Alexanders letzter Traum. Heinz-Joachim Simon

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Alexanders letzter Traum - Heinz-Joachim Simon


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willst mir ein schlechtes Geschäft zuschieben.“

      „Das kannst du erst am Ende beurteilen!“ sagte der Gott schroff.

      Das war mein Gespräch mit dem, der noch da war. War es Apollon? Vielleicht. Oder war es nur ich selbst? Aber immerhin ist es vor Troja passiert und dort haben sich, wenn man Homer glaubt, immer gern die Götter eingefunden. Unter mir leuchteten die Fackeln wie Glühwürmchen.

      7.

      Wir standen am Garnikos. Kein besonders aufregender Fluss. An manchen Stellen nur zwei Steinwürfe breit. Hinter uns ging die Sonne langsam unter und blendete den Feind vor uns, den wir nur als dunkle Wand sahen. Der Garnikos führte viel Wasser, das zwar nicht tief, aber reißend und braun und von weißen Sandbänken durchzogen war, die wie Rücken urzeitlicher Tiere aus dem Fluss ragten.

      Ich stand daneben, als Parmenion vorschlug, die Schlacht auf den nächsten Tag zu verschieben, da die Männer vom Marsch abgekämpft seien und man überlegen solle, wie der Übergang am nächsten Tag an anderer Stelle gelingen könne. Das Ufer gegenüber erklärte er als zu steil für einen Frontalangriff. Alles Ausflüchte, die ihm wohl die Angst vor der Entscheidung eingegeben hatte. Alexander wischte sie mit einer energischen Handbewegung fort, als verscheuche er lästige Fliegen.

      „Ich schäme mich, wo ich den Hellespont mühelos überschritten habe, bei dem Gedanken, dass uns dieser elende Bach dort hindern soll, hinüberzugehen. Das wäre dem Ruhm der Makedonen nicht gemäß.“

      So hat es Kallisthenes festgehalten und deswegen hört es sich ein wenig hölzern und prahlerisch an. Immerhin stand uns die erste große persische Streitmacht gegenüber. Aber so ähnlich habe ich es auch von Alexander gehört.

      Der Feind war uns auf den ersten Blick überlegen. Sie hatten zwanzigtausend Reiter am Ufer und dahinter standen noch einmal zwanzigtausend griechische Söldner. Und darin lag der Fehler. Alexander erkannte ihn sofort. Indem die Perser ihre Reiter an den Fluss stellten, neutralisierten sie ihre griechischen Söldner. Alexander war am Garnikos noch kein so großer Stratege wie Epameinondas und Mithridates. Er war wie Achilleus ein Krieger und mit der Begabung gesegnet, auf dem Schlachtfeld die Schwächen des Feindes sofort zu erkennen. Hätte Memnon, der Befehlshaber der griechischen Söldner, den Oberbefehl gehabt, wäre vielleicht alles anders gekommen, aber die Perser standen unter dem Doppelkommando des Spithridates und Arsites, beide Satrapen des Großkönigs und so eitel, dass sie nicht auf Memnon hörten, weder seinen Vorschlag annahmen, keine Schlacht anzunehmen noch in die erste Reihe am Granikos griechische Söldner zu stellen. Alexander war sich absolut sicher, dass er siegen würde.

      Er ritt noch einmal die eigenen Reihen ab. Jeder konnte ihn an der weißen Feder an seinem Helm erkennen. Er redete den Männern gut zu. Unsere Leute brannten nun darauf sich mit dem Feind zu messen. Alexander hatte die Fähigkeit ihnen den Glauben an die eigene Stärke und Unbesiegbarkeit zu vermitteln. Also griffen wir nicht erst am nächsten Tag, sondern bereits in der Abendröte an.

      Mit dem Ruf der Griechen bei Troja, mit Ares–Ares–Rufen stürzten sich unsere Makedonen in den Fluss. Alexander hielt sich auf dem rechten Flügel noch zurück und ließ erst einmal einen Scheinangriff ausführen, der die persische Reiterei zum Voranstürmen veranlasste. Es kam im Fluss zu einem schrecklichen Handgemenge, und nun, wo er sah, dass drüben beim Feind eine Lücke entstanden war, befahl er an der Spitze seiner Reiter den Angriff. Ich war dicht hinter ihm. Wir preschten durch das flache Wasser, durchbrachen die Reihen der Perser und jagten das Steilufer hoch. Ich versuchte Alexander die Flanke freizuhalten. Sein Speer war schon beim ersten Angriff zersplittert und ich warf ihm einen meiner Speere zu. Schon drang Mithridates, der Schwiegersohn des Dareios, auf ihn ein. Er schlug nach Alexander und dieser stieß ihm meine Lanze ins Gesicht. Nun stürzte sich Phoisakes, der Bruder des Mithridates, auf Alexander und schlug ihm ein Stück von seinem Helm ab. Aber Alexander stürzte nicht, sondern schlug seinerseits nun auch Phoisakes vom Pferd. Die Namen der persischen Führer erfuhr ich Jahre später von Mazaios.

