Drei Mädchen am Spinnrad. Fedor von Zobeltitz

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Drei Mädchen am Spinnrad - Fedor von Zobeltitz


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nicht. »Ich bitte mir Ruhe aus,« sagte er ernst. Dann machte er vor Frau von Göchhusen eine kurze Verbeugung. »Also ein Irrtum, gnädige Frau. So etwas passiert. Im vorigen Jahre sollte eine siebzigjährige Witwe eingestellt werden. Es lag ein Schreibversehen vor. Hier wohl auch.«

      »Jedenfalls. Der Name Maxe ist wenig gebräuchlich. Und statt Erdmuthe steht Edmund auf dem Zettel.«

      Der Unteroffizier nickte. »Richtig – Edmund. Und Tugendreich steht auch noch da. Warum denn Tugendreich?«

      »So heißt sie.«

      »Ich denke Göchhusen.«

      »Tugendreich ist ein Vorname – so ein alter – aus früheren Jahrhunderten.« Der Unteroffizier schwieg einen Augenblick, als wollte er diese neue Seltsamkeit erst geistig verarbeiten. »Na,« sagte er sodann, »jedenfalls müssen wir die Sache protokollieren. Wollen Sie so gut sein, mich zu dem Herrn Major begleiten.«

      Er ging voran bis an die Tür, die eine Papptafel mit dem Aufdruck »Major von Hartwig« trug.

      »Gedulden Sie sich einen Augenblick,« wandte er sich an Frau von Göchhusen zurück, »ich werde dem Herrn Major die Sache vortragen. Vielleicht sind Sie gar nicht nötig. Haben Sie den Geburtsschein Ihres Fräulein Tochter zur Hand?«

      »Alles da,« rief Maxe, öffnete ihr Handtäschchen und gab dem Unteroffizier das Gewünschte. Er verschwand damit hinter der Tür.

      »Nun bin ich neugierig, ob es, wirklich Woldemar ist,« sagte Elfriede.

      Die Mutter zog die Stirne kraus. »Laß das, Elfriede. Einmal kann man sich so ein Witzchen erlauben, aber nicht öfter. Es schickt sich nicht. Hoffentlich läßt er uns nicht zu lange warten.«

      Sie hatte kaum ausgesprochen, als sich schon wieder die Tür öffnete. Ein langer Offizier stand vor den Damen, über das ganze braune Gesicht lachend, die Hände ein wenig erhoben: wie zu herzlicher Begrüßung.

      »Na, das muß ich sagen,« begann er, »so sieht man sich wieder! Gnädigste Frau, kennen Sie mich denn noch?«

      »Aber natürlich, Herr von Hartwig. Als ich vorhin Ihren Namen an der Türe las, überlegte ich gleich: ist er's oder ist er's nicht? Und nun sehe ich, daß er's ist – und freue mich von Herzen darüber.«

      Er zog ihre Hand an die Lippen. »Ich nicht minder ...« Sein Blick glitt rasch über den Braun-, den Blond- und den Schwarzkopf ... »Die Fräulein Töchter? – Und welches ist unser neuer Rekrut?«

      »Maxe, tritt vor.«

      Maxe tat es mit militärischem Anstand. Sie schlug sogar die Absätze aneinander.

      Der Major freute sich. »Ach, wenn wir doch lauter solche Rekruten hätten,« sagte er. »Ich bin sonst eigentlich gegen die Frauenemanzipation, aber ... darf ich um Vorstellung bitten, gnädige Frau?«

      »Nicht nötig – die Kinder wissen schon ... Lieber Herr von Hartwig, ich möchte nicht lange stören – sehe auch, daß der Unteroffizier wartet –«

      »Er kann gehen. Gehen Sie, Westermann, ich bringe die Sache in Ordnung. Ja, Ordnung muß sein, gnädige Frau, und deshalb muß ich Sie schon bitten, einen Augenblick näherzutreten. Verhör, Protokoll und Unterschrift – anders läßt sich's nicht machen. Meine verehrten Damen, erschrecken Sie nicht über die Kleinheit und Ausstattung meines Zimmers; der Fiskus gibt's uns nicht besser. Herrgott, wenn ich nur vier Stühle habe!...«

      Sie fanden sich gerade noch, aber von zweien mußten Stapel blau broschierter Aktenstücke auf die Erde gelegt werden. Für den Major selbst war kein Sitz mehr da, und nun stritten die Mädchen, wer von ihnen stehen bleiben wollte.

