Die wichtigsten Werke von Oskar Meding. Oskar Meding
Читать онлайн книгу.vielleicht die persönlichen Gefühle des Kaisers noch tiefer Erbitterung voll sein mögen, so wird auch er doch jedes Mittel schließlich ergreifen, um nach Deutschland hin Revanche zu nehmen. – Was nun Italien betrifft, so hat man dort noch zwei Wünsche,« sagte er, leicht den Kopf zur Seite neigend, »das ist zunächst Rom, und sodann das italienische Tirol. Dieser letztere Wunsch, allerdings der minder lebhafte, kann nur durch Österreich erfüllt werden, das töricht wäre, ihn zu versagen, nachdem es die politisch bedeutungsvollen Besitzungen in Italien aufgegeben hat, Rom aber –«
»Eure Majestät werden doch nicht den Papst opfern wollen?« rief Graf Walewski lebhaft.
Ein fast unwillkürliches seines Lächeln umspielte die Lippen Napoleons.
»Der Papst, mein lieber Vetter,« sagte er, mit der Hand über seinen Knebelbart streichend, »ist für mich – ganz abgesehen von meinen persönlichen religiösen Gefühlen – eine ernste politische Frage, welche ich nicht so leicht, selbst nicht um großen Preis aus der Hand geben kann. Sie wissen, daß Frankreich sehr katholisch ist, der Klerus ist eine große Macht in diesem Lande und ich kann seine Stütze nicht entbehren, ich kann nicht die große Kraft aufgeben, welche den Beherrschern Frankreichs aus ihrer Mission erwächst, der älteste Sohn der Kirche zu sein, ich kann auch nicht den Einfluß Frankreichs in Italien und seine Führung der lateinischen Rassen aufgeben, aber ich kann,« fuhr er fort, indem sein Auge sich langsam erhob, »dennoch den Wünschen Italiens entgegenkommen und den Papst und die Kirche mit der neuen Ordnung der Dinge versöhnen.«
Graf Walewski schüttelte langsam den Kopf. Ein Ausdruck des Zweifels erschien auf seinem Gesicht.
»Hören Sie mich an,« sagte der Kaiser, »denn dies ist der Punkt, in welchem ich auf Ihre Mitwirkung und Ihre Tätigkeit, Ihre überzeugende Beredsamkeit hoffe. – Jeder Versuch,« fuhr er fort, »den jetzigen Papst Zu einer Verständigung mit dem Königreich des einigen Italiens zu bringen, würde töricht sein, Pius IX. glaubt die liberalen Wallungen der ersten Jahre seines Pontifikats wieder gut machen zu sollen durch ein absolutes Negieren der Zeitströmung und ihrer Notwendigkeiten. Das ist ein Faktum, welches man bei allen politischen Kombinationen als unabänderlich und unumstößlich annehmen muß. – Indes«, sagte er etwas leiser, die lange Spitze seines Schnurrbarts kräuselnd, »wie lange kann das Leben dieses alten, kranken Mannes noch dauern? – Und wenn er stirbt, nun, ich darf hoffen, wenn namentlich die feste Allianz mit Österreich zustande kommt und der Einfluß von dorther ebenfalls in dieser Richtung geltend gemacht wird, daß aus dem Konklave ein Papst hervorgehen werde, welcher meine Ideen begreifen und zu ihrer Ausführung die Hand bieten wird.«
»Und in welcher Weise halten Eure Majestät eine Versöhnung der Rechte und der Würde des heiligen Stuhles mit den Wünschen, den Forderungen des nationalen Königreichs Italien für möglich?« fragte der Graf.
»Wenn der Papst,« sