Alexanders letzter Traum. Heinz-Joachim Simon

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Alexanders letzter Traum - Heinz-Joachim Simon


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Begleitmannschaft zurück. Philotas nahm einen Thraker und ich nahm Phokis mit und wir stolzierten in den Empfangssaal der Bürgerhalle. Dort war alles versammelt, was in Milet Rang und Namen hatte. Philotas leierte die Botschaft Alexanders herunter. Er machte es so hochmütig, dass die Mienen der Ratsherren versteinerten. Philotas’ Rede lief darauf hinaus, dass sie froh sein könnten, dass ihnen Alexander die Freiheit brachte und er im Übrigen nicht verstehen könne, warum sie dafür nicht selbst gesorgt hatten. Der Dummkopf bedachte nicht, dass die Mileter einst den Aufstand gegen die Perser anführten und dafür fürchterlich bestraft worden waren. Die Mileter redeten eine Weile drum herum und sprachen von Wohltaten, die sie vom Großkönig in der letzten Zeit erfahren hatten. Wir mussten also feststellen, dass die große Freiheit, die Alexander verkündete, nicht für alle Ionier so attraktiv war wie wir gedacht hatten.

      „Ihr müsst euch ja auch nicht ergeben!“ sagte Philotas grinsend. „Dann ergeht es euch so wie Theben.“ Er drehte sich um und deutete mir mit dem Kopf an, dass wir gehen sollten und so stiefelten wir wieder hinaus.

      „Das hast du ja toll hinbekommen“, rief ich Philotas zu, als wir aufsaßen.

      „Wir haben unseren Auftrag doch ausgeführt!“ sagte Philotas gleichmütig und schwang sich aufs Pferd.

      Der Kommandant der miletischen Garde kam nun winkend aus der Ratshalle und bat uns zurückzukommen. Philotas schüttelte den Kopf und wollte los reiten. Aber da ich wieder vom Pferd stieg, blieb ihm nichts anderes übrig, als mir mit wütendem Gesicht in die Halle zu folgen. Die Gesichter der Ratsherren waren kalkweiß. Aber sie beteuerten nun, dass sie Alexander als Schutzherrn anerkennen würden und ihn gern willkommen hießen.

      „Warum nicht gleich so“, brummte Philotas. „Wir werden es dem König ausrichten.“

      Wir ritten also mit guten Nachrichten zurück. Philotas sprach auf dem Rückweg kein Wort mit mir. Alexander war jedenfalls sehr zufrieden und lobte unser Verhandlungsgeschick.

      „Ich hatte schon befürchtet, dass wir die Stadt belagern müssen. Wir hätten Zeit verloren. Wie die gefangenen Perser berichten, sind die Mileter gute Untertanen des Großkönigs geworden. Das war gute Arbeit, ihr beiden.“

      Nach der Audienz nahm mich Ptolemaios beiseite: „Du siehst nicht sehr zufrieden aus. Was war denn los?“

      Ich erzählte ihm, wie es abgelaufen war.

      „Sie fühlen sich unter persischer Herrschaft wohler als in griechischer Freiheit?“

      „Sieht so aus, Ptolemaios.“

      „Das kann ja heiter werden.“

      Es wurde bereits am nächsten Tag heiter und trug mir unzufriedene Blicke Alexanders ein. Die Mileter schickten eine Gesandtschaft, die nun erklärte, dass man doch neutral bleiben wolle. Sie würden Alexander ehren, aber sie würden auch den Großkönig Dareios achten, der ihnen so viele Wohltaten erwiesen habe. Alexander sah mich stirnrunzelnd an.

      „Habt ihr irgendetwas falsch verstanden, als ihr bei ihnen wart?“

      „Nein. Überhaupt nicht“, beeilte sich Philotas zu sagen, mit einer Miene, die befürchten ließ, dass er am liebsten über die Abgesandten herfallen würde.

      „Leonnatos?“ fragte mich Alexander nun.

      „Sie waren schon recht widerspenstig. Erst als Philotas mit dem Schicksal Thebens drohte, knickten sie ein.“

      „Ach so war das?“

      Alexander lehnte sich in seinem Sessel zurück und sah die Mileter drohend an.

      „Ihr zieht also den Großkönig der Freiheit vor. Das nenne ich Verrat an Griechenland! Wie erbärmlich seid ihr. Habt ihr euch für persisches Gold verkauft wie die Spartaner?“

      Die Mileter zitterten wie Espenlaub. Aber Alexander war kein Barbar. Jedenfalls durften sie unbehelligt mit der Botschaft von dannen ziehen, dass ein Strafgericht auf sie wartete, wenn sie sich für den Großkönig entschieden. Natürlich würde er keine Neutralität akzeptieren.

