Bürde der Lust. Waldemar Paulsen

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Bürde der Lust - Waldemar Paulsen


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die Freier…, waren Stammgäste darunter?“, fragte Herbst.

      „Muss das sein? Hm, ja, einer…, der von Sabrina. Der ist aber schon um halb drei gegangen. Er kommt seit einem Jahr regelmäßig, meistens mittwochs gegen Mitternacht.

      Gestern war eher die Ausnahme. Soll einer von der Behörde sein, wie ich aufgeschnappt habe“, antwortete Kalle zögerlich.

      „Geht’s auch etwas präziser, Herr Bis?“

      „Ich weiß nicht, kenne den nicht…Er kommt immer sehr scheu und stiekum hier rein.

      Hat dann meistens einen schwarzen Mantel an und trägt einen schwarzen Hut tief ins Gesicht gezogen. Ist auch nur so klein wie Sabrina. Er verschwand dann immer sofort in Sabrinas Zimmer. Die Gäste laufen hier ja alle nackt rum.

      Der Typ zieht sich bei ihr aus und wenn die mal an die Bar gehen, dann trägt er eine Maske wie andere Freier übrigens auch. In der Regel war er nach gut drei Stunden verschwunden. Soll ein großzügiger Gast gewesen sein.

      Sabrina klagte mir einmal, dass er sich total in sie verknallt hätte und ihr die Besuche langsam lästig würden.“

      „Kalle, haben Sie etwas gehört? Stimmen, einen Streit, ein Handgemenge?“

      „Nein, nichts von alledem. Ich war ja auch nicht in der Nähe, war drinnen. Ich hatte im Lagerraum den Bestand an Spirituosen geprüft, wenn Sie verstehen? Wie soll ich da was hören können? Die Tür war zu und außerdem hat der Raum kein Fenster.“

      „Hm, weiter Kalle.“

      „Sabrina…, sie fehlt mir so. Sie war jung, schön, jetzt ist sie tot“, flüsterte Kalle, während er sich einmal theatralisch mit dem Handrücken über die Augen wischte.

      Max hörte das Geplapper und dachte:

      Arschloch, dieser widerliche Lude. „Wir wollen doch alle wissen warum, oder nicht, Karl-Heinz Bis?“, sagte Max mit scheinbarer Anteilnahme in der Stimme.

      „Ja natürlich, Herr Kommissar. Nicht nur warum, sondern auch, wer es war.“

      „Ach ja, Kalle. Hätte ich fast vergessen“, beendete Max Herbst den kleinen Schlagabtausch.

      „Gut, Karl-Heinz Bis. Herr Meyer wird jetzt vier Zeugenvorladungen für die Frauen Schmidt, März, Maurer und Herrn Knappe ausfüllen und hier lassen. Sie überreichen den Frauen und Ihrem Türsteher bitte heute Abend die Ladungen. Wir möchten sie morgen zur Vernehmung in unserem Büro sehen. Nun gehen wir beide einmal nach oben und Sie werden mir das Zimmer von Sabrina zeigen.“

      „Hm…, dann kommen Sie!“

      Kalle Bis ging die steile Treppe hinauf in das Zimmer mit den schrägen Wänden, Max folgte ihm.

      Es war schon eine Luxusabsteige mit Hochbetrieb jede Nacht. Das besondere an diesem Etablissement war, dass sogar in den kleinsten Zimmern ein Bidet installiert wurde. Wenn die Dirnen vor ihrem Einsatz diese Art der Spülbecken benutzten, konnte man durch die dünnen Zimmerwände stets das Rauschen des Wassers hören.

      Der Bordellbesitzer Puff-Kalle betätigte den Lichtschalter und eine grelle Deckenlampe erleuchtete den Raum. Dieses war also der einzige private Zufluchtsort des Opfers.

      Der Fußboden war mit einem graumelierten Flokati-Teppich bedeckt, der nach minderer Qualität aussah und einen leicht muffigen Geruch von sich gab.

      An den beiden Fenstern befanden sich dunkelrote, schwere Vorhänge, die zugezogen waren und die Sicht nach draußen versperrten. Die horizontal verlaufenen Falten der Vorhänge reichten bis auf den Teppich.

      Die Wände waren mit englischen Samttapeten, auf denen sich ein dunkelgrünes Rosenmuster befand, tapeziert. Das Mobiliar bestand aus einem runden Tisch aus Mahagoniholz. Die vier Stühle waren passend dazu ausgewählt worden.

      Das Sofa, fast schon eher eine Ottomane, war mit einem rosafarbenen Blumenstoff bezogen. Auf dem Tisch befanden sich eine Tiffany-Lampe und ein Ascher aus Kristallglas.