      »Der Rekrut,« entschied die Mama. »Maxe, stell' dich an die Wand.«

      »Kein Gedanke,« protestierte Herr von Hartwig. »Machen Sie mich nicht böse, gnädiges Fräulein. Oder nein: vorläufig haben Sie noch zu gehorchen. Noch sind Sie nicht in den Listen gestrichen. Aber ich will Sie als Freiwilligen behandeln. Nehmen Sie Platz, Freiwilliger.«

      Maxe setzte sich. Dieser Major gefiel ihr. Allen drei Mädchen gefiel er. Majore neigen vielfach zur Korpulenz. Es ist das Übergangsstadium zum Kommandeur, bei dem der Ärger die Fettanschoppung wieder vertreibt. Doch, dieser war schlank, und Elfriede, die Malerin war, fand es hübsch, wie von der Taille aufwärts der Oberkörper des Mannes frei und kräftig zu starken Schultern emporwuchs. Auch in bezug auf die Augen hatte die Mama recht: sie wirkten pikant. Sie standen mit ihrem hellen Grünlicht wie zwei offene Fragen in dem Dunkel seines Gesichts.

      Herr von Hartwig war hinter seinen breiten, mit Papieren bedeckten Schreibtisch getreten. »Also nun zuerst das Geschäftliche,« sagte er. »Der Geburtsschein erklärt alles ...« Er las absatzweise vor: »›Vor dem unterzeichneten Standesbeamten erschien heute, der Persönlichkeit nach bekannt, der Königliche Legationsrat a. D. Franz Friedrich Erich von Göchhusen – wohnhaft daundda, evangelischer Religion – und zeigte an, daß von der Magda von Göchhusen, geborenen Tarrach ...‹ der Name weckt alte Erinnerungen in mir an Ihr Vaterhaus, gnädige Frau ... ›wohnhaft bei ihm, am dritten März achtzehnhundertundsechsundachtzig, vormittags zwölfeinhalb Uhr, ein Kind weiblichen Geschlechtes geboren worden sei, welches die Vornamen Maxe Erdmuthe Tugendreich erhalten habe. Vorgelesen, genehmigt und unterschrieben ...‹ Stimmt. Und da ich dies Kind weiblichen Geschlechts in persona vor mir habe, kann ich nach bestem Gewissen beeidigen, daß es, für den königlichen Dienst nicht zu brauchen ist – leider ...« Er schob mit einem Fußtritt ein hohes zusammengeschnürtes Aktenpaket neben sich, ließ sich trotz des Protestes der aufspringenden Damen darauf nieder, warf ein paar Zeilen auf einen Foliobogen und bat Frau von Göchhusen dann um ihre Unterschrift.

      »Abgemacht,« sagte er. »So, meine verehrte gnädige Frau – aber so rasch lasse ich Sie nicht wieder fort. Herrgott, wie lange haben wir uns nicht gesehen! Und nun hab' ich Sie gleich vierfach vor mir ...« Keine Söhne, gnädige Frau?«

      »Nein. Und Sie, Herr von Hartwig?«

      »Auch nicht. Dieweil ich noch immer nicht die Rechte gefunden habe. Nun habe ich's aufgegeben. Ich glaube, ich habe den Zeitpunkt verpaßt.«

      »Das sagen alle, denen das Junggesellenleben bequemer dünkt.«

      »Ach Gott, gnädige Frau, das Junggesellenleben ...? Es klingt so nach unbeschränkter Freiheit und ist eigentlich das kläglichste Gebundensein. Bursche und Waschfrau sind die rollenden Punkte. Die Abhängigkeit wird zum Gesetz. Man verliert sein Ich und wird doch zum Egoisten. Nein, es ist nichts.«

      »Warum sind Sie nicht bei den Franzern geblieben?« fragte Frau von Göchhusen.

      »Ich hatte mir den Fuß gebrochen. Eine komplizierte Geschichte mit Sehnenzerreißung und derlei. Kurzum: auch nach der Heilung blieb noch eine Schwäche zurück – ich konnte nicht mehr marschieren, und an das vorschriftsmäßige Beinewerfen beim Parademarsch war gar nicht zu denken. Da hieß es denn: entweder zur Kavallerie oder Abschiednehmen. Für die Reiterei fehlte es mir am Nötigsten, und zum Abschiednehmen hatte ich keine Lust. Schließlich wurde meine gute Konduite zum Vermittler: man steckte mich unter die Bezirksoffiziere – und so sitze ich denn hier draußen in Schöneberg, was ja auch eine ganz hübsche Gegend ist. Und Sie wohnen noch immer in der Regentenstraße?«

      »Jawohl. Aber woher wissen Sie –«

      »Ich weiß alles. Nein, nicht alles – natürlich nicht. Aber doch viel ... Ja – immerhin ...« Seine hellen Augen wurden etwas unruhig, und ihr klarer Ausdruck verwischte sich – »Nämlich – ich hatte zu meiner Rekonvaleszenz ein Jahr Urlaub und verlebte ihn in Italien – teils in Rom, teils an den Seen –«

      »Ah ...« Ein warmer Ton glitt über die Wangen der Frau Magda ... »Und da sind Sie mit meinem – mit Herrn von Göchhusen zusammengetroffen?«

      »Jawohl, gnädige Frau. Es war zuvörderst ein Zufall. Aber der Zufall festete sich und gewann Halt. Was soll ich leugnen, daß ich ihm befreundet wurde! Er war immer ein guter Freund.«

      »Gewiß, das war er. Das haben mir andere auch gesagt. Aber –«

      Sie


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