Drei Mädchen am Spinnrad. Fedor von Zobeltitz

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Drei Mädchen am Spinnrad - Fedor von Zobeltitz


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war für eine ›Phalanx‹.«

      »Natürlich,« sagte Beate. »Sollten wir dich allein in die Löwenhöhle lassen? Unsre zarte Poetin in das Heim rauher Krieger? Unsre –«

      Sie brach ab. Eine Tür hatte sich geöffnet, und ein schnurrbärtiger Unteroffizier trat auf den Korridor. Er hielt eine Liste in der Hand und las mit befehlshaberischer Stimme vor:

      »Wilhelm Kawalke –«

      »Hier!« rief eine Stimme. Von einer der Bänke erhob sich ein junger Mann und trat vor..

      »Ernst Feuereisen,« las der Unteroffizier weiter.

      »Hier!«

      »August Dingeldei –«

       »Hier!«

      »Zur Untersuchung!«

      Frau von Göchhusen hatte wieder Mut gefaßt. Sie trat, noch immer den graugelben Zettel in der Hand, tapfer an den Unteroffizier heran. »Ich bitte um Verzeihung,« sagte sie höflich, »kann ich nicht einen der Herren Offiziere sprechen? Es handelt sich nämlich um mein Kind.«

      Der Unteroffizier nahm den Zettel und überflog ihn. »Ist der junge Mann hier?« fragte er.

      »Ja, aber es ist –«

      Der Unteroffizier hatte es eilig. Er ließ Frau von Göchhusen nicht erst aussprechen, drückte ihr den Zettel wieder in die Hand und entgegnete: »Da muß er warten, bis er aufgerufen wird ...«

      Die drei Mädchen hatten sich inzwischen verschüchtert an das große Fenster am Ende des Flurs zurückgezogen.

      »Es ist gräßlich,« sagte Maxe. »Hier wird man rudelweise untersucht.«

      Elfriede schüttelte den Kopf. »Ich habe mir die ganze Geschichte pläsierlicher gedacht,« meinte sie. »Vielleicht wäre es doch praktischer gewesen, Mutter hätte einfach, geschrieben, wie sich die Sache verhält.«

      »Selbstverständlich,« fügte Beate hinzu. »Aber Maxe betrachtete die Angelegenheit als eine Sensation, die man ausgenießen müßte. Der Genuß ist bloß ziemlich fraglich.«

      Nun kehrte Frau von Göchhusen zu ihren Kindern zurück. »Der junge Mann soll warten, bis er aufgerufen wird,« sagte sie. »Also warten wir, es hilft nichts.«

      Man wartete, blieb aber in der Nähe des Fensters. Man traute sich nicht mehr auf den Vorraum mit den Bänken, den immer neue Ankömmlinge füllten. Von Zeit zu Zeit öffnete sich eine der Türen rechts, und die Kommandostimme des Unteroffiziers wurde vernehmbar. »Friedrich Puttfarken ... Karl Schulze ... Jakob Pieper ...« Dazwischen erscholl ein dreifaches »Hier«, und die Tür schloß sich wieder.

      Dann und wann lockte die Neugier einen der jungen Männer näher. Die vier Damen erregten immerhin Aufsehen. Alle vier waren hübsch. Die Mutter konnte kaum vierzig sein; ihr frisches Gesicht mit dem lebhaften Spiel der dunklen Augen und dem unbekümmerten Ausdruck hatten Beate und Elfriede geerbt. Maxe, der Schwarzkopf, hatte etwas Sinnigeres im Blick. Sie war auch schlank und ephebenhaft, während die Älteste der Fülle der Mutter zuneigte und Elfriede, als »Mittelstück« und immer dem juste milieu ergeben, das rechte Maß hielt. Die Familienähnlichkeit der vier war groß;, nur die Hautfarbe unterschied sie. Beate war kastanienbraun wie die Mama; Maxe schwarz. Elfriede bezeichnete sich selbst als eine unechte Blondine. Ihr Haar hatte einen rötlichen Schimmer, aber die Augenbrauen wölbten sich dunkel unter der Stirn, und auch der schöne flaumige Teint war der einer Brünette.

      Das Warten wurde langweilig. Man schaute auf den Hof hinab. Da gab es nicht viel zu sehen. Dann horchte man auf die Namen, die der Unteroffizier von zehn zu zehn Minuten ausrief. »Franz Thiessen ... Arnold Bönhase ... Gregor Kopetzki ...« Immer drei Namen hintereinander. Die Mädchen wiederholten sie und fanden einige sehr drollig. Sie munterten sich gegenseitig auf, erfanden Witzchen und kicherten leise. Aber das lange Stehen ermüdete auch ihren Humor. Ihre hübschen Gesichter erschlafften. Plötzlich begann Elfriede zu gähnen. »Wenn es noch länger dauert, setz' ich mich auf die Fensterbank,« erklärte sie ... »Mir schlafen die Füße ein,« sagte Beate.

