Geh heraus, mein Volk!. Daniel Seidenberg

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Geh heraus, mein Volk! - Daniel Seidenberg


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bekommen habe, sondern von JAHWEH. Da dies manchen Bibelübersetzern zu ungeheuerlich vorkam, haben sie es etwas anders wiedergegeben. Nun, da Kain seinen Bruder umgebracht hatte, kam er natürlich nicht mehr als Erlöser in Betracht, obwohl er der Erstgeborene war. Als Chawah schliesslich ihren dritten Sohn gebar, nannte sie ihn Seth, was Ersatz bedeutet. Sie sah in ihm also den Ersatz für den gefallenen Kain und den ermordeten Hebel. Seth würde also nun die Verheissung erfüllen und der Schlange den Kopf zertreten.

      Und Adam erkannte sein Weib abermals; die gebar einen Sohn und nannte ihn Seth; denn Gott hat mir für Hebel einen andern Samen gesetzt (ersetzt), weil Kain ihn umgebracht hat. Und auch dem Seth wurde ein Sohn geboren, den hiess er Enosch [Henoch]. Damals fing man an, den Namen JAHWEHS anzurufen. 1. Mosche 4:25-26

      Auf Seth ruhte nun Chawahs ganze Hoffnung auf baldige Erlösung. Doch, wenn diese auch noch lange auf sich warten liess, man fing nun an, den Namen JAHWEHS anzurufen, die Hoffnung auf den Maschiach setzte sich fort. Aus der Schrift geht hervor, dass Noach nicht von Kain, sondern von Seth abstammte. Die Verheissung also folgte dieser Linie, Kains Nachkommen aber starben alle in der Flut. Trotzdem erscheinen nach der Flut sofort wieder beide Linien. Schem und Ham – Segen und Fluch. Von Schem kam Avraham, der Vater aller Gläubigen und Stammvater Jeschuas, von Ham aber kam Nimrod, der sowohl Babel als auch Ninive gründete und von dem die schlimmsten Feinde IsraEls abstammen.

      Er war ein gewaltiger Jäger vor JAHWEH; daher sagt man: Ein gewaltiger Jäger vor JAHWEH wie Nimrod. Der Anfang seines Königreiches war Babel, Erek, Akkad und Kalne im Lande Sinear. Von diesem Land zog er aus nach Assur und baute Ninive, Rechobot-Ir und Kelach, dazu Resen, zwischen Ninive und Kelach; das ist die grosse Stadt. 1. Mosche 10:9-12

      Wörtlich steht hier, Nimrod sei ein ‹Held der Jagd› gewesen. Ganz ähnlich wird auch Esau als ein wilder, zügelloser Jäger beschrieben, der sich von seinem Schwert ernährt, der also von Räuberei lebt.

      Und als die Knaben gross wurden, wurde Esau ein Jäger, der sich auf die Jagd verstand; Jaacov [Jakob] aber war ein sittsamer Mann, der bei den Zelten blieb. 1. Mosche 25:27

      Da antwortete Jizchak, sein Vater, und sprach zu ihm [Esau]: Siehe, ohne fetten Boden wird dein Wohnsitz sein und ohne Tau des Himmels von oben. Von deinem Schwert wirst du leben. 1. Mosche 27:39-40

      Nimrods weitere Geschichte zeigt, dass er nicht nur Tiere gejagt hat. Nur zwei Generationen nach der Flut hatte sich die Menschheit trotz dieses umfassenden Weltgerichts bereits wieder mehrheitlich von JAHWEH abgewandt. Nimrod war ihr Mann, er verkörperte den Geist, der damals herrschte. Nimrod war ein Enkel Hams und der Neffe K’naans (Kanaan), der verflucht worden war, weil Ham Noachs Blösse aufgedeckt hatte.

      Und Kusch zeugte Nimrod; der war der erste Mächtige auf Erden. 1. Chronik 1:10

      Nimrod, der erste Herrscher, gründete ein mächtiges Königreich mit zehn bedeutenden Städten, von denen Babel die erste war. Er erbaute auch Ninive. Babel und Ninive wurden bald zu Hauptstädten der schlimmsten Feinde IsraEls. Nachdem Adam und Chawah gesündigt hatten, verbargen sie sich vor dem Angesicht JAHWEHS und auch Kain zog weit von dem Angesicht Gottes, nachdem er seinen Bruder erschlagen hatte – sie waren sich ihrer Sünde bewusst. Doch von Nimrod heisst es: Er war ‹ein gewaltiger Jäger vor JAHWEH›. Nicht allein, dass er sich seiner Gewalttätigkeit nicht schämte, er war stolz auf sie und sündigte bewusst, um JAHWEH herauszufordern. Die Schrift bezeugt zwar nicht, dass er selber den Turmbau angeordnet hat, wie die Überlieferung sagt, doch Nimrod ist die perfekte Verkörperung der damaligen Auflehnung gegen JAHWEH. Es genügte nicht, die gewalttätige Faust gegen den Himmel zu recken, ein gewaltiges Bauwerk sollte das weithin sichtbare Zeichen dieser Rebellion gegen den Schöpfer werden, ein Turm, der bis zum Himmel reicht.

      Und sie sprachen: Wohlan, lasst uns eine Stadt und einen Turm bauen, dessen Spitze bis an den Himmel reicht, dass wir uns einen Namen machen. 1. Mosche 11:4

      Sicher waren die Menschen schon damals nicht so naiv zu glauben, sie könnten dies wörtlich tun. Dass der Himmel viel zu hoch ist, als dass ihn ein menschliches Bauwerk je erreichen könnte, war auch ihnen gewiss klar. Der Ausdruck ‹bis an den Himmel› meint etwas anderes. Diese Zikkurat (Stufenturm) war eine grosse Tempelanlage, wie sie später überall in ganz Mesopotamien erbaut wurden. Darin verehrten sie ihre Götter, um mit den Himmelsmächten in Kontakt zu treten und so den ‹Himmel zu erreichen›. Dieser Kult sollte Babel Grösse und Ansehen verschaffen und die Menschen an ihre Herrschaft binden. Wäre das Unternehmen geglückt, hätte Nimrod die Weltherrschaft erringen können – ein Traum den noch viele Diktatoren nach ihm geträumt haben –, doch JAHWEH liess es nicht zu, er verwirrte den Bauleuten die Sprache. Nimrod scheiterte, doch die von ihm angeführte Rebellion gegen JAHWEH setzte sich fort.

      Denn obschon sie Gott erkannten, haben sie ihn doch nicht als Gott gepriesen und ihm nicht gedankt, sondern sind in ihren Gedanken in eitlen Wahn verfallen, und ihr unverständiges Herz wurde verfinstert. Da sie sich für weise hielten, sind sie zu Narren geworden und haben die Herrlichkeit des unvergänglichen Gottes vertauscht mit dem Bild vom vergänglichen Menschen. Römer 1:21-23

      Menschensohn, sage dem Fürsten von Tyrus: So spricht der Herr, JAHWEH: Weil sich dein Herz erhoben hat und du gesagt hast: «Ich bin ein Gott und sitze auf einem Götterthron mitten im Meere» obwohl du doch nur ein Mensch und kein Gott bist, und dein Herz dem Herzen Gottes gleichstellst … Jecheskel (Hes.) 28:2

      Daher menschelt es unter den heidnischen Göttern und Halbgöttern auch so penetrant. Wie Hulk, Superman oder die phantastischen Vier, die modernen Superhelden aus den Comic-Geschichten, haben sie übernatürliche Fähigkeiten. Sie können Blitze schleudern, durch die Luft fliegen, ihre Gestalt verwandeln, sich unsichtbar machen und dergleichen magische Kunststücke mehr. Nicht besonders himmlisch ist dagegen ihr Benehmen. Sie lügen, intrigieren, stehlen, gehen fremd, ja sie scheuen nicht einmal davor zurück, ihre Eltern oder Geschwister umzubringen und ihre eigenen Kinder zu verschlingen. Mit einem Wort: Die antiken Götter sind ein perfektes Spiegelbild der Schwächen und des Versagens der Menschen, die sie schufen. Und wie Nimrod präsentieren sie ihre üblen Handlungen auch noch stolz als Heldentaten. Götter sind eben auch nur Menschen.

      Die katholische Tradition hat jedem Tag im Kalender mindestens einen Heiligen oder eine Heilige zugeordnet, Menschen, denen aufgrund ihres ‹heiligen› Lebenswandels nach ihrem Tod göttliche Eigenschaften zugesprochen wurden. Daher werden sie angebetet und um Hilfe angerufen, anstelle der alten heidnischen Götter, die sie im Zuge der Christianisierung allmählich verdrängt haben. Doch auch in unserer scheinbar so aufgeklärten Zeit werden immer noch Menschen vergöttert.

      Zu Göttern werden jene erklärt, die angeblich unvergängliche Werke geschaffen haben, vor allem Künstler. Ihre Musik, Literatur oder Malerei überdauert viele Jahrhunderte, und solange man ihrer gedenkt, gelten ihre Werke, und damit auch sie selbst als unsterblich. Zu diesen ‹göttlichen› Werken werden sie inspiriert durch den Kuss der Musen, den Töchtern des antiken Göttervaters Zeus, Schutzgöttinnen der Kunst. Da die Verehrung der von ihnen begnadeten Künstler eindeutig Kultcharakter hat, nennt man Ausstellungsräume, Opernhäuser und Theater auch Musen-Tempel oder Museen. Schneller vergeht dagegen der Ruhm der modernen Halbgötter. Ihr Stern steigt plötzlich auf, erstrahlt kurz am Zenith und versinkt bald wieder im Dunkel des Vergessens. Manche Stars (Sterne) oder Starlets (Sternchen) scheinen sogar


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