Buddhismus für Anfänger, Fortgeschrittene und Gottverlassene. Andreas D. Werner
Читать онлайн книгу.Verwirrungen und Irritationen führen. Während des Weges müssen Sie sich auf diese Veränderung einstellen, muss sich Ihre Persönlichkeit stabilisieren und festigen, um mit derartigen Verwirrungen und Irritationen schadlos umgehen zu können. Aber ich verspreche Ihnen, Sie haben gute Chancen – am Ziel angekommen – wirklich glücklich und zufrieden sein zu können.
Hinsichtlich der Vorstellung, was Glücklich- und Zufriedensein bedeutet, wird mit großer Wahrscheinlichkeit bei der überwiegenden Zahl der Suchenden, und vielleicht auch bei Ihnen, schon am Anfang des Weges ein Missverständnis vorliegen. Dieses Missverständnis gründet sich auf unsere unterschiedliche Vorstellung vom Glücklich- und Zufriedensein. Es wird anfänglich eine unbequeme Erfahrung sein, denn Geld, Erfolg, Ruhm und Ehre sind kein Garant fürs Glücklich- und Zufriedensein, sind nicht das gesuchte Ziel, sind nicht die Lösung. Der Weg zu Wohlstand, Erfolg, Ruhm und Ehre ist kein Irrweg, aber nicht der Weg, um nachhaltig glücklich und zufrieden leben zu können.
Der Erleuchtete
Ein Erleuchteter ist jemand, der den Sinn des Lebens gefunden hat. Es ist ein Mensch, den jegliches Unglück, all das persönlich empfundene Leid und auch das Leid in dieser Welt nicht mehr verzweifeln und ratlos werden lässt, den all dies nicht aus der Bahn wirft, jemand, der verstanden hat, mit Sorgen und Nöten umzugehen und es versteht, glücklich und zufrieden zu sein.
Der Zustand der Erleuchtung wird unter Buddhisten als der ultimative Zustand – als das Ziel überhaupt – angestrebt. Wer erleuchtet ist, kennt den Sinn des Lebens, hat alles begriffen.
Diejenigen, die anstreben, eines Tages die Erleuchtung zu erfahren, nennt man die Suchenden. Zwischen dem Zustand eines Suchenden und eines Erleuchteten liegt ein langer Weg. Und wie Sie vielleicht schon ahnen: Es gibt viele Wege zur Erleuchtung. Aber es gibt noch weitaus mehr Wege, die nicht zur Erleuchtung führen – Wege, auf denen man den Sinn des Lebens nicht findet, Wege, die nicht zu Glück und Zufriedenheit führen.
Der historische Buddha, Siddhãrtha Gautama, hat die Antwort auf seine Frage zum Leid der Menschen rund 500 v. Chr. unter dem Bodhibaum in Bodhgaya sitzend, gefunden. Er erfuhr Erleuchtung.
Das Wort „Buddha“ ist kein Eigenname, sondern bedeutet: „Der Erwachte“. Gleichbedeutend wie „Der Erleuchtete“. Neben dem historischen Buddha werden auch die Menschen als Buddha bezeichnet, die vollkommene Erleuchtung erfahren haben.
Buddhistische Religion, Philosophie und Geschichte entwickelten sich erst nach Buddhas Erleuchtung und führten erst nach seinem Ableben zu Ritualen wie dem wiederholten Aufsagen buddhistischer Verse, dem Abbrennen von Räucherstäbchen oder dem Drehen von Gebetstrommeln.
Buddha selbst war kein Buddhist.
Je mehr Sie darüber nachdenken, was nach Buddhas Ableben geschah, je besser Sie differenzieren lernen, was alles in Form von Religion, Philosophie, Geschichtenerzählung, Mythen, Esoterik und Verblendung dem ursprünglichen Gedankengut des Buddha hinzugefügt wurde, desto schneller kommen Sie an das Ziel, Buddhas ursprüngliche Gedanken zum Zeitpunkt seiner Erleuchtung zu begreifen und daraus die für Sie persönlich wichtigen Schlussfolgerungen für ein glückliches und friedliches Leben zu ziehen.
Die Erleuchtung – das Satori
Der Begriff Erleuchtung, der überwiegend in buddhistischen Texten Verwendung findet, hat die gleiche Bedeutung wie der Begriff Satori, der im Zen-Buddhismus gebräuchlich ist und im Prinzip denselben Zustand, eine Erleuchtung, beschreibt. Nur sind die Wege dorthin recht unterschiedlich.
Weil Erleuchtung – im buddhistischen Sinn – viel mehr ist als der Begriff an sich vermuten lässt, bevorzuge ich persönlich zur Benennung dieses Phänomens persönlich lieber den Begriff Satori. Schon weil es diesen Begriff im deutschen Sprachgebrauch nicht gibt, erscheint er mir zweckmäßiger und lässt für die Umschreibung bzw. Beschreibung des Phänomens Erleuchtung/Satori eine umfänglichere Interpretation zu. Der Begriff Satori verleitet weniger zu Assoziationen und somit auch weniger zu Missverständnissen oder gar Fehlinterpretationen als Erleuchtung. Ich werde aber abwechselnd beide Begriffe verwenden, abhängig davon, wie die Begriffe den angedachten Sinn des Textes unterstützen können.
Wenn Sie vorrangig nach der Erleuchtung, beziehungsweise dem wesensgleichen Satori-Erlebnis streben und glauben, sich nunmehr notgedrungen mit dem buddhistischen Gedankengut auseinandersetzen und mit speziellen Übungen beginnen zu müssen, dann werden Sie mit dieser Vorgehensweise nur sehr, sehr schwer das ultimative Ziel erreichen.
Die Vorgehensweise wäre vergleichbar mit dem Wunsch, ein Schriftsteller zu werden und dann mit dem Schreiben zu beginnen. Die umgekehrte Reihenfolge wäre Erfolg versprechender, nämlich erst einmal mit dem Schreiben zu beginnen und daran Spaß und Freude zu haben. Nur so hätten Sie auch eine Chance, eines Tages als Schriftsteller zu gelten.
Sie sollten also zuallererst die buddhistischen Grundgedanken verinnerlichen und mit einigen Übungen dazu beginnen und in Folge praktizieren lernen. Wenn Sie daran Spaß und Freude empfinden und die buddhistischen Grundgedanken erkannt und verinnerlicht haben, dann haben Sie auch die Chance, eines Tages Ihre ganz persönliche Erleuchtung zu erfahren. Aber den Akt der Erleuchtung kann man nicht erzwingen, egal wie stark Sie sich darum bemühen, egal wie viel Sie lesen, studieren oder üben – schlussendlich muss die Erleuchtung zu Ihnen kommen. Wenn es soweit ist, wenn dies erfolgt, dann werden Sie es auch sofort verspüren. Sie werden dann, zu einem für niemanden vorhersehbaren Zeitpunkt, von einem außergewöhnlichen Gefühl ergriffen. Sie werden dabei sehr große Freude und unendliche Erleichterung und ein einzigartiges Freiheitsgefühl empfinden, auch wenn Sie selbst nicht so recht wissen, was eigentlich mit Ihnen gerade passiert ist. Sie werden dann unumstößlich verspüren, dass Sie endlich einen Weg gefunden haben, sich an jedem Ort dieser Welt – und mag er noch so unwirtlich sein – allzeit in den Zustand des Glücklich- und Zufriedenseins versetzen zu können. Egal ob neben dem Teufel in der Hölle, im Angesicht des Todes, auf dem Sterbebett, in absoluter Armut oder mit einem Lottogewinn, Sie werden in jeder Situation den Weg zum Glücklich- und Zufriedensein finden.
Diese Gabe wird Ihnen niemand ansehen. Ansehen wird man Ihnen ausschließlich Ihr überaus freundliches Wesen, Ihre Ausgeglichenheit, Ihre Gelassenheit – das Lächeln in Ihrem Gesicht. Von Ihnen wird dann eine spürbar angenehme Ausstrahlung auf Ihre Mitmenschen ausgehen.
Wem ein Erleuchtungs-/Satori-Erlebnis widerfahren ist, wird dadurch nicht automatisch glücklich und zufrieden, auch wird er dadurch nicht automatisch zu einem besseren Menschen. Vielmehr vollzieht sich im Kopf desjenigen eine Art geistiger Durchbruch, eine Erhellung des Geistes, auch gern als ein Erwachen beschrieben. Fortan meint man, den Sinn des Lebens bei jeder erdenklichen Konstellation ergründen und verstehen zu können. Man glaubt, die Wahrheit über das Wesen aller Dinge erkennen zu können, auch den Sinn seines eigenen Daseins. Dabei bekommt die Erkenntnis über Sinn und Sinnlosigkeit des eigenen Lebens eine völlig neue Wertigkeit.
Das Erleuchtungs-/Satori-Erlebnis erlebt man auch nur einmal in seinem Leben. Sie können es nicht z.B. wie einen Orgasmus nach Belieben immer wieder aufs Neue wiederholen. Das Erleuchtungserlebnis bleibt ein einmaliges Aha-Erlebnis.
Nach Ihrer Erleuchtung werden Sie auch am darauffolgenden Tag zur Arbeit gehen, Ihren Haushalt machen, sich um Ihre Kinder kümmern wie jeden Tag zuvor, und vielleicht auch sonntags in die Kirche oder die Moschee gehen, als wäre nichts geschehen. Der Zustand der Erleuchtung macht Sie nicht heilig, nicht unfehlbar. Sie bleiben, wer Sie sind. Aber fortan werden Sie vor nichts mehr Angst haben, werden jeden Schicksalsschlag – und möge er noch so extrem erscheinen – nur als eine buddhistische Übung ansehen, eine von vielen. Ihre Fähigkeit, sich an jedem Ort, allzeit in den Zustand des Glücklich- und Zufriedenseins versetzen zu können, werden Sie dann nie mehr verlieren.
Je mehr Sie bereits vorher vom Erleuchtungs-/Satori-Erlebnis wissen wollen, desto eher laufen Sie Gefahr, sich schon jetzt eine derart feste Vorstellung von diesem Phänomen anzueignen, dass Sie eine völlig falsche Erwartungshaltung bekommen, sich damit selbst blockieren und sich viel zu sehr unter Erfolgsdruck setzen. Seien Sie trotz dieser Einführung freimütig und ergebnisoffen. Machen Sie sich im Anschluss an dieses Kapitel keine weiteren