Mahamudra Tantra. Geshe Kelsang Gyatso

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Mahamudra Tantra - Geshe Kelsang Gyatso


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entsteht, lehrte Buddha Tantra als eine Methode, die weltliche Vergnügen in den Pfad zur Erleuchtung umwandelt. Entsprechend den verschiedenen Ebenen der Umwandlung weltlicher Vergnügen in den spirituellen Pfad lehrte Buddha vier Ebenen oder Klassen von Tantra: Handlungs-Tantra, Ausführungs-Tantra, Yoga-Tantra und Höchstes Yoga-Tantra. Die ersten drei werden die „niederen Tantras“ genannt. Im Höchsten Yoga-Tantra lehrte Buddha die tiefgründigsten Anleitungen, um sexuelle Glückseligkeit in den schnellen Pfad zur Erleuchtung umzuwandeln. Da die Effektivität dieser Praxis von der Kraft der Meditation über das Sammeln und Auflösen der inneren Winde in den Zentralkanal abhängt, wurden diese Methoden nicht in den niederen Tantras erklärt. In den niederen Tantras gab Buddha Anleitungen darüber, wie wir weltliche Vergnügen – außer die der sexuellen Glückseligkeit – durch die Kraft der Vorstellung in den Pfad zur Erleuchtung umwandeln können, was eine einfachere Praxis des Tantras ist.

      Das Tor, durch das wir das Tantra betreten, ist das Empfangen der Tantrischen Ermächtigung. Eine Ermächtigung gewährt uns besondere Segnungen, die unser geistiges Kontinuum heilen und unsere Buddha-Natur erwachen lassen. Wenn wir eine Tantrische Ermächtigung empfangen, säen wir die besonderen Samen der vier Körper eines Buddhas in unser Geisteskontinuum. Diese vier Körper sind der Natur-Wahrheitskörper, der Weisheits-Wahrheitskörper, der Freudenkörper und der Ausstrahlungskörper. Gewöhnliche Wesen besitzen nicht mehr als einen Körper, während Buddhas vier Körper gleichzeitig besitzen. Ein Ausstrahlungskörper ist ihr grober Körper, der von gewöhnlichen Wesen gesehen werden kann. Der Freudenkörper ist ihr subtiler Körper, der nur von Praktizierenden gesehen werden kann, die höhere Realisationen erlangt haben. Die Natur- und Weisheits-Wahrheitskörper sind ihre sehr subtilen Körper, die nur von den Buddhas selbst gesehen werden können.

      Im Tantra sind gewöhnliche Vorstellungen und Erscheinungen die hauptsächlichen Objekte, die aufzugeben sind. Die Begriffe „gewöhnliche Vorstellungen“ und „gewöhnliche Erscheinungen“ werden am besten durch das folgende Beispiel erklärt. Nehmen wir an, es gibt einen Heruka-Praktizierenden namens John. Normalerweise sieht er sich selbst als John und seine Umgebung und Vergnügen sowie seinen Körper und Geist als die von John. Diese Erscheinungen sind gewöhnliche Erscheinungen. Der Geist, der diesen Erscheinungen zustimmt, indem er sie für wahrhaft existierend hält, ist gewöhnliche Vorstellung. Die Erscheinungen, die wir von einem inhärent existierenden „Ich“, „Mein“ und anderen Phänomene haben, sind ebenfalls gewöhnliche Erscheinungen; Festhalten am Selbst und alle andere Verblendungen sind gewöhnliche Vorstellungen. Gewöhnliche Vorstellungen sind Behinderungen zur Befreiung und gewöhnliche Erscheinungen sind Behinderungen zur Allwissenheit. Im Allgemeinen haben alle fühlenden Wesen außer Bodhisattvas, die die vajra-gleiche Konzentration auf dem Pfad der Meditation erlangt haben, gewöhnliche Erscheinungen.

      Wenn John nun über die Erzeugungsstufe von Heruka meditieren, sich intensiv als Heruka betrachten und glauben würde, dass seine Umgebung, seine Erfahrungen, sein Körper und sein Geist diejenigen Herukas sind, dann würde er zu jenem Zeitpunkt den göttlichen Stolz besitzen, der gewöhnliche Vorstellungen verhindert. Wenn er zudem die klare Erscheinung von sich selbst als Heruka mit der Umgebung, den Vergnügen, dem Körper und dem Geist Herukas erlangt, wird er zu jenem Zeitpunkt die klare Erscheinung besitzen, die seine Wahrnehmung der gewöhnlichen Erscheinungen verhindert.

