Alexanders letzter Traum. Heinz-Joachim Simon

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Alexanders letzter Traum - Heinz-Joachim Simon


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du auf die Ratschläge deines Vaters, heißt er nun Philipp oder Amun.“

      Es war wohl keine so gute Antwort, denn es wurde wieder mucksmäuschenstill im Zelt und Attalos hielt sich den Kopf und Ptolemaios machte ein Gesicht, als habe er Zahnschmerzen. Aber Alexander nahm es nicht schlecht auf, sondern nickte ernst.

      „Amun wird mich das Rechte tun lassen!“ sagte er bedächtig. „Doch ich will deine Meinung hören.“

      Mir trat der Schweiß auf die Stirn. Warum wollte er gerade von mir hören, was ich dachte? Ich war ja nun gerade erst zu den Gefährten gestoßen. Er sollte lieber Perdikkas oder noch besser Hephaistion fragen. Auch Seleukos und Peukestas mit ihrer Erfahrung wären ihm bessere Ratgeber.

      „Lass Alexander tun, was in Alexander ist“, stammelte ich.

      Die einfachste und dümmste Antwort ist manchmal die beste.

      Alexander schlug sich auf den Schenkel. „Das ist eine gute Antwort. Habt ihr gehört? Ich soll tun, was in mir ist. Wahrhaft, das werde ich! Morgen werden wir noch Spiele zu Achilleus’ Ehren veranstalten und dann ziehen wir in den Krieg und werden Memnon hinwegfegen. Perdikkas und Peukestas, ihr sorgt dafür, dass der Tross nachkommt und der Nachschub nicht abreißt. Geht davon aus, dass wir uns nicht mit diesem schmalen Streifen Asiens begnügen werden. Die anderen melden sich zu den Wettkämpfen. Wofür wirst du dich melden, Sohn des Hephaistos?“ fragte er und schüttelte meine Schulter.

      „Meine Fähigkeiten sind leider begrenzt.“

      „Er ist mutig wie Hektor!“ widersprach Hephaistion.

      „Er kann reiten wie ein Zentaur!“ setzte Attalos hinzu.

      „Na also, dann wirst du bei dem Wettrennen um das Grab des Achilleus mitmachen. Du bekommst von meinen Pferden ein gutes Tier. Peukestas, du sorgst dafür, dass er die Eos bekommt. Mit ihr müsste er eigentlich unter die ersten fünf kommen.“

      „Eos ist etwas ungebärdig!“ warnte Hephaistion. „Die Stute ist eine Schwester des Bukephalos. Nur unter deinen Schenkeln lässt sie sich reiten.“

      „Er reitet wirklich wie ein Zentaur“, nahm Attalos noch einmal für mich Partei. „Er wird auch Eos ins Ziel führen.“

      „Na also. Er reitet Eos!“ schloss Alexander die Diskussion ab und schüttelte zufrieden meine Schulter, als habe er die ganze Zeit nichts anderes vorgehabt, als dafür zu sorgen, dass ich mich auf eines seiner Pferde schwinge.

      Die nächsten Tage waren angefüllt mit Wettkämpfen. Das Heer hatte sich in Kreisen um die Wettkampfstätte versammelt, und es wurde gerungen, geboxt und es fehlten nicht Diskuswurf, Wettlauf und Weitsprung. Jede Phalanx schickte ihre besten Männer. Ich hätte gern beim Ringen mitgemacht, denn bei diesem Wettstreit traute ich mir einiges zu. Als ich sah, welche Muskelpakete antraten, war ich doch froh, dass die Gefährten Lysimachos für den Ringkampf bestimmten. Vor den Wettkämpfen wurden Zeus und Achilleus geopfert. Die Priester begutachteten die Innereien der Opfertiere und sagten natürlich voraus, dass wir gegen die Perser siegen würden. Am Nachmittag des zweiten Tages wurde das Pferderennen gestartet. Mir wurde die Ehre zuteil die Leibgardisten zu vertreten. Es war eine Auszeichung. Hephaistion winkte mir zu, was soviel hieß, dass ich ihm keine Schande machen solle. Von der Entourage um Alexander war noch Philotas dabei, der aber als Anführer der Reiterschwadronen deren Farben vertrat. Man hatte mir die Stute leider erst spät gebracht, so dass ich sie vor dem Wettkampf nicht einreiten konnte. Aber ich verliebte mich sofort in sie. Es war eine braune langbeinige Stute mit schönen nervösen Augen. Aber ich kam mit ihr gleich zurecht, ließ sie unter meinen Achseln schnuppern und fütterte sie mit Nüssen. Ich hatte das Gefühl, dass sie mich mochte.

