Alexanders letzter Traum. Heinz-Joachim Simon

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Alexanders letzter Traum - Heinz-Joachim Simon


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aus ihm heraus:

      „Gut, ich will dir sagen, was meine Sehnsüchte sind. Ich werde die Sterne berühren und alles übertreffen, was je getan wurde, sei es nun von Sterblichen wie Epamoneindos oder Perikles, sei es von Halbgöttern wie Achilleus, Dionysos und Herakles. Ich werde bis zum Ende der Welt vorstoßen und meine Städte dort errichten, wo noch kein Grieche, geschweige denn ein Makedone gewesen ist. Die Ägypter sollen das Wissen über die Unsterblichkeit haben. Ich werden unsterblichen Ruhm erringen!“

      „Sind das deine Sehnsüchte?“

      „Ja. Und dabei wirst du mich begleiten, Bote des Apollon.“

      Alexander reichte mir einen Becher Wein und wir stießen an und ich versprach ihm, den göttlichen Auftrag zu erfüllen.

      Der Kriegszug ging weiter durch Westasien, dem Land, das uns die Weisheit schenkte. Natürlich ist Athen die Wiege der Kultur, aber es ist nur die eine Seite der Medaille. Wie jeder Grieche weiß, hat uns Ionien viele Philosophen gebracht und nicht nur Heraklit, sondern Thales und Anaximander, um nur einige zu nennen. Es ist heiliges griechisches Land und so nahmen wir Sardes in Besitz. Es warf sich Alexander bereitwillig in die Arme. Die Hauptstadt des westlichen Perserreiches, wo die von Susa kommende königliche Straße endete, nahm ihn wie einen Geliebten auf. Anfangs glaubte Alexander, dass es so weitergehen würde. Wir saßen in dem großen Palast auf der Spitze des Berges Tomolos zusammen und hielten Kriegsrat.

      „Wir marschieren weiter. Immer weiter. An der Küste entlang bis wir nach Tyros kommen“, fasste er seine Pläne zusammen.

      Währenddessen saß Apelles, der berühmte Maler, an seiner Seite und malte ihn, was uns nicht groß störte, doch etwas befremdlich war, denn dieser fluchte dauernd, weil Alexander keinen Augenblick still stehen konnte. Und das Alexanders Pferd Bukephalos mitten in der Halle stand, von Sklaven am Zügel gehalten, machte auf die Altmakedonen einen zwiespältigen Eindruck.

      „Die persische Flotte bedroht uns“, erwiderte Parmenion mit einem Gesicht, als hätte er auf eine Zitrone gebissen.

      Was er von der Gegenwart des Pferdes und des Malers hielt, brauchten wir ihn nicht zu fragen. Er hielt es für einen Affront und sah sich geringschätzig behandelt.

      „Wir sollten eine Seeschlacht wagen“, fuhr er fort. „Bisher sind wir den Persern auf See immer überlegen gewesen. Ich erinnere nur an Salamis. Wenn wir sie vom Meer gefegt haben, können sie uns nicht in den Rücken fallen und wir können in aller Ruhe weiter marschieren.“

      „Nein. Umgekehrt. Wir werden den Persern die Städte an der Küste wegnehmen und sie von ihren Heimathäfen absperren. Wir marschieren weiter und befreien Stadt um Stadt. Sie haben lange genug unter der Knute des Persers gelitten.“

      Ich glaube nicht, dass das der eigentliche Grund war. Die Schiffe hatten die Griechen, insbesondere Athen, gestellt und er konnte sich nie sicher sein, dass sie ihn nicht doch im Stich ließen.

      Von den Offizieren des Parmenion, alles alte Kämpen des Philipp, kam besorgtes Gemurmel und ein anderer als Alexander hätte sich vielleicht deren Mahnungen zu eigen gemacht. Doch er tat so, als wäre ihre Sorge unerheblich und ging zu Apelles und sah sich das Gemälde an und schüttelte unzufrieden den Kopf.

      „Also, der Kopf des Bukephalos scheint mir nicht sehr gelungen.“

      Apelles sah hoch und zu dem Pferd hinüber und dieses hob den Kopf und wieherte.

      „Dein Pferd scheint mehr vom Malen zu verstehen als du.“

      Wir, die Gefährten des Königs, lachten. Die Offiziere des Parmenion blickten böse drein, dass der König ihre Argumente so wenig achtete und sich, während sie ihre Sorgen vortrugen, mit seinem Maler beschäftigte. Zudem stimmte Alexander in unser Lachen ein.