      Wir waren mitten in das Herz der persischen Reiter hineingestoßen und nun trafen wir auf Spithdridates, und der hätte ihn, weil Alexander sich noch einmal zu Phoisakes umdrehte, bestimmt niedergestreckt, und der Krieg wäre zu Ende gewesen. Alexander konnte niemand ersetzen. Doch Kleitos, der Schwarze, wie wir ihn nannten, Befehlshaber der thrakischen Reiterei, hieb dem Perser den Arm ab. Mittlerweile hatte auch Parmenion mit den Phalanxregimentern am Ufer des Garnikos Fuß gefasst. Da die Perser kein einheitliches Kommando mehr hatten, lösten sich ihre Reihen auf. Schließlich standen uns nur noch die griechischen Söldner gegenüber.

      Alexander ließ sich ein anderes Pferd geben, da Bukephalos erschöpft war und stürzte sich mit der Gefährtenschwadron auf die Griechen. Von den Persern im Stich gelassen, konnten wir die Söldner einkreisen. Nun begann ein Blutbad, wie es in dieser Phase des Alexanderzuges immer dann von Alexander ausgelöst wurde, wenn er auf Verräter traf. Für ihn, dem Hegemon Griechenlands, waren Landsleute auf Seiten der Perser Abtrünnige, und er bestrafte sie erbarmungslos. Tausende wurden niedergemetzelt und die Gefangenen in die Heimat zurück geschickt – in die Bergwerke als Sklaven. Dies um der Wahrheit willen. Alexander war nicht ohne Fehler. Die Götter waren offensichtlich auf seiner Seite, aber warum haben sie ihm nicht eingegeben, dass dies nicht nur ein Verbrechen war, sondern ein Fehler, der ihn in Athen nicht gerade beliebter machte?

      In der Nacht erreichten wir das persische Lager und wenn Alexander knapp bei Kasse war, wie manche Chronisten schreiben, so waren diese Zeiten seit dem Sieg beim Garnikos ein für allemal vorbei. Neben goldverzierten Möbeln und goldenem Tafelgeschirr fiel uns die Kriegskasse der Perser in die Hände. Von nun an brauchte Alexander keine Angst zu haben, dass ihm die Heimat den Geldhahn zudrehte. Athen übersandte er dreihundert persische Rüstungen, die man auf der Akropolis mit einer Tafel aufstellte:

      Alexander, Sohn des Philipp, und die Griechen

      mit Ausnahme der Lakedaimonier bringen diese

      Beutestücke der Barbaren Asiens der Stadt Athen

      zum Geschenk.

      So wurde Athen gerächt und geehrt und Alexanders Ruhm wuchs in der Welt, und doch war dies erst der Anfang.

      Ehe wir weiter zogen, genossen wir erst einmal den Triumph und Alexander ließ Spiele veranstalten und die Tapfersten der Tapferen wurden ausgezeichnet. Ich bekam vor allen Heeresführern eine goldene Kette von Alexander. Mein Vater war, als Adjutant des Parmenion, auch dabei. Meine Auszeichnung machte ihm wenig Freude. Gleichzeitig war die Ehrung eine Beförderung und ich wurde nun auch offiziell Leibgardist und war Verwandter des Königs und hatte damit ständigen Zugang zu ihm. Neben Hephaistion durften sich nur acht Gefährten als Verwandte bezeichnen, darunter Perdikkas, Ptolemaios, Peukestas, Lysimachos und Kleitos. Ich schrieb diese schnelle Beförderung Hephaistion zu, aber dieser versicherte mir später, dass er damit nichts zu tun hatte.

      „Alexander glaubt, dass dich Apollon geschickt hat.“

      Ich erzählte ihm darauf hin, welches Gesicht ich auf den Stufen des Tempels in Troja hatte und was ich glaubte gehört zu haben und natürlich erzählte er es Alexander und dieser ließ mich bald kommen.

      Diesmal war ich in seinem Zelt mit ihm allein und er forderte mich auf von meinem Traumgesicht zu erzählen und ich wiederholte es, so gut ich es vermochte.

      „Und das geschah, während wir das Grab es Achilleus umrundeten?“

      „Ich konnte ja nicht mitmachen“, antwortete ich und deutete schmerzlich lächelnd auf mein Bein.

      „Du sollst helfen, dass sich meine Sehnsucht erfüllt? Die Götter schicken mir in dir einen seltsamen Helfer.“

      „Gesunde Krieger und Schreiberlinge hast du doch genug.“

      „In der Tat. Tapfere Gefährten habe ich genug. Auch Schreiberlinge wie Eumenes, dem ich jeden Tag mein Tagebuch diktiere. Und Kallisthenes ist unser Chronist des Feldzuges und sorgt dafür, dass die Ereignisse den Griechen wie süße Trauben schmecken. Was also will der Gott von dir?“

      „Ich weiß es auch nicht. Ich habe dir nur berichtet, was ich vor Trojas Tempel hörte. Ich habe mich nicht um diesen Auftrag


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