      Als Ptolemaios den Start freigab, hielt ich mit anfangs erst einmal zurück und ritt am Ende des Mittelfeldes. Die Rennstrecke führte von Troja den Abhang hinab bis zum Grab des Achilleus und weiter bis an Meer und von dort zurück zum Ausgangspunkt vor der Stadt. Als wir am Meer ankamen, hatte ich zur Führungsgruppe aufgeschlossen. Ich machte mich leicht und lag fast über dem Kopf des Tieres und flüsterte Eos Zärtlichkeiten ins Ohr; wie schön sie sei und wie sehr ich sie liebe. Bei den Göttern, Eos verstand mich. Sie lief wunderbar leicht und als wir das Grab des Achilleus wieder erreichten, war nur noch ein Reiter vor mir. Philotas. Als Anführer der Reiterschwadronen war er natürlich einer der besten. Aber er war älter als ich und schwerer und Eos war ein Pferd, wie es nur Könige haben und ich versprach der Stute alle Herrlichkeit auf Erden und klopfte immer wieder ihren Hals, und wir schoben uns langsam an Philotas heran. Nun gab ich Eos die Zügel frei und schrie und feuerte sie an und schon waren wir im Ziel. Alle jubelten und umringten uns, und die Leibgardisten riefen mich als Sieger aus und die Reiterschwadronen Philotas. Alexander und Hephaistion kamen mit Lorbeerkränzen und Alexander drückte einen Philotas aufs Haupt und Hephaistion tat das gleiche bei mir.

      „Keiner kann sagen, wer gesiegt hat. Ihr wart einander ebenbürtig. Ihr seid beide geritten, als würden die Götter hinter euch sitzen“, lobte Alexander.

      „Nie habe ich deinen Eos so rennen sehen!“ setzte Hephaistion hinzu und Alexander nickte.

      „Das Pferd gehört dir, Leonnatos. Die Eos scheint dich zu lieben. Behandle sie gut und denke daran, dass es eine Schwester meines Bukephalos ist.“

      Das war typisch Alexander. Wenn er den Menschen eine Freude machen konnte, dann versäumte er keine Gelegenheit, um dies zu tun. Ich habe keinen freigiebigeren Menschen kennen gelernt als unseren König. Es machte sich nicht viel aus irdischem Besitz, wobei die Pferde sogar eine Sonderrolle spielten. Aus Pferden und Hunden machte er sich etwas, schließlich weiß heute die ganze Welt, wie sehr er seinen Bukephalos liebte. Er belohnte mich, wie nur Alexander belohnen konnte, dabei hatte ich nichts anderes getan, als sein Pferd zu reiten. Philotas zog bei dieser Ehrung ein schiefes Gesicht. Unsere Abneigung war durch den Ritt nicht kleiner geworden. Ich war überzeugt, dass ich ihn besiegt hätte, wenn ich die Eos hätte einreiten können oder wenn die Rennbahn nur ein wenig länger gewesen wäre.

      Am Ende der Wettkämpfe rannten Alexander und Hephaistion nackt um das Grab es Achilleus, wenn es denn dessen Grab war. Mit Fackeln in der Hand liefen sie bei einbrechender Dunkelheit singend um den Hügel und das Heer stimmte den altmakedonischen Schlachtruf an. „Allallalei“ erscholl es aus tausenden von Kehlen. Die Gefährten schlossen sich dem Lauf an. Ich ritt mit Eos zu der Stadt hoch, die einst Homers Troja gewesen war. Bei dem Lauf um das Grab hätte sich ein Hinkender sicher nicht gut ausgemacht. Ich stieg vom Pferd und setzte mich auf die Stufen des kleinen halbverfallenen Tempels und sah hinunter auf die skamandischen Felder. Von hier oben waren nur die vielen Fackeln zu sehen, die wie ein Schwarm Glühwürmchen aussahen und ich hatte das Gefühl, dass noch ein anderer bei mir war.

      „Nun beginnt es also!“ sagte ich zu dem Gott.

      „Ja. Es beginnt etwas, was es noch nie gegeben hat und worüber man noch in tausenden von Jahren sprechen wid.“

      „Und was mache ich dabei?“

      „Du wirst auf ihn aufpassen!“ sagte der Gott.

      „Ich? Er hat doch Hephaistion, Perdikkas, Ptolemaios und die anderen.“

      „Es sind alles Krieger.“

      „Bin ich kein Krieger? So schlecht habe ich mich gegen die Griechen nicht geschlagen.“

      „Das ist nicht das Wichtige an dir.“

      „Und was ist wichtig an mir?“

      „Du bist ein guter Beobachter.“

      „Und wozu soll das gut sein?“

      „Kallisthenes wird Alexanders Ruhm besingen. Eumenes wird sorgfältig jedes Scharmützel festhalten. Was Alexander aber wirklich alle Grenzen überwinden lässt, werden sie nicht erfassen.“

      „Schön. Und was tue ich dabei?“

      „Du wirst ihm helfen, dass sich seine Sehnsucht erfüllt.“

      „Ich? Ein Hinkefuß soll meinem König helfen? Ich bin nichts Besonderes.“

      „Du bist


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