Gesammelte Werke. Фридрих Вильгельм Ðицше
Читать онлайн книгу.Wille kann aber nur zwecklos gedacht werden, ungefähr nach Art des Kinderspieles oder des künstlerischen Spieltriebes. Es ist ein Irrthum, wenn man Anaxagoras die gewöhnliche Verwechslung des Teleologen zumuthet, der, im Anstaunen der außerordentlichen Zweckmäßigkeit, der Übereinstimmung der Theile mit dem Ganzen, namentlich im Organischen, voraussetzt. Das, was für den Intellekt existirt, sei auch durch den Intellekt hineingekommen, und Das, was er nur unter Leitung des Zweckbegriffs zu Stande bringt, müsse auch von der Natur durch Überlegung und Zweckbegriffe zu Stande gebracht sein. (Schopenhauer, Welt als Wille und Vorstellung, Band II, zweites Buch, Capitel 26, zur Teleologie.) In der Manier des Anaxagoras gedacht, ist aber im Gegentheil die Ordnung und Zweckmäßigkeit der Dinge direkt nur das Resultat einer blind mechanischen Bewegung; und nur um diese Bewegung veranlassen zu können, um aus der Todesruhe des Chaos irgendwann einmal herauszukommen, nahm Anaxagoras den willkürlichen, von sich allem abhängigen Nous an. Er schätzte an ihm gerade die Eigenschaft, beliebig zu sein, also unbedingt, undeterminirt, weder von Ursachen noch von Zwecken geleitet, wirken zu können.
II. Entwürfe zur Fortsetzung.
(Anfang 1873.)
1.
Daß diese gesammte Auffassung der anaxagorischen Lehre richtig sein muß, beweist am deutlichsten die Art, wie die Nachfolger des Anaxagoras, der Agrigentiner Empedokles und der Atomenlehrer Demokrit in ihren Gegensystemen thatsächlich dieselbe kritisirten und verbesserten. Die Methode dieser Kritik ist vor Allem die fortgesetzte Entsagung in jenem erwähnten naturwissenschaftlichen Geiste, das Gesetz der Sparsamkeit, auf die Naturerklärung angewendet. Die Hypothese, die mit dem kleinsten Aufwande von Voraussetzungen und Mitteln die vorhandene Welt erklärt, soll den Vorzug haben: denn in ihr ist das wenigste Belieben, und das freie Spiel mit Möglichkeiten untersagt. Sollte es zwei Hypothesen geben, die beide die Welt erklären, so ist streng zu prüfen, welche von beiden jener Forderung der Sparsamkeit am meisten genügt. Wer mit den einfacheren und bekannteren Kräften, vor Allem den mechanischen, bei jener Erklärung auskommen kann, wer aus möglichst wenigen Kräften den vorhandenen Bau der Welt ableitet, wird immer Demjenigen vorgezogen werden, der die complicirteren und weniger bekannten Kräfte, und dazu diese noch in größerer Zahl, ein weltbildendes Spiel treiben läßt. So sehen wir denn Empedokles bemüht, den Überfluß an Hypothesen aus der Lehre des Anaxagoras zu beseitigen.
Als erste nicht nothwendige Hypothese fällt die vom anaxagorischen Nous, denn seine Annahme ist viel zu voll, um etwas so Einfaches wie die Bewegung zu erklären. Es ist doch nur nöthig, die beiden Arten der Bewegung, das Sichhinbewegen eines Gegenstandes zu einem andern und das Sichwegbewegen von einem andern zu erklären.
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2.
Wenn unser jetziges Werden ein Ausscheiden ist, wenn auch kein völliges, so fragt Empedokles: was hindert die völlige Ausscheidung? Also eine entgegenstrebende Kraft, das heißt eine latente Bewegung der Anziehung.
Sodann: um jenes Chaos zu erklären, muß auch schon bereits eine Macht thätig gewesen sein, es ist zu dieser innigsten Verschlingung eine Bewegung nöthig.
Also periodisches Überwiegen der einen und der andern Macht sicher. Diese sind entgegengesetzt.
Die Macht der Attraktion wirkt auch jetzt noch, denn sonst gäbe es gar keine Dinge, es wäre Alles geschieden.
Das ist das Thatsächliche: zwei Bewegungsarten. Diese erklärt der Nous nicht. Dagegen Liebe und Haß: daß diese bewegen, sehn wir doch gewiß, so gut als daß der Nous sich bewegt.
Jetzt verändert sich die Auffassung des Urzustandes: es ist der seligste. Bei Anaxagoras war es das Chaos vor dem architektonischen Werk, gleichsam der Steinhaufen des Bauplatzes.
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3.
Empedokles hatte den Gedanken einer der Schwere entgegenwirkenden, durch den Umschwung entstehenden Tangentialkraft gefaßt ( de coelo I p. 284), Schopenhauer W. a. W. II 390.
Er hielt die Fortsetzung der Kreisbewegung für unmöglich bei Anaxagoras. Es gäbe einen Wirbel, d. h. den Gegensatz der geordneten Bewegung.
Wären die Theilchen unendlich durch einander vermischt, so könnte man die Körper ohne Kraftanstrengung auseinanderbrechen, sie würden nicht zusammenhalten, sie wären wie Staub.
Die Kräfte, die die Atome an einander drücken und der Masse die Festigkeit geben, nennt Empedokles »Liebe«. Es ist eine Molekularkraft, eine constitutive Kraft der Körper.
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4.
Gegen Anaxagoras.
1. Das Chaos setzt schon Bewegung voraus.
2. Nichts hinderte die volle Ausscheidung.
3. Unsere Körper wären Staubgebilde. Wie Bewegung, wenn nicht in allen Körpern Gegenbewegungen sind?
4. Eine geordnet fortgesetzte Kreisbewegung unmöglich: nur ein Wirbel. Den Wirbel nimmt er selbst als Wirkung des νειϰος an. ἀποϱϱοαί. Wie wirkt Entferntes auf einander, Sonne auf Erde? Wäre Alles noch im Wirbel, wäre das unmöglich. Also zwei bewegende Kräfte mindestens: die den Dingen inhäriren müssen.
5. Warum unendliche ὄντα? Überschreiten der Erfahrung. Anaxagoras meinte die chemischen Atome. Empedokles versuchte die Annahme von vier chemischen Atomenarten. Er hielt die Aggregatzustände für essentiell und die Wärme coordinirt. Also die Aggregatzustände durch Abstoßung und Attraktion; Materie in vier Formen.
6. Das Periodische ist nöthig.
7. Bei den lebenden Wesen will Empedokles auch noch nach dem gleichen Princip verfahren. Er leugnet auch hier die Zweckmäßigkeit. Seine größte That. Bei Anaxagoras ein Dualismus.
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5.
Die Symbolik der Geschlechtsliebe. Hier wie in der platonischen Fabel zeigt sich die Sehnsucht nach dem Einssein, zeigt sich, daß einmal größere Einheit schon existirte: wäre diese größere Einheit hergestellt, dann würde diese wieder nach einer noch größeren streben. Die Überzeugung von der Einheit alles Lebendigen verbürgt, daß es einmal ein ungeheures