Bürde der Lust. Waldemar Paulsen

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Bürde der Lust - Waldemar Paulsen


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er sich über die feuchte Oberlippe wischte. Dazu hatte er untypisch ein zerknülltes Stofftaschentuch benutzt, das er anschließend sofort wieder in der Hosentasche verschwinden ließ.

      „Nehmt Platz, ihr hättet ruhig etwas später kommen können, bin noch hundemüde. Lasst euch durch die Putzfrau nicht stören“, brummelte Kalle, während Max dessen vom Schlafmangel blutunterlaufenen Augen auffielen.

      „Danke, Herr Bis. Ein Tötungsdelikt duldet keinen Aufschub, sollten Sie schon wissen. Was starren Sie meinen Kollegen so an, hat er sich verwandelt? Oder ist es seine Hose?“, fragte Herbst.

      „Nee, nee, ist nichts, ich dachte nur…Darf ich euch etwas anbieten.

      Wollt ihr was trinken? Eine Cola mit Schuss oder so?“, fragte Puff- Kalle.

      Toni nickte eifrig und sagte laut und vernehmlich; „Gerne, hätte nichts dagegen einzuwenden.“

      „Nein, danke, Herr Bis, wir sind im Dienst!“, fuhr Max Herbst mit strengem Blick zu Toni dazwischen, dessen Kinn herab sackte. „Bieten Sie uns zur Abwechslung vielleicht einmal die Wahrheit an, Kalle!

      Herr Bis. Sie haben dieses Bordell jetzt seit etwa zwei Jahren, waren ja vorher im Eros- Center im Haus Pardon als Wirtschafter tätig.

      Bereits nach einem Jahr Bordellbetrieb haben Sie sich eine Lampe eingefangen, weil Sie hier eine Neunzehnjährige ackern ließen...“

      Kalle zuckte mit den Schultern und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.

      „Darüber ist noch gar nicht gerichtlich entschieden“, war die scheinbare Empörung des Bordellbesitzers, während er sich vor Max aufbaute wie ein Gockel.

      „ Heute kann ich euch mehrere Achtzehnjährige vorführen, die ihre Dienste anbieten.

      Ich bin erfreut, dass der Gesetzgeber seit erstem Januar das Volljährigkeitsalter von einundzwanzig auf achtzehn runter gesetzt hat.

      Und dann soll ich dafür bestraft werden, weil ich letztes Jahr hier eine Neunzehnjährige ackern ließ? Das ist doch einfach lächerlich… die ganze Sache wird wohl eingestellt. Und wir haben jetzt endlich mehr Material zur Verfügung, ha, ha.“

      „Reden wir doch über die Nacht, als Sabrina getötet wurde.

      Sagen Sie, wie würden Sie Ihr Verhältnis zu dem Opfer beschreiben?“, war die erste Frage von Herbst, den das schmierige Grinsen des Bordellbesitzers störte.

      „Tja, was soll ich sagen? Sie hat eben halt hier gearbeitet und gewohnt. War ein nettes Mädchen, eben unser Glamourgirl. Ich hatte nie Probleme mit ihr, niemals.“

      „Gut, Herr Bis, lassen wir das mal. Gab es hier Ärger im Haus. Was spricht man so in Ihren Kreisen?“

      „Nichts, kein Ärger oder sonstige Probleme. Alles im grünen Bereich“, erwiderte Kalle, wobei er sich bemühte, eine überzeugende Miene aufzusetzen.

      „Wer hat Sabrina umgebracht?“

      „Weiß ich doch nicht… Wenn es einer von uns war, hätte ich doch nicht die Schmiere gerufen. Dann hätten wir sie einfach auf andere Art entsorgt. Ist doch logisch, oder? Im Übrigen, ist Ihr Job, das rauszufinden.“

      Kalle` s Blick wirkte gespannt und von wachsendem Zorn erfüllt.

      „Wie sind denn Sabrinas tatsächliche Personalien?“, fragte Herbst, während Toni mit gleichgültigem Gesicht den Dialog zwischen Bis und Herbst verfolgte.

      „Weiß ich nicht… Sie ackert seit erstem Januar hier. War mein bestes Pferd im Stall.

      Sie kam aus einem Club am Berliner Tor. Sie durfte dort zwar nicht arbeiten, weil sie noch keine einundzwanzig war, aber es war nie Schmiere zur Kontrolle da, fiel also nicht weiter auf“, brummelte Kalle Bis, während er lautstark gähnte.

      Er tastete nach einer Zigarette, nahm sie und zündete sie an. Das Dupont-Feuerzeug machte ein lautes kratzendes Geräusch. In dem Augenblick klingelte das Telefon. Kalle hob den Hörer ab und lauschte ein paar Sekunden, sagte dann:

      „Hallo…, ja, ja, ich melde mich später“, bevor er das Gespräch beendete.

