Gesammelte Werke. Фридрих Вильгельм Ницше

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Gesammelte Werke - Фридрих Вильгельм Ницше


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vor Tau­ben, ihr hö­he­ren Men­schen! Denn ihr ver­steht mich nicht!

      Da­hin! Da­hin! Oh Ju­gend! Oh Mit­tag! Oh Nach­mit­tag! Nun kam Abend und Nacht und Mit­ter­nacht, – der Hund heult, der Wind:

      – ist der Wind nicht ein Hund? Er win­selt, er kläfft, er heult. Ach! Ach! wie sie seufzt! wie sie lacht, wie sie rö­chelt und keucht, die Mit­ter­nacht!

      Wie sie eben nüch­tern spricht, die­se trun­ke­ne Dich­te­rin! sie über­trat wohl ihre Trun­ken­heit? sie wur­de über­wach? sie käut zu­rück?

      – ihr Weh käut sie zu­rück, im Trau­me, die alte tie­fe Mit­ter­nacht, und mehr noch ihre Lust. Lust näm­lich, wenn schon Weh tief ist: Lust ist tiefer noch als Her­ze­lei­d.

      9

      Du Wein­stock! Was prei­sest du mich? Ich schnitt dich doch! Ich bin grau­sam, du blu­test –: was will dein Lob mei­ner trun­ke­nen Grau­sam­keit?

      »Was voll­kom­men ward, al­les Rei­fe – will ster­ben!« so re­dest du. Ge­seg­net, ge­seg­net sei das Win­zer­mes­ser! Aber al­les Un­rei­fe will le­ben: wehe!

      Weh spricht: »Ver­geh! Weg, du Wehe!« Aber Al­les, was lei­det, will le­ben, dass es reif wer­de und lus­tig und sehn­süch­tig,

      – sehn­süch­tig nach Fer­ne­rem, Hö­he­rem, Hel­le­rem. »Ich will Er­ben, so spricht Al­les, was lei­det, ich will Kin­der, ich will nicht mich,« –

      Lust aber will nicht Er­ben, nicht Kin­der, – Lust will sich sel­ber, will Ewig­keit, will Wie­der­kunft, will Al­les-sich-ewig-gleich.

      Weh spricht: »Brich, blu­te, Herz! Wand­le, Bein! Flü­gel, flieg! Hinan! Hin­auf! Schmerz!« Wohl­an! Wohl­auf! Oh mein al­tes Herz: Weh spricht: »ver­geh

      10

      Ihr hö­he­ren Men­schen, was dün­ket euch? Bin ich ein Wahr­sa­ger? Ein Träu­men­der? Trun­ke­ner? Ein Traum­deu­ter? Eine Mit­ter­nachts-Glo­cke?

      Ein Trop­fen Thau’s? Ein Dunst und Duft der Ewig­keit? Hört ih­r’s nicht? Riecht ih­r’s nicht? Eben ward mei­ne Welt voll­kom­men, Mit­ter­nacht ist auch Mit­tag, –

      Schmerz ist auch eine Lust, Fluch ist auch ein Se­gen, Nacht ist auch eine Son­ne, – geht da­von oder ihr lernt: ein Wei­ser ist auch ein Narr.

      Sag­tet ihr je­mals ja zu Ei­ner Lust? Oh, mei­ne Freun­de, so sag­tet ihr Ja auch zu al­lem Wehe. Alle Din­ge sind ver­ket­tet, ver­fä­delt, ver­liebt, –

      – woll­tet ihr je­mals Ein Mal Zwei Mal, spracht ihr je­mals »du ge­fällst mir, Glück! Husch! Au­gen­blick!« so woll­tet ihr Al­les zu­rück!

      – Al­les von neu­em, Al­les ewig, Al­les ver­ket­tet, ver­fä­delt, ver­liebt, oh so lieb­tet ihr die Welt, –

      – ihr Ewi­gen, liebt sie ewig und al­le­zeit: und auch zum Weh sprecht ihr: ver­geh, aber komm zu­rück! Denn alle Lust will – Ewig­keit!

      11

      Alle Lust will al­ler Din­ge Ewig­keit, will Ho­nig, will Hefe, will trun­ke­ne Mit­ter­nacht, will Grä­ber, will Grä­ber-Thrä­nen-Trost, will ver­gül­de­tes Aben­d­roth –

      – was will nicht Lust! sie ist durs­ti­ger, herz­li­cher, hung­ri­ger, schreck­li­cher, heim­li­cher als al­les Weh, sie will sich, sie bei­sst in sich, des Rin­ges Wil­le ringt in ihr, –

      – sie will Lie­be, sie will Hass, sie ist über­reich, schenkt, wirft weg, bet­telt, dass Ei­ner sie nimmt, dankt dem Neh­men­den, sie möch­te gern ge­hasst sein, –

      – so reich ist Lust, dass sie nach Wehe durs­tet, nach Höl­le, nach Hass, nach Schmach, nach dem Krüp­pel, nach Wel­t, – denn die­se Welt, oh ihr kennt sie ja!