      Nun war der König nicht mehr zu halten. Am nächsten Tag brach das Heer auf und wir marschierten auf Milet zu. Sie hätten es sich überlegen sollen, Alexander zu trotzen. Die großen Belagerungsmaschinen brachten bald die Mauern zu Fall. Die persische Flotte, mit deren Hilfe die Mileter gerechnet hatten, konnte nicht in den Hafen einlaufen, da dieser durch Alexanders Flotte blockiert wurde. Die Schiffe der Perser mussten wegen Trinkwasserknappheit unverrichteter Dinge nach Samos zurück segeln. Das einfache Volk von Milet empfing Alexander zu unserem Erstaunen wie einen Befreier. Die Oligarchen hingegen, der miletische Adel und die reichen Handelsherren, verschanzten sich in der Zitadelle, die bald von den Gefährten zu Fuß erobert wurde. Alexander gab das Stadtviertel der Vornehmen einen Tag zur Plünderung frei.

      Als wir mit dem König die Ratshalle betraten, in die man die Oligarchen gebracht hatte, starrten uns die Gefangenen ängstlich entgegen. Ihr Stolz war gebrochen. Alexander jedoch war ganz friedlich und begnadigte sie. Selbst die griechischen Söldner wurden diesmal nicht in die thrakischen Bergwerke geschickt, sondern als Söldner in unsere Mannschaften eingereiht. Alexander hatte gelernt. Lediglich die persischen Gefangenen erwartete ein Sklavendasein. Die Mileter waren nun zuckersüß und begeistert zeigten sie ihm die Statuen auf der Agora, lauter Statuen von Olympiasiegern, um so zu demonstrieren, wie griechisch sie waren. Aber damit konnten sie Alexander nicht imponieren.

      „Wo waren diese Sieger, als ihr das Joch Persiens auf euch nahmt?“ erwiderte er kalt. In der Tat eine gute Frage.

      Nach wenigen Tagen hatte der König die künftige Ordnung in den Städten geregelt, und wir konnten gegen Halikarnassos ziehen, wo sich, wie unsere Späher berichteten, Memnon verschanzt hatte. Doch wir waren guten Mutes und das nicht nur, weil wir Milet in unsere Gewalt gebracht hatten, sondern es sprach sich herum, was in Dydyma passiert war, und dies hatte auch mit den Göttern zu tun und verstärkte die Zuversicht der Makedonen.

      Nachdem sich Sardes uns in die Arme geworfen hatte und Milet klein beigeben musste, unterwarf sich auch Epheso und sie luden Alexander ein, sich doch davon zu überzeugen, wie sehr ihn die Einwohner liebten. Alexander, der auf solche Worte immer mit Zuneigung reagierte, entschloss sich ohne große Begleitung nach Ephesos zu reiten. Er nahm nur fünfhundert Getreue mit. Nein, diese Stadt musste nicht mit dem Schwert erobert werden. Hier reichte bereits sein wachsender Ruhm. Er musste sich nur darum kümmern, wer von nun an in seinem Namen die Stadt regieren sollte. Und das war auch für einen Alexander nicht immer einfach, da die Unterworfenen sich nur von der besten Seite zeigten und ihm zujubelten und nach dem Mund redeten. Aber sein Instinkt war noch unverdorben, und die Männer, die er für die Regierung bestimmte, erschienen auch mir rechtschaffen. Als er dem Rat versprach, den Tempel der Artemis wieder aufzubauen, nahm der Jubel kein Ende. Zu diesem Tempel hatte er eine besondere Beziehung. Es ging das Gerücht, dass Herostratos den Artemistempel am Tage der Geburt Alexanders angezündet hatte. Er sorgte also dafür, dass der Ruf „Groß ist die Artemis von Ephesos“ bald wieder zu hören sein würde. Ich fand, dass er mit Weisheit regierte.

      Doch schon bald wurde er unruhig. Die Sitzungen wurden immer kürzer und er packte in seinen Tagesablauf so viele Besprechungen, dass wir ihn in seinem Schaffensdrang zwar bewunderten, aber auch um seine Gesundheit fürchteten. Er schlief nur noch wenige Stunden.

      Eines Nachts, ich hatte zusammen mit Ptolemaios und Attalos Wache vor den Königsgemächern zu Ephesos, kam er mit Hephaistion im Schlepptau herausgeschossen und winkte uns zu, ihm zu folgen.

      „Ihr kommt mit!“ sagte er nur kurz.

      Wir ritten mit kleiner Bedeckung mitten in der Nacht aus Ephesos heraus. Nur er wusste wohin. Attalos und Ptolemaios ritten mit den Fackelträgern an der Spitze der Schwadron. Alexander war sehr still und wirkte wie abwesend. Es dämmerte bereits, als wir in Dydima ankamen.

      Es war noch sehr früh und auf den Straßen war noch niemand zu sehen. Wir ritten zum Apollontempel. Nun wusste ich, warum er mich dabei haben wollte. Noch vor dem Tempel kamen wir am riesigen steinernen Haupt der Gorgon vorbei und mir schien, als blicke sie sorgenvoll, als zweifle sie daran, daß


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