      „Der größte Fehler der Athener war, sich mit einem Sokrates anzulegen. Ich werde den Fehler nicht wiederholen und mich mit einem Maler streiten. Aber den Kopf würde ich an deiner Stelle doch überarbeiten.“

      „Du bist nicht Apelles.“

      „Nein. Und du nicht Alexander, sondern ein sturer Ziegenbock.“

      „Es gibt einen anderen Ziegenbock, der genau so stur ist. Vielleicht muss man so sein, wenn man den persischen Widder besiegen will“, wehrte sich Apelles und der König schmunzelte. Hephaistion warf Apelles einen Beutel mit Drachmen zu und hieß ihn am nächsten Tag wiederzukommen. Als er an den Generälen vorbei ging hörte ich ihn flüstern: „Was seid ihr doch alles für Hosenscheißer.“

      Er war ein rebellischer Geist, der Apelles, und für seine Kunst, aber auch für seine grobe Ausdrucksweise bekannt. Ihm bedeutete ein König nicht viel und schon gar nicht dessen Generäle. Er ließ nur Phidias gelten und Homer und die großen Tragödiendichter. Ich weiß dies so genau, weil ich ihn selbst zu Alexander geführt hatte und er mir gleich erklärte, dass er sich nichts darauf einbilde, Alexander malen zu dürfen und dass er nur komme, weil der König als großzügig gelte. Und im Übrigen sei es keine Kunst Menschen zu morden und Länder zu überfallen, sondern ein Verbrechen.

      Darin mag er Recht haben. Aber dass man von Alexanders Taten im Gegensatz zu seinem Werk in tausend Jahren keiner mehr sprechen würde, das glaubte ich dann doch nicht. Er war ein sehr von sich eingenommener Mann, der Maler Apelles.

      Nachdem sich die Generäle über Apelles’ Unverschämtheiten beruhigt hatten, fingen sie erneut an ihre Bedenken vorzutragen. Es lief alles darauf hinaus, dass Alexander auf die Erfahrung der Altmakedonen hören sollte. Bei Garnikos wäre viel Glück dabei gewesen. Sie hatten also die Hosen gestrichen voll. Sie wussten immer noch nicht, wie Alexander dachte, und sie würden es auch nie kapieren. Nur wir Jungen, seine Leibgardisten und Gefährten, die täglich um ihn waren, kannten ihn im Guten wie im Schlechten, wobei das letztere unsere Liebe zu ihm lange nicht beeinflusste.

      „Leonnatos und Philotas, ihr reitet als meine Gesandten nach Milet und bringt denen die Botschaft, dass auch zu ihnen nun die Freiheit kommt. Auch dort wird man uns die Tore öffnen und wir werden in den Tempeln den Göttern huldigen.“

      Ich war nicht gerade begeistert darüber und hätte als Begleiter lieber wieder den Attalos gehabt. Zumal Philotas mir schon oft seine Abneigung gezeigt hatte. Als Kommandeur der thessalischen Reiter war er mir rangmäßig überlegen, was mir auch nicht schmeckte. Aber dies konnte ich kaum öffentlich vorbringen und so schickte ich mich drein, den Befehl auszuführen.

      Wir ritten schon am nächsten Tag los und nahmen dreißig Gefährten mit. Um Eindruck zu schinden, hatten wir uns schön herausgeputzt und mit genug Ketten behängt. Da ich kein so großer Freund von Gold bin, hatte ich mir von den Drachmen, die mir Alexander zur Beförderung als Leibgardist schenkte, meinen Brustharnisch sowie Helm und Beinschienen mit Silber beschlagen lassen. Ich fand mich sehr ansehnlich und nicht ganz so barbarisch wie Philotas, der wohl den gesamten Goldschatz des Agamemnon um den Hals und an den Armen trug. Ich war stolz darauf, dass ich mich nun als Kurier des Königs bezeichnen konnte und genoss den Ritt, die wunderbare Landschaft, die so schön ist, dass einem das Herz aufgeht und ließ mir durch Philotas, der mich nicht als gleichrangig behandelte, und sein mürrisches Wesen nicht die Laune verderben.

      Wir wollten den Auftrag schnell hinter uns bringen und ritten bis in die Nacht hinein. Wir übernachteten auf freiem Feld, indem wir uns in unsere Mäntel hüllten. Schließlich waren wir Soldaten Makedoniens und wesentlich kühlere Nächte gewohnt.

      Milet ist die heimliche Hauptstadt Westasiens und so griechisch wie Athen, ein kultureller und geistiger Mittelpunkt. Als wir die Mauern sahen, mit der Akropolis darüber, stockte uns der Atem und wir hielten die Pferde an und Philotas grinste wölfisch.

      „Sie sind reich, diese Herren in Milet! Hoffentlich ergeben sie sich nicht. Fette Beute, nicht wahr?“

      „Du weißt doch, dass wir hier sind, um Ionien zu befreien und nicht, um es auszuplündern!“ entgegnete ich.

      „Du bist ein Träumer, Leonnatos. Dafür hätte kein Makedone die Heimat verlassen.“

      An dem Stadttor ließ man uns anstandslos passieren und wir


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