      „Machen Sie, machen Sie“, drängelte Kalle. „Ich weiß zwar nicht, was Sie hier suchen oder finden wollen, aber nur zu“, war der mürrische Kommentar von dem Bordellbesitzer.

      Gelangweilt ging er zu einem der Fenster, schob den Vorhang beiseite und sah scheinbar teilnahmslos nach draußen, obwohl er schon reges Interesse an den Amtshandlungen des Mordermittlers hatte.

      Max schaltete die Deckenbeleuchtung wieder aus und ging zu dem Mahagoni-Sideboard, das sich neben dem Sofa befand. Er zog die oberste Schublade auf und sah nach einem flüchtigen Blick, dass ganz oben eine Art Notizkalender mit ledernem schwarzen Einband lag. Nachdem er ihn aufgeklappt hatte, las er „Tagebuch“. Die Buchstaben waren in Goldfarben gedruckt.

      Max Herbst blätterte hastig auf die nächste Seite und registrierte sofort, dass es sich um ein sogenanntes Tagebuch mit den Kontakten ihrer Freier handelte. Es sah wie ein penibel geführtes Clubregister aus.

      Höchstbrisant. Die Freier stammten fast alle aus den höheren Kreisen der hanseatischen Kaufmannsgilde. Was für ein Skandal, wenn diese Informationen in falsche Hände gerieten. Max beschloss, dieses Beweismittel erst einmal allein in aller Ruhe zu sichten.

      Von den Namen eines Verlegers und bekannter Schauspieler, waren auch Reeder, ein stellvertretender Bezirksamtsleiter und ein Autohausbesitzer aufgeführt. Also ein bunter Querschnitt gehobener Berufe, aber wem stand es schon auf die Stirn geschrieben?

      Einige Seiten fehlten ganz offensichtlich und waren wohl herausgerissen worden. Max klappte das Tagebuch zu und steckte es von Kalle unbemerkt in seine Jackentasche.

      Hinweise auf Verwandte oder Bekannte des Opfers waren nach flüchtiger Durchsicht nicht vorhanden. Behutsam schob er die Schublade wieder zu. Der Fund war für Max eine äußerst sensible Angelegenheit. Er würde mit niemandem darüber reden. Im Zweifelsfall könnte es sein Ass, ein bedeutender Trumpf, bei diesem üblen Verbrechen sein.

      „Gibt es Sparbücher oder Bargeld, Herr Bis?“

      Kalle riss sich von dem Fenster los und wandte sich wieder Max zu.

      „Sparbücher nicht, Geld gab sie mir zur Aufbewahrung. Ist aber nicht mehr viel übrig. Sie hat ja immer teure Klamotten gekauft und die Miete…und, und, und“, gab Kalle weinerlich Auskunft.

      Dieser Schweinehund. Hat sie bis zum Letzten ausgebeutet. Andererseits dürfte er wohl kein Motiv gehabt haben, sie zu töten oder doch…? Warum wurde gerade sie zum Opfer? Hatte sie sich mit den falschen Leuten eingelassen?, dachte Max.

      Nach etwa fünfzehn Minuten verließen Herbst und Bis das Zimmer des Opfers.

      „Na, sehen Sie, Herr Herbst, nichts gefunden. Den Weg hätten wir uns sparen können“, war der lakonische Kommentar von Kalle.

      „Ist ja gut, Herr Bis. Man weiß ja nie. Immer nach dem Sprichwort: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“, antwortete Max.

      Als Herbst und Bis wieder unten im Salon eintrafen, hatte Toni gerade die letzte ausgefüllte Vorladung auf den Tisch gelegt.

      „So, Herr Bis! Wir nehmen Rücksicht auf die Damen und Herrn Knappe, haben sie erst für nachmittags vorgeladen. Frau Schmidt beginnt, dann Frau März, danach Frau Maurer und zum Schluss Leck-Hans.

      Wiedersehen. Wenn wir weitere Fragen haben, hören Sie von uns.

      Halten Sie sich bitte zur Verfügung!“ verabschiedete sich Herbst und sah Puff-Kalle noch einmal scharf in die Augen, während Toni schon kommentarlos auf dem Weg nach draußen war.

      „Und, Herr Herbst, was gefunden. Beweismittel oder so?“, fragte Toni mit Blick auf Max, während er den Ford-Granada startete.

      „Nein, nichts“, log Max, während er den Kopf schüttelte und absichtlich einen geistesabwesenden Eindruck erkennen ließ, als er eine Eintragung in seinem Merkbuch vornahm.

      „Fahren Sie schon, Herr Meyer, unsere Zeit ist begrenzt“, sagte Max.


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