Lippen zusammen und winkte mit dem Kopf und wir folgten ihm aus dem Zelt. Als er draußen Phokis sah, wurde sein Gesicht noch finsterer. Große Lust mich mit ihm zu unterhalten hatte ich genau so wenig wie er. Ich merkte, dass sich auch Attalos ungemütlich fühlte.

      Vater führte uns zu einem Zelt, in dem einige Liegen standen. Er brüllte nach einem Aornos und dieser kam sofort angewieselt. Er befahl dem Sklaven Wasser und etwas zu essen zu bringen.

      „Ihr seid im Königspalast sicher besseres gewöhnt“, sagte er höhnisch. „Aber wir sind Soldaten. Mehr Komfort können wir euch nicht bieten. Wir sehen uns heute Abend beim Festmahl.“

      Er nickte Attalos zu und ging hinaus.

      „Ist der Einäugige wirklich dein Vater?“ fragte Attalos verblüfft.

      „Ja. Daran kann ich leider nichts ändern.“

      „Was ist zwischen euch?“

      „Hass.“

      „Zwischen Vater und Sohn?“

      „Ja. Entweder bringt er mich um oder ich ihn.“

      „Ich werde heute Nacht wach bleiben!“ warf Phokis ein.

      „Ihr aus den Bergen seid Barbaren“, sagte Attalos kopfschüttelnd.

      „Ja. Wir sind etwas ungeschliffen“, erwiderte ich und lachte verlegen.

      „Barbaren seid ihr!“ wiederholte Attalos.

      Dann kamen die Sklaven und lenkten uns von diesem Thema ab. Sie brachten Wannen mit dampfendem Wasser und wir konnten uns nach Tagen wieder einmal den Dreck abwaschen. Danach salbten uns die Sklaven und kneteten uns durch und schabten schließlich das Öl von der Haut. Nach einem kräftigenden tiefen Schlaf gingen wir gut ausgeruht zum Gastmahl des Parmenion. Die Sklaven hatten unsere Lederpanzer gewienert und uns neue Röcke bereit gelegt, so dass wir uns wie neugeboren fühlten. Phokis musste natürlich zurück bleiben. Was diesen aber nicht zu stören schien, da er sich zum Würfelspiel verabredet hatte.

      In dem Zelt des Feldherrn war nun eine große Tafel aufgebaut. Ungefähr zwanzig Personen lagerten um den Tisch. Im Gegensatz zu der Umgebung des Königs waren es meist gestandene Männer, Veteranen des Königs Philipp. Sie hatten verwitterte harte Gesichter und ihre Bärte waren grau. Sie sahen uns entweder gleichgültig oder geringschätzig an. Für sie waren wir Grünschnäbel.

      Es wurde mächtig aufgetischt und es war ein makedonisches Mahl. Es gab viel Hammelfleisch und Bohnen und Hirse. Der Wein wurde unverdünnt getrunken, nachdem man zu Ehren des Dionysos Wein auf den Boden geschüttet hatte. Der General stellte uns als Gefährten des Königs vor und die Offiziere machten gelangweilte Gesichter. Es war offensichtlich, dass sie nicht viel von uns hielten. Wenn Parmenion gesagt hätte, dass wir die Schoßhunde des Königs seien, hätten sie wohl ähnlich desinteressiert reagiert. Mein Vater, als Parmenions Adjutant, stand wie ein Schatten hinter ihm. Es musste ihn hart ankommen, dass sein Sohn gleichberechtigt an Parmenions Tafel lag, während er stehen und beim Essen zusehen musste. Es geschah ihm ganz recht. Wie oft hatte er mich beschimpft und von seiner Tafel gewiesen.

      „Alexander wird bald zu uns stoßen!“ weihte Parmenion die Runde ein.

      „Dann geht es also los“, sagte ein finster dreinblickender Schlagetot. Kurze Stirn, stechende Augen, zerschlagene Nase und ein wollüstiger Mund, in dem einige Zähne fehlten. Nicht gerade ein seltener Typus in jedem Soldatenhaufen.

      „Ich rechne in Kürze damit, Myros“, gab Parmenion zu und biss herzhaft in eine Keule.

      „Es wird nicht einfach werden. Memnon ist ein fähiger Feldherr und er hat nicht nur genug griechische Söldner, sondern jetzt auch noch baktrische Reiter bekommen.“

      „Eine Schande, dass wir auf Griechen treffen!“ stieß Attalos hervor.

      Die Offiziere sahen ihn an, als hätte er stinkende Luft abgelassen.

      „Ihr müsst ihn verstehen“, entschuldigte uns Parmenion. „Die Gefährten des Königs sind zweimal von griechischen Söldnern überfallen worden.“

      Sie gingen nicht darauf ein.

      „Den Hundesöhnen wird es ergehen wie bei Chaironeia“, sagte Myros und wedelte verächtlich mit der Hand, als würde er etwas Lästiges wegscheuchen. „Aber was dann? Wenn wir Sardes, Ephesos und Milet geplündert haben, kehren wir dann um oder wie geht es weiter?“

      „Keine Plünderungen. Wir werden den Städten Ioniens die Freiheit bringen“, sagte Parmenion dumpf. Es klang nicht sehr begeistert.

      „Keine Plünderungen? Was ist denn dann der Sinn des Feldzuges?“ empörte sich Myros und die anderen Offiziere pflichteten ihm bei. Sie sahen wie Kinder aus, denen man ihr liebstes Spielzeug wegnehmen wollte.

      „Rache für die Zerstörung der Akropolis in Athen. Rache für die Thermopylen, darum geht es. Rache für die verwüsteten Städte.“

      „Was gehen uns die Griechen an? Und außerdem ist dies schon hundertfünfzig Jahre her.“

      „Das musst du Alexander fragen“, erwiderte Parmenion. Es klang nicht wie eine Zurechtweisung.

      „Na schön. Ich habe kapiert“, gab Myros zurück. „Mit dem Memnon werden wir fertig werden. Aber was machen wir, wenn der Großkönig mit hunderttausenden von Kriegern kommt?“

      „Hast du Angst, Myros?“ fragte sein Nachbar, der auch nicht viel besser aussah und dem obendrein eine Narbe über das Gesicht lief. Alle gröhlten und Myros lief rot an.

      „Rede nicht so! Jeder weiß, dass ich keine Furcht kenne. Ich will ja nur wissen, ziehen wir uns dann nach Makedonien zurück oder lassen wir uns hier in Ionien auf einen Kampf mit ihm ein?“

      „So dumm werden wir doch nicht sein. Wir werden die Ionier ordentlich schröpfen und uns dann nach Makedonien zurückziehen. Nach den Erfahrungen der letzten fehlgeschlagenen Feldzüge in Griechenland wird Dareios keine große Lust haben uns zu folgen“, sagte Narbengesicht.

      „So würde Philipp handeln“, stimmte Parmenion zu.

      „Ja, das war ein König!“ rief Myros. „Auf unseren guten König Philipp“, setzte er hinzu und hielt seinen Becher Wein hoch und wir konnten uns dem Trinkspruch nicht verweigern und ließen also Philipp hochleben.

      „Du meinst, Alexander wird sich nicht zurückziehen?“ fragte Myros, nachdem wir ordentlich aus den kübelartigen Herkulesbechern getrunken hatten. Die Altmakedonen verstanden zu saufen.

      „Niemand weiß, was den König bewegt.“

      „Außer Hephaistion“, rief Myros und alle schüttelten sich vor Lachen.

      Es folgten einige Anzüglichkeiten, wer von den beiden bei der Liebe oben


Скачать книгу