Die wichtigsten Werke von Oskar Meding. Oskar Meding
Читать онлайн книгу.ich wohl ein wenig beseitigen können, mit dem Arger wird es freilich schlimmer aussehen, der ist inkurabel in diesen Zeiten.«
Der junge Mann richtete sich halb auf und sprach, auf den Ellenbogen gestützt:
»Nun, was haben Sie, Sie sehen ja aus, als ob Sie mir etwas zu erzählen hatten!«
»Das habe ich auch,« sagte Herr Hische, »und ich will nur schnell zum Ziel kommen, denn wir haben nicht viel Zeit. – Sie wissen,« sagte er, »daß die Polizei auf den Beinen ist, man hat Wind bekommen von verschiedenen Plänen, Sie werden alle überwacht –«
»Haha,« lachte der junge Mann, »das ist nichts Neues, sehen Sie,« sagte er, nachlässig mit der Hand nach dem Fenster deutend, »ich wette, da draußen steht so eine angenehme Ehrenwache, die nicht von meinem Hause weicht, und wenn ich ausgehe, mir auf Schritt und Tritt folgt. – Den armen Wendenstein haben sie festgesetzt,« sagte er nach einer kleinen Pause, »nun, dem werden sie nicht viel tun können –«
»Sie irren, Herr Baron,« sagte Hische ernst, »sie werden ihm sehr viel tun, denn sie haben bei ihm Papiere des Herrn von Tschirschnitz gefunden, der glücklich fort ist, und da wird Herr von Wendenstein die Suppe ausessen müssen.«
»Den Teufel auch!« rief der junge Mann aufspringend, »das ist unangenehm!«
»Mehr als unangenehm,« sagte Hische, »aber die Sache darf nicht weitergehen, es ist eine Ehrenpflicht für uns alle, den Leutnant von Wendenstein fortzuschaffen.«
»Aber wie?« fragte Herr von Eschenberg lebhaft.
»Wie?« sagte Hische, »das müssen nur diejenigen wissen, welche die Sache ausführen, alle andern müssen mit bestem Gewissen und durch unanfechtbare Zeugnisse unbeteiligt sein. – Herr Baron,« sagte er nach kurzem Schweigen, »Sie haben das beste Pferd in Hannover – schnell wie der Wind und allen Strapazen gewachsen.«
»Mein Hamlet,« rief der junge Mann, »ja das ist ein Kapitalgaul, er –«
»Wollen Sie mir das Pferd geben, um den Leutnant von Wendenstein zu retten?« fragte Hische, »ob Sie es wieder bekommen, weiß ich nicht.«
»Wie können Sie fragen!« rief der junge Mann, »nehmen Sie Hamlet, aber,« fügte er hinzu, indem ein wehmütiger Ausdruck auf seinem Gesicht erschien, »wenn es möglich wäre, daß er erhalten würde, es ist ein so braves, treues Tier.«
»Herr von Wendenstein wird ihn wahrlich nicht unnütz zugrunde richten,« sagte der Tierarzt, »aber natürlich, es ist für nichts zu stehen bei einer solchen Sache, und im Grunde,« sagte er, »die Rettung des Herrn von Wendenstein ist doch immer tausend Louisd'or wert.«
»O – es ist nicht das!« rief Herr von Eschenberg lebhaft, »und hätte es den doppelten Preis, aber Sie wissen, für einen Kavalleristen ist ein Pferd keine Sache, es ist ein Freund. – Nehmen Sie Hamlet,« unterbrach er sich kurz.
»Kommen Sie in den Stall, Herr Baron,« sagte der Tierarzt, »und widersprechen Sie mir in nichts!«
Herr von Eschenberg verlieh das Zimmer und schritt über den Flur in den Hof. Der Tierarzt folgte ihm.
An der Stalltüre stand der Reitknecht. Alle traten zu den vier Pferden des Barons, welche glänzend geputzt in den sauberen Verschlagen standen.
»Nun sehen Sie nach, ob alles in Ordnung ist,« sagte der junge Mann in leichtem Tone zu dem Tierarzt, der prüfend auf die schönen Tiere blickte.
»Herr Hische wird nichts finden,« rief der Reitknecht stolz, »sie haben alle vortrefflich gefressen, es ist keine Ader an ihnen krank.«
Der Tierarzt besah und untersuchte die Pferde nach der Reihe und nickte zufrieden mit dem Kopf.
Er kam zu dem letzten, an dessen Verschlag sich eine Tafel mit dem Namen Hamlet befand.
Freundlich klopfte er den Hals des Tieres und fuhr dann mit der Hand an seinen Beinen herunter.
