Alexanders letzter Traum. Heinz-Joachim Simon

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Alexanders letzter Traum - Heinz-Joachim Simon


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Leonnatos kommt mit!“ Mit entschuldigendem Lächeln zu Hephaistion setzte er hinzu: „Es geht um mich und seinen Gott.“

      „Verstehe“, sagte dieser. Aber besonders erfreut war er natürlich nicht.

      „Ich will wissen, ob Delphi Recht hat.“

      „Du bist in Asien!“ erwiderte Hephaistion. „Du hast bei Garnikos gesiegt.“

      „Das war nur der erste Schritt von vielen.“

      „Gut. Ich warte“, sagte Hephaistion gepresst. Er sah krank aus. Vielleicht lag es an dem grauen Licht des frühen Morgen.

      Wir gingen in den Tempel. Drei Priester kamen uns entgegen. Sie waren alt. Sehr alt. Zu alt für die neue Zeit und das was Alexander in ihr war. Doch der König blieb höflich stehen und sie verneigten sich vor ihm und er grüßte ehrerbietig zurück.

      „Du willst dem Apollon opfern, König der Makedonen?“

      „Ja. Und eine Auskunft einholen.“

      „Dann stelle deine Frage.“

      „Ich werde sie dem Gott selbst stellen.“

      „Die Quelle ist versiegt. Der Gott spricht nur noch durch uns.“

      „Ich brauche keinen weiteren Mittler, um mit Apollon zu sprechen! Durch Leonnatos hat er schon zu mir gesprochen.“

      Das war zuviel der Ehre und besonders wohl war mir nicht dabei. Ich kannte Alexander gut genug, um seine Ungeduld aus der Stimme herauszuhören. Er winkte mir zu und wir gingen an den Priestern vorbei ins Allerheiligste und die Treppe hinunter, die zu der ‚Halle der Stimme’ führte.

      „Geh nicht weiter!“ hörten wir hinter uns einen der Priester rufen. „Geh nicht hinunter, wenn du ein langes Leben haben willst!“

      Doch Alexander konnte man nicht mit der Angst vor dem Tod aufhalten. Und ich folgte ihm, weil er mein König war und insgeheim auch darauf vertraute, dass Apollon nicht gerade zu den rachsüchtigen Göttern gehörte. Und war ich nicht sein Bote?

      Es war ein wundersamer Raum, von einem Säulengang umgrenzt. Vor uns war eine Bank aus Stein, auf die sich, als Apollon noch sprach, der Ratsuchende zu setzen hatte. Dahinter war ein riesiges Wasserbecken, das jedoch leer war. Über dem Becken an der Wand war ein großer Apollonkopf. Mit aufgerissenem Mund und weit geöffneten Augen starrte uns der Gott an. Doch aus dem Mund sprang kein Wasserstrahl. Das Kinn Apollons war rotbraun verfärbt. Die Quelle galt schon seit Generationen als versiegt. Aus dem Boden des Beckens stiegen Dämpfe hoch. Es war feucht und warm in der Halle. Längst hatten wir die Helme abgenommen. Alexander setzte sich vorsichtig auf die Bank und starrte das Haupt des Gottes an. Mit fester Stimme fragte er, wozu ihn sein Vater Zeus–Amun auf die Welt geschickt hatte.

      „Was ist meine Bestimmung, Apollon? Wohin führt mich mein Weg? Wozu bin ich da?“ Seine Stimme hallte in dem Raum und kam mehrmals gebrochen zurück und blieb ohne Antwort. Wieder schrie er ungeduldig werdend die Fragen. Schließlich drehte er sich zu mir um, als hätte ich Schuld daran, dass man ihm nicht antwortete. Mein Traumgesicht hatte ihn schließlich darauf gebracht hierher zu kommen und ich wollte ihm helfen und rief dem Apollonkopf zu: „Was ist Alexanders Bestimmung?“ Meine Stimme verhallte. Der Gott antwortete nicht.

      Mit vorwurfsvollem Blick nahm Alexander seinen Helm und stand auf und wir wandten uns dem Ausgang zu. Doch nun kam eine Antwort. Anders, als wir es erwartet hatten. Aus dem marmornen Mund des Apollon begann ein Rinnsal herauszulaufen. Wir stürzten zum Beckenrand zurück. Das Rinnsaal wurde zu einem Strahl. Die Quelle des Apollon war zurückgekommen. Dampfendes Wasser fiel in das Bassin und ich setzte mich wieder auf die Bank und schloss die Augen, und nun hörte ich den Gott und er sagte, dass Asien Alexander gehören würde und ihm dennoch weder Glück noch Zufriedenheit beschieden sei, bis zu der Stunde, in der er seine letzte Sehnsucht erkenne.

      Alexander schüttelte mich. „Was ist mit dir, Leonnatos? Hörst du etwas?“

      „Ja. Er spricht zu mir!“ flüsterte ich.

      „Was sagt er? Was?“

      „Was ist die letzte Sehnsucht Alexanders?“ rief ich.

      „Er muss das finden, das ihn wertvoll macht“, hörte ich im Rauschen des Wassers.

      Ich flüsterte Alexander dies zu. Er war über diese Botschaft nicht sehr glücklich.

      „Ich bin Alexander! Zu meinen Ahnen zählen Herakles und Achilleus!“ rief er trotzig.

      Apollon mutete ihm ganz schön etwas zu. Aber das ist uns Menschen von den Göttern nicht so ganz unbekannt. Jeder von uns hat dies schon einmal erfahren. Für jemanden, der sich als Abkömmling eines Göttergeschlechtes versteht, ist das natürlich schwer zu verdauen.

      „Asien zu erobern ist gar nichts! Nur wenn er den Menschen etwas gibt, erweist er sich der Gaben würdig, die ihm die Götter gaben“, raunte die Stimme.

      Ich sagte dies Alexander, war ihm die Stimme des Gottes.

      „Nichts?“ fragte Alexander wild. „Ich würde Achilleus übertreffen und Herakles. Kein Mensch würde mir gleichen.“

      Ein Stöhnen hörte ich in der Fontäne aus dem Mund des Apollon. Es klang, als würde sich der Gott über die Dummheit der Menschen ärgern.

      „Nur wenn du mehr bist als ein Landeroberer und Städtezertrümmerer wirst du unsterblich werden.“

      Ich zögerte ihm dies zu sagen. Denn das wollte Alexander gewiss nicht hören. Aber ich war der Bote des Gottes und gehorchte ihm und sagte Alexander seine Worte.

      „Mehr zu sein als Herr Asiens? Was will er mir sagen? Frage ihn! So frage ihn doch!“

      Ich tat es. Aber ich hörte nur noch das Rauschen des Wassers aus dem Mund des Gottes. Wir lauschten noch lange in die Dämpfe hinein und Schweiß lief über unsere Gesichter. Alexander sank auf die Bank zurück und wir atmeten tief die Dämpfe ein. Wir warteten. Ich weiß nicht wie viel Zeit verstrich. Die Dämpfe rochen merkwürdig. Traumgesichte gaukelten vor meinen Augen. Ich sah uns in riesige Städte einziehen. Menschen jubelten uns zu. Ich sah uns brandschatzen, sah Alexanders Gesicht inmitten von Flammen und dann Menschen, die Gefährten, an ihm vorbeiziehen. Er lag schweißnass auf einem Lager und ich sah ihn mir einen Befehl geben, aber ich hörte nicht die Worte, sah mich schließlich durch eine Wüste reiten.

      Alexander zog mich hoch. Benommen taumelten wir zum Ausgang. Als wir in die Vorhalle des Tempels traten, hörte ich noch einmal die Stimme raunen:

      „Leonnatos, gib auf ihn acht!“

      Ich drehte mich um. Aber es kam keine weitere Erläuterung.

      „Sehr auskunftsfreudig war dein Gott nicht!“ klagte Alexander unzufrieden. „Was ist es, was größer ist als Herr Asiens zu sein?“

      „Er sagte mir zum Schluss, daß ich auf dich achtgeben soll. Vielleicht ist es eine Warnung, daß du an einem Abgrund entlang gehst. Du bist ständig in Gefahr.“

      „Das weiß ich seit meiner Kindheit, als man eine Schlange in meinem Bett fand“, erwiderte er unwirsch.

      Nun kamen die Priester auf uns zugeflattert. Erregt wedelten sie mit den Armen.

      „Ein Wunder! Ein Wunder für Alexander! Die Quelle ist zurückgekommen.“

      „Der Gott hat gesprochen. Asien gehört mir!“ sagte mein König und befahl den Priestern den Tempel zu reinigen und dem Apollon zu opfern und diese Botschaft zu verkünden.

      „Du bist mir ein wertvoller Freund, Leonnatos!“ sagte Alexander, als wir dem Ausgang zueilten. „Wenn der Gott das nächste Mal zu dir spricht, dann frage ihn, was das ist, was mich erst wertvoll macht. Hörst du, das ist wichtig für mich, für uns, für alle Makedonen.“

      Er schüttelte mich freundschaftlich und als wir draußen waren, sagte er zu Hephaistion. „Apollon hat durch den Mund Leonnatos’ zu mir gesprochen. Wir werden Asien unterwerfen.“

      Alexander


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