      Am Anfang sind gewöhnliche Vorstellungen schädlicher als gewöhnliche Erscheinungen. Warum das so ist, wird durch die folgende Analogie veranschaulicht. Nehmen wir an, ein Magier beschwört vor seinem Publikum die Illusion eines Tigers herauf. Der Tiger erscheint sowohl dem Publikum als auch dem Magier, aber während das Publikum glaubt, dass der Tiger tatsächlich existiert und sich in der Folge ängstigt, stimmt der Magier der Erscheinung des Tigers nicht zu und bleibt daher ruhig. Das Problem des Publikums ist nicht so sehr die Erscheinung des Tigers, vielmehr ist es seine Vorstellung, dass der Tiger tatsächlich existiert. Es ist nicht so sehr die bloße Erscheinung, sondern diese Vorstellung, die die Erfahrung von Angst bewirkt. Wenn es wie der Magier nicht die Vorstellung hätte, dass der Tiger existiert, dann würde es sich nicht ängstigen, auch wenn ihm immer noch ein Tiger erscheint. Wenn wir auf gleiche Weise in unserer Vorstellung nicht an den Dingen als gewöhnlich festhalten, auch wenn sie uns als gewöhnlich erscheinen, dann ist das nicht so schädlich für uns. Ebenso ist es weniger schädlich für unsere spirituelle Entwicklung, wenn wir unseren Spirituellen Meister als gewöhnlich sehen, ihn oder sie aber in seiner oder ihrer Essenz für einen Buddha halten, als wenn wir unseren Spirituellen Meister als gewöhnlich sehen und glauben, dass er oder sie gewöhnlich ist. Die Überzeugung, dass unser Spiritueller Meister ein Buddha ist, obwohl er oder sie uns als gewöhnliche Person erscheint, bewirkt rapiden Fortschritt in unserer spirituellen Praxis.

      Um gewöhnliche Erscheinungen und Vorstellungen zu vermindern, lehrte Buddha das Tantra der Erzeugungsstufe; und um diese zwei Behinderungen vollständig aufzugeben, lehrte er das Tantra der Vollendungsstufe, insbesondere Mahamudra-Tantra. Indem wir die Schulung in diesen Tantras vollenden, werden wir ein Tantrisches erleuchtetes Wesen wie Heruka werden, mit den vollständigen Reinheiten des Körpers, der Umgebung, Vergnügen und Aktivitäten eines Buddhas.

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      Das Tantra der Erzeugungsstufe

      In der Praxis der Erzeugungsstufe erzeugen sich Tantrisch Praktizierende, durch die Kraft der aus Weisheit entstandenen korrekten Vorstellung, als Tantrisch erleuchtetes Wesen wie Heruka und ihren Körper, ihre Umgebung, Vergnügen und Aktivitäten als diejenigen Herukas. Diese vorgestellte neue Welt Herukas ist ihr Objekt der Meditation und sie meditieren über diese neue Erzeugung mit einsgerichteter Konzentration. Durch fortwährende Schulung in dieser Meditation werden Tantrisch Praktizierende tiefe Realisationen von sich selber als Heruka gewinnen und ihr Körper, ihre Umgebung, Vergnügen und Aktivitäten werden wie diejenigen von Heruka werden.

      Erzeugungsstufen-Tantra ist als eine innere Realisation eines kreativen Yogas definiert, die durch die Schulung in den drei Bringungen erlangt wird. Es wird ein „kreativer Yoga“ genannt, weil das Objekt der Meditation durch Vorstellungskraft und Weisheit erschaffen wird. Die drei Bringungen sind: das Bringen des Todes in den Pfad des Wahrheitskörpers, das Bringen des Zwischenzustandes in den Pfad des Freudenkörpers und das Bringen der Wiedergeburt in den Pfad des Ausstrahlungskörpers. Die hauptsächliche Funktion des Tantras der Erzeugungsstufe besteht darin, den gewöhnlichen Tod, den gewöhnlichen Zwischenzustand und die gewöhnliche Wiedergeburt zu reinigen sowie den Wahrheitskörper, den Freudenkörper und den Ausstrahlungskörper eines Buddhas zu verwirklichen. Ausführliche Erklärungen über die Schulung in den drei Bringungen können in anderen Tantrischen Büchern wie Essenz des Vajrayana und Führer ins Dakiniland gefunden werden.

      Im Tantra der Erzeugungsstufe betonen Praktizierende die Schulung in göttlichem Stolz und die Schulung in klarer Erscheinung. Vor der Schulung in göttlichem Stolz müssen die Praktizierenden lernen, ihren Körper und Geist als Herukas Körper und Geist wahrzunehmen. Haben sie dies erreicht, benutzen sie dann Herukas Körper und Geist als Basis der Zuschreibung für ihr „Ich“ und entwickeln den Gedanken „Ich bin Buddha Heruka“. Dann meditieren sie über diesen göttlichen Stolz in einsgerichteter Konzentration. Durch die Schulung in dieser Meditation werden sie eine tiefe Realisation des göttlichen Stolzes gewinnen, welcher spontan glaubt, dass sie Heruka sind. Zu jenem Zeitpunkt haben sie die Basis für die Zuschreibung ihres Ichs verändert.

      Seit anfangsloser Zeit, Leben für Leben, ist die Basis für die Zuschreibung unseres Ichs immer nur ein verunreinigter Körper und Geist gewesen. Weil unser Ich auf einen verunreinigten Körper und Geist zugeschrieben wird, erfahren wir jedes Mal, wenn wir den Gedanken „Ich“ entwickeln, gleichzeitig die Unwissenheit des Festhaltens am Selbst, welches ein Geist ist, der an einem inhärent existierenden „Ich“ und „Mein“ festhält und der die Wurzel aller unserer Leiden ist. Für qualifizierte Tantrische Praktizierende verhindert jedoch die tiefe Erfahrung von göttlichem Stolz die Entstehung der Unwissenheit des Festhaltens am Selbst, so dass es keine Basis für die Erfahrung von Leiden gibt; sie werden ihre reine Umgebung, ihre reinen Körper, Vergnügen und Geist von Heruka genießen.


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