      Die Mutter marschierte währenddessen mit kleinen Schritten auf und ab und unterhielt sich damit, die Inschriften auf den Papptafeln der verschiedenen Türen zu lesen. Es waren meist die Namen von Ärzten, Offizieren und Feldwebeln: aber einer darunter, der Frau von Göchhusen interessierte. Sie sprach davon zu ihren Kindern.

      »Major von Hartwig,« sagte sie. »Ich kannte einen Hartwig, er hieß Woldemar mit Vornamen – man durfte aber nicht Waldemar sagen, da wurde er ärgerlich, denn er hielt auf das ›o‹. Kinder, der wollte mich sogar einmal heiraten, und ich hätte ihn auch ganz gerne genommen, aber erstens: er war nicht viel älter als ich, und zweitens hatte er kein Geld und ich auch nicht.«

      »Vielleicht ist das dein Woldemar mit ›o‹,« entgegnete Elfriede.

      »Er stand damals bei den Franzern und war ein sehr hübscher Mensch.«

      »Die Franzer sind alle hübsch,« erklärte Maxe. »Wollen wir uns nicht bei Herrn von Hartwig anmelden lassen, Mama? Er wird uns aus der Bredouille helfen – es fängt nachgerade an, trist zu werden. Und wenn es dein Woldemar sein sollte ... es ist ja möglich, daß er noch nicht verheiratet ist – und er kann sich immer noch eine gewisse Stattlichkeit in sein Majorsalter gerettet haben –«

      »Dann verheiraten wir die Mama mit Woldemar,« beschloß Beate.

      »Kindsköpfe,« sagte Frau von Göchhusen lachend. »Damals war er Leutnant – jetzt kann er schon einen Sohn haben, der Leutnant ist ...« Aber die Erinnerung glitt doch so lebhaft durch ihre Seele, daß der Ausdruck ihres Gesichts sinnender wurde ... »Er war baumlang,« fuhr sie fort, »und sehr brünett. Dabei grüne Augen – ganz hellgrün, lichtgrün, wassergrün. Das stand ihm ausgezeichnet. Er hätte eigentlich dunkle Augen haben müssen, aber die Anomalie machte ihn interessant.«

      »Liebtet ihr euch sehr?« fragte Maxe.

      »Schäfchen, so etwas fragt man nicht ... Ich weiß noch, wie er um mich anhielt. Mein Vater sagte rundweg ›nein‹. Ich habe drei Tage geheult und wollte Gift nehmen.«

      »Und dann?«

      »Ich nahm keins und habe die Tränen getrocknet ...«

      Nun hörte man wieder die Stimme des Unteroffiziers, den dröhnenden Baß, der in dem langen Korridor ein Echo erwecken zu wollen schien: »Gottlieb Hiersekorn!«

      »Hier!« ... Die Leute auf den Bänken erhoben sich.

      »Friedrich Wendland!«

      »Hier!«

      »Immer kommen Sie näher!« rief der Unteroffizier, »ich beiße Sie nicht ...« Dann neigte er den Kopf von neuem über die Liste und verlas noch einen Namen, der vielleicht undeutlich geschrieben war oder seiner Zunge ungeläufig schien: »Max von Göch – Göchhausen ... nein, Göchhusen.«

      Niemand antwortete.

      »Ist Max von Göchhusen nicht da?« fragte der Unteroffizier. »Mir ist doch so, als ob ich vorhin –«

      »Hier,« unterbrach ihn eine zarte und piepsige Stimme.

      Der Kriegsmann schaute erstaunt den Korridor hinab. Alle jungen Leute schauten den vier Damen entgegen, die sich raschen Schrittes, näherten, diesmal paarweise: die Mama mit Maxe voran, Beate und Elfriede hinterher. Man verstand die Situation noch nicht recht unter den Gestellungspflichtigen. Auch der Unteroffizier war sich unklar, doch schmunzelte er: eine Ahnung des Begreifens dämmerte immerhin in ihm auf.

      Nun stand Frau von Göchhusen mit Maxe dicht vor ihm und holte wieder ihren Zettel hervor.

      »Der Vatersname ist richtig,« sagte sie, »aber der Vorname ist falsch. Nicht Max, sondern Maxe – mit einem ›e‹ am Schlusse ...« Sie lächelte ... »Mein Sohn ist nämlich eine Tochter – diese hier.«

      Sie deutete auf ihre Jüngste, die rot geworden war, aber den Sinn für die Komik der Situation noch nicht verloren hatte.

      »Ich


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