Bürde der Lust. Waldemar Paulsen

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Bürde der Lust - Waldemar Paulsen


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etwa fünf Minuten hielt ein Taxi vor dem Bordell.

      Leck-Hans, der Türsteher des Etablissements, gab in der Bar Bescheid: „Euer Taxi ist da!“

      Die beiden minderjährigen Prostituierten rannten auf Kalles Kommando zum Wagen. So schnell wie das Mietauto gekommen war, war es auch schon wieder verschwunden.

      „Hans, komm rein!“, herrschte Kalle den Türsteher in barschem Ton an, nachdem er sich etwas gefangen hatte.

      „Sabrina ist tot! Hast du irgendeinen Typen draußen gesehen, der hier ums Haus geschlichen ist?“, fragte Kalle Leck- Hans.

      „Nee, nichts gereunt“, sagte Leck-Hans, während er seine Zungenspitze über Ober- und Unterlippe kreisen ließ. „Hab’ nur mal kurz zwischendurch ein kräftiges Brummen und Quietschen gehört, das wohl von einer fetten Karre kam. Gesehen hab ich nichts. Was ist denn passiert? Sag doch mal!“, fragte Hans mit erstauntem Gesicht.

      „Später. Also, Hans…, du hältst die Schnauze, denk an deinen Arbeitsplatz! Gleich wird es hier von Bullen nur so wimmeln. Die Schmiere ist penetrant neugierig, enttäusch mich nicht“, gab Kalle Leck-Hans mit auf den Weg.

      „So, ich starte jetzt. Biene…, reich` mir das Telefon!“

      Kalle Bis drehte auf der Wählscheibe des schwarzen Telefonapparates zweimal die Eins, dann die Null und wartete auf das Freizeichen.

      „Polizei-Einsatzzentrale, Stöver, bitte melden Sie sich!“

      „Hm, ja…, hier Bis, Kalle, nee, ich meine… Karl-Heinz Bis. Ich habe den Club Marita in der Bernsteinstraße 14 auf St. Pauli. Nee, nee…, ich meine, hier, in Blankenese. Hier liegt eine To…Tote im Garten, hier, bei uns. Wollt ich nur melden!“, stammelte Puff-Kalle.

      „Okay, bleiben Sie bitte vor Ort. Ich schicke einen Peterwagen vorbei. Nicht weglaufen, Herr Bis, wir sind gleich da!“, wies Stöver den Bordellbesitzer in ruhigen Ton an.

      Eine Minute später erhielten zwei Funkstreifenwagen des Polizeireviers Blankenese den Einsatzbefehl: “Bernsteinstraße 14, Club Marita, angeblich Leichenfund. Normale Fahrt aufgehoben, Sonderrechte zugelassen!“ Die Peterwagenbesatzungen quittierten der Funkzentrale im Polizeipräsidium den Einsatz und rasten mit zuckenden Blaulichtern und lautem Martinshorn durch die dunkle Nacht in Richtung des ihnen bekannten Bordells.

      Kapitel 3

      Es war Viertel nach acht an diesem Morgen, als der 42jährige Kriminalkommissar Max Herbst sein Büro im Sittendezernat für Spezielle Milieudelikte im Polizeigebäude an der Davidstraße auf St. Pauli betrat.

      Eigentlich ein Morgen wie jeder andere, sinnierte Herbst. Er würde einfach abwarten, wie der Tag sich entwickelte. Das war ja gerade das Spannende an seinem Beruf. Nichts war planbar.

      Na, was machen meine Akten? Sind ja keine Hasen, laufen nicht weg, dachte Herbst. Er schaltete erst einmal das Radio ein und hörte den Top eins Hit der deutschen Singlecharts „Paloma Blanka.“ Während Max Herbst den Stapel Akten nach Dringlichkeit ordnete, betrat die Geschäftszimmersekretärin Ines Schnoor sein Büro.

      „Moin, Max, du möchtest bitte mal sofort zum Chef kommen. Er hat Besuch, es scheint eilig zu sein!“

      „Danke, Ines, geht gleich los. Und…, Ines, er ist kein Chef, nur ein Vorgesetzter. Wir erhalten alle unser Gehalt aus demselben Topf.“

      Wortlos verließ Ines, die gute Seele der Dienststelle, Max Büro in Richtung Geschäftszimmer.

      Max Herbst legte die Akten beiseite und ging in das Büro des Dienststellenleiters Dieter Wiese, dem 58jährigen Bundesbedenkenträger, wie Herbst ihn in Gedanken gern betitelte. Wiese war entscheidungsfreudig wie sieben Meter Waldweg.

      Bei Betreten des Dienstraumes sah Herbst neben Wiese eine weitere männliche Person. Sie drehte sich ihm zu und Herbst erkannte seinen Lehrgangskollegen Viktor Lange. Lange war seiner Kenntnis nach Leiter der dritten Mordbereitschaft des Mordkommissariats im Landeskriminalamt.