      „Wo wohnte Sabrina?“, führte Max die Unterredung fort.

      „Hab ich doch schon gesagt, nur hier im Haus, hatte oben ein Zimmer für sich“, raunzte Kalle ihn an.

      „Wer war letzte Nacht an Personal und Gästen hier anwesend?“, fragte Herbst.

      „Es muss doch keiner wissen, wer mit wem oder so! Diskretion ist angesagt…ist ja auch das Motto des Hauses, Herr Kommissar“, erwiderte Kalle Bis mit schwerem Atem.

      Max hatte den Eindruck, dass Kalle` s larmoyantes Gerede einfach nur gekünstelt und theatralisch von ihm in Szene gesetzt wurde.

      „Herr Bis. Wir sind nicht von der Konzessionsbehörde, aber auch nicht blöd, wie Sie vermuten. Also, klare Kante, sonst…!“

      „Was sonst?“, war der lachende, flapsige Kommentar von Kalle, dessen Lachen übermütig klang und Max Mühe hatte, ihn zu verstehen.

      Max änderte seinen Tonfall und versuchte es mit Strenge:

      „Beleidigen Sie nicht meinen Scharfsinn, Karl-Heinz Bis. Wenn Sie nicht kooperieren, werden Sie mich dafür verantwortlich machen können, dass hier Razzien ohne Ende stattfinden werden. Danach können Sie feststellen, ob sich unsere Maßnahmen umsatzfördernd auf Ihre Geschäfte ausgewirkt haben, Herr Bis. Also, entscheiden Sie sich!

      Das hier ist der Ort des Verbrechens.

      Wir behalten uns vor, Ihnen jederzeit lästig zu sein, solange, bis wir zum Erfolg gekommen sind. Damit das klar ist, Herr Bis!“

      Kalle, dessen gute Laune und Siegesgewissheit schlagartig verflogen war, bemühte sich um Schadensbegrenzung.

      „Mensch, Jungs. Es sind doch nur hochkarätige Gäste hier, die sich in ihrem Licht sonnen wollen. Es ist ein Salon der besonderen Art, wo jedermann seine speziellen Neigungen ausleben kann. Eben ein Prominentenclub erster Sahne.

      Macht ihn mir doch bitte nicht kaputt oder wollt ihr mir Schwierigkeiten bereiten? Ich habe große Pläne mit diesem Club. Außerdem strebe ich einen Öko-Puff an. Hier werden in Zukunft nur noch Bräute aus der Region arbeiten, Herr Kommissar, ha, ha.

      Hole doch nur die erwerbslosen Damen von der Straße, damit sie dem Sozialamt nicht zur Last fallen. Ist quasi so eine Art Unterstützung für den Staat“, säuselte Kalle mit einem schmierigen Grinsen.

      „Ich brauche einfach Frauen, die Stil und Klasse haben. Solche, die in der Lage sind, halbwegs sinnvolle Sätze in deutscher Sprache herauszubringen. Konversation nennt man so was wohl. Dabei sollen sie Champagner saufen und die Freier animieren. Wir suchen stets hochklassige Bräute, die sich hier verwirklichen können. Sie müssen aber spezielle Typen sein, die meinem Club die unverwechselbare, reizvolle Atmosphäre geben.

      Aber, die kann man leider nicht so leicht finden. Da müssen wir schon gegenhalten, sonst schwinden die Umsätze und wir sind mause. Ich mache keine öffentliche Werbung für meinen Club. Alles regelt sich durch Mund-zu-Mund-Propaganda.

      Wir brauchen hier keine Internationale Gartenausstellung oder einen militärischen Flottenverband, der auf einmal 3000 Matrosen ausspuckt. Das ist eh nicht unsere Klientel. Wir sind kein Matrosenpuff.

      Nein, wir haben die Großverzehrer dieser Stadt, die hanseatische Gesellschaft im Visier, die nicht auf die Mark schaut. Sie sind es, die wir haben wollen und auch bekommen. Aber, Verschwiegenheit ist das Motto des Hauses. Dafür müsst ihr doch Verständnis haben“, jammerte Puff-Kalle mit aufgesetzter Leidensmiene, während er Max Herbst stramm in die Augen sah und auf Zustimmung wartete.

      „Ich wiederhole mich nicht gern, Herr Bis. Reden Sie nicht solch einen Blödsinn und hören Sie auf zu schleimen!“

      Kalle schluckte schwer und schnaufte. „Tja…, wenn’s dann sein muss“, stöhnte er theatralisch mit einem hörbaren Seufzer und kam endlich zur Sache:


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