      Ihr hö­he­ren Men­schen, nach euch sehnt sie sich, die Lust, die un­bän­di­ge, se­li­ge, – nach eu­rem Weh, ihr Miss­rat­he­nen! Nach Miss­rat­he­nem sehnt sich alle ewi­ge Lust.

      Denn alle Lust will sich sel­ber, drum will sie auch Her­ze­leid! Oh Glück, oh Schmerz! Oh brich, Herz! Ihr hö­he­ren Men­schen, lernt es doch, Lust will Ewig­keit,

      – Lust will al­ler Din­ge Ewig­keit, will tie­fe, tie­fe Ewig­keit!

      12

      Lern­tet ihr nun mein Lied? Er­rie­thet ihr, was es will? Wohl­an! Wohl­auf! Ihr hö­he­ren Men­schen, so singt mir nun mei­nen Rund­ge­sang!

      Singt mir nun sel­ber das Lied, dess Name ist »Noch ein Mal«, dess Sinn ist »in alle Ewig­keit!«, singt, ihr hö­he­ren Men­schen, Za­ra­thustra’s Rund­ge­sang!

       Oh Mensch! Gieb Acht!

       Was spricht die tie­fe Mit­ter­nacht?

       »Ich schlief, ich schlief –,

       »Aus tie­fem Traum bin ich er­wacht: –

       »Die Welt ist tief,

       »Und tiefer als der Tag ge­dacht.

       »Tief ist ihr Weh –,

       »Lust – tiefer noch als Her­ze­leid:

       »Weh spricht: Ver­geh!

       »Doch alle Lust will Ewig­keit

       »will tie­fe, tie­fe Ewig­keit!«

      Das Zeichen

      Des Mor­gens aber nach die­ser Nacht sprang Za­ra­thustra von sei­nem La­ger auf, gür­te­te sich die Len­den und kam her­aus aus sei­ner Höh­le, glü­hend und stark, wie eine Mor­gen­son­ne, die aus dunklen Ber­gen kommt.

      »Du gros­ses Gestirn, sprach er, wie er einst­mal ge­spro­chen hat­te, du tie­fes Glücks-Auge, was wäre all dein Glück, wenn du nicht Die hät­test, wel­chen du leuch­test!

      Und wenn sie in ih­ren Kam­mern blie­ben, wäh­rend du schon wach bist und kommst und schenkst und aus­t­heilst: wie wür­de darob dei­ne stol­ze Scham zür­nen!

      Wohl­an! sie schla­fen noch, die­se hö­he­ren Men­schen, wäh­rend ich wach bin: das sind nicht mei­ne rech­ten Ge­fähr­ten! Nicht auf sie war­te ich hier in mei­nen Ber­gen.

      Zu mei­nem Wer­ke will ich, zu mei­nem Tage: aber sie ver­ste­hen nicht, was die Zei­chen mei­nes Mor­gens sind, mein Schritt – ist für sie kein Weck­ruf.

      Sie schla­fen noch in mei­ner Höh­le, ihr Traum käut noch an mei­nen Mit­ter­näch­ten. Das Ohr, das nach mir horcht, – das ge­hor­chen­de Ohr fehlt in ih­ren Glie­dern.«

      – Diess hat­te Za­ra­thustra zu sei­nem Her­zen ge­spro­chen, als die Son­ne auf­gieng: da blick­te er fra­gend in die Höhe, denn er hör­te über sich den schar­fen Ruf sei­nes Ad­lers. »Wohl­an! rief er hin­auf, so ge­fällt und ge­bührt es mir. Mei­ne Thie­re sind wach, denn ich bin wach.

      Mein Ad­ler ist wach und ehrt gleich mir die Son­ne. Mit Ad­lers-Klau­en greift er nach dem neu­en Lich­te. Ihr seid mei­ne rech­ten Thie­re; ich lie­be euch.

      Aber noch feh­len mir mei­ne rech­ten Men­schen!« –

      Also sprach Za­ra­thustra; da aber ge­sch­ah es, dass er sich plötz­lich wie von un­zäh­li­gen Vö­geln um­schwärmt und um­flat­tert hör­te, – das Ge­schwirr so


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