      „Moin, ihr zwei“, grüßte Max Herbst die beiden Männer in ahnungsvollem Ton.

      „Guten Morgen, Max“, antworteten beide im Chor.

      „Max, der Kollege Lange hat eine Bitte an meine Dienststelle und ich meine, du bist der richtige Mann für die Angelegenheit.

      So, Herr Lange, dann legen Sie mal los!“, sagte Wiese zu Viktor Lange.

      „Max…, du weißt ja, dass ich Leiter der dritten Mordbereitschaft bin.

      Wir hatten in der Nacht auf heute ein Tötungsdelikt in einem Nobelbordell in Hamburg-Blankenese. Eine Prostituierte wurde ermordet. Wir stehen vor einer Mauer des Schweigens. Die Leiche sah aus wie eine weggeworfene Schaufensterpuppe. Nach den Spuren am Tatort muss noch ein kurzer Kampf stattgefunden haben. Es sind aber keine Anzeichen für ein Sexualdelikt erkennbar. Die Kleidung war geordnet. Bei dem Opfer fanden wir eine Hirschgrandel, das ist so eine Art länglicher Knopf, der sich häufig an groben Dufflecoats oder Jacken befindet. Es sind meist diese Kleidungsstücke mit einer Kapuze.

      Die Getötete muss kurzzeitig erhebliche Gewalt angewendet haben, weil der Knopf mit einer kleinen Lederschlaufe aus der Jacke oder dem Mantel des Täters herausgerissen wurde und sich noch in der verkrampften linken Hand der Leiche befand.

      Die Tatortarbeit ist gerade beendet und wir haben ein Spurenbild erstellt. Der Fotograf und der Zeichner sind eben mit meinen Männern abgerückt.

      Der Diensthundeführer teilte mit, dass sein Hund die Spur des Täters aufgenommen hatte. Der Täter flüchtete zu Fuß durch die Ausfahrt vom Parkplatz, also dem Tatort, nach vorn in Richtung Straße.

      Die Leiche befindet sich auf meine Anordnung hin in der Rechtsmedizin in Hamburg- Eppendorf zur Sektion.

      Nach jetzigem Ergebnis gibt es eindeutige Hinweise, dass das Opfer erdrosselt wurde. Ein Raubmord scheint unwahrscheinlich. Die Prostituierte hatte lediglich eine Packung Zigaretten mitgeführt, die auf dem Erdreich lag. Der Täter muss blitzschnell dem Opfer heimtückisch, also ahnungslos, ein dünnes Kabel um den Hals gelegt haben.

      Tatmittel ist also ein dünnes Stromkabel, das durch Zuziehen einer Schlinge zum Tod führte. Die Schlinge wurde mit Hilfe eines kleinen Eisenstabes gedreht. Die Blutzufuhr zum Hirn war somit unterbrochen. Der Tod trat unmittelbar ein. Striemen im Halsbereich lassen einen deutlich sichtbaren Bluterguss im unteren Bereich zwischen Kinn und Kehlkopf erkennen. Der Leichenstarre nach fand der Tod zwischen zwei und vier Uhr in der Nacht statt, wie der diensthabende Notarzt vor Ort mitteilte.

      Um die Leiche herum gibt es zwei Arten von Spuren. Nämlich diejenigen, die von der Leiche stammen und die des Täters.

      Auch in diesem Fall dürfte, wie so oft, eine enge Verbindung zwischen Täter und Opfer bestehen.“

      „Gut, Viktor, aber weshalb erzählst du mir das alles?“, fragte Herbst seinen Kollegen.

      „Wir sind personell an unsere Grenzen gestoßen, haben aus derselben Nacht noch einen Doppelmord an zwei Angehörigen eines Generalkonsulates in der Rothenbaumchaussee zu bearbeiten. Das BKA und der MAD sind auch involviert. Scheint einen politischen Hintergrund zu haben.

      Mein Dienststellenleiter und ich bitten euch sozusagen, den Fall zu übernehmen, weil ihr euch ja ohnehin besser im Zuhältermilieu auskennt. Also Max, finde den Täter oder die Täterin. Wer weiß es schon so genau?

      Bei dieser Art der Tötungsdelikte handelt es sich in der Regel um eine Beziehungstat. Täter und Opfer werden sich vermutlich gekannt haben. Nur, wer ist diese Beziehung? Die Tatort-arbeit haben wir ja schon für euch erledigt. Dürfte eine schnelle Sache werden.

      Herr Wiese hat schon zusagt.“

      „Na ja, wenn das so ist“, sagte Max Herbst und dachte, „Wiese, dieser Armleuchter, mal wieder muffe, nein zu sagen.“

      „Also, ich muss los, bin in Eile“, verabschiedete sich Viktor


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