Mehrmals strich er aufmerksam und den Kopf schüttelnd über den linken Vorderfuß.
»Nun,« rief der Baron, »ist da etwas nicht in Ordnung?«
»Ich weiß nicht, Herr Baron,« sagte der Tierarzt, »es ist da eine kleine Verhärtung, die mir nicht recht gefallen will, bei einem andern Pferde würde ich kaum darauf achten, aber ein Tier von diesem Wert – das edle Blut ist weit empfindlicher.«
»Was kann das sein?« rief der Baron.
»Er ist doch gestern ganz gut gegangen,« sagte der Reitknecht, besorgt das Pferd anblickend.
»Noch ist es nichts,« sagte der Tierarzt, immer das Bein des Pferdes streichend, »aber es könnte wohl etwas werden, man müßte es scharf beobachten, ich würde dem Herrn Baron raten, das Pferd einige Tage in meinen Stall zu stellen, damit ich es immer unter Augen habe.«
»Wenn Sie meinen,« sagte der Baron, »aber achten Sie wohl darauf –«
»Sie kennen mich und können sich auf mich verlassen!« sprach Herr Hische ruhig, »es ist immer besser, zu vorsichtig zu sein, als daß solchem Prachtpferd etwas widerführe.«
»Gut, so will ich Ihnen das Tier zuführen lassen,« sagte der Baron.
»Es ist wohl besser, ich nehme es gleich mit,« bemerkte Herr Hische, »ich kann dann am besten seinen Gang beurteilen.«
»Auch gut, lege den Sattel auf, Johann!«
»Zuvor aber möchte ich zu aller Sicherheit die Stelle mit einer Kompresse umlegen,« sagte der Tierarzt, und mit einem schnell herbeigebrachten Stück Leinen schnürte er das Bein des Pferdes über dem Fesselgelenk ein.
Nach kurzer Zeit war das Pferd gesattelt, das Hoftor wurde geöffnet und Herr Hische stieg auf.
Der Baron klopfte den Hals des Tieres und legte sein Gesicht sanft an dessen Kopf.
»Sorgen Sie gut für das brave Tier,« sagte er, und mit wehmütiger Stimme fügte er hinzu:
»Auf Wiedersehen, mein guter Hamlet!«
Herr Hische ritt hinaus. Die festgewickelte, ungewohnte Kompresse tat ihre Wirkung, das Pferd hinkte leicht.
Ein in einfaches Zivil gekleideter Mann ging in der Allee, dem Hause gegenüber, langsam umher. Aufmerksam blickte er hinüber, als das Tor geöffnet wurde, und sah den bekannten Tierarzt auf einem verbundenen, hinkenden Pferde langsam hinausreiten. Er wendete sich um und setzte ruhig seinen Weg fort. [leer] Einige Stunden später hielt der Wagen des Oberamtmanns von Wendenstein vor dem Laden des Kaufmanns Sonntag. Frau von Wendenstein mit ihrer Tochter und Helene stiegen aus. Aufmerksam eilte Herr Sonntag und seine junge, hübsche und gewandte Frau den Damen entgegen. Helene hielt das Paket, welches ihr am Morgen gesendet war.
»Fräulein Berger bringt Ihnen die Arbeitskörbchen zurück,« sagt Frau von Wendenstein, »sie hat keines nach ihrem Geschmacke gefunden, und zugleich möchte ich einige Sachen sehen,« fügte sie hinzu, einen Zettel öffnend, auf welchem sie Notizen über ihre Besorgungen gemacht.
»Was befehlen Sie, gnädige Frau?« fügte Madame Sonntag, Frau von Wendenstein verbindlich zum Ladentische führend und ihr einen Stuhl hinstellend, und mit großer Gewandtheit unterhielt und bediente sie die alte Dame.
»Es tut mir unendlich leid,« sagte Herr Sonntag laut zu Helene, »daß Sie nichts Passendes unter den Sachen gefunden, welche ich Ihnen geschickt, aber vielleicht habe ich doch noch etwas, dort im Magazin, wenn Sie die Güte haben wollen, einen Augenblick hineinzutreten.«
Er nahm das Paket, welches Helene zurückgebracht hatte, und ging schnell durch den Laden in ein Hinterzimmer, in welchem eine Menge Waren auf Repositorien aufgestellt waren, die Türe zu diesem Zimmer blieb offen stehen, so daß man dasselbe vom Laden aus übersehen konnte.
Herr Sonntag nahm rasch von einem der Repositorien einige Körbchen und brachte sie dem jungen Mädchen.
»Das Paket enthält zweitausend Taler in Gold,« sagte Helene leise, »genügt das?«
»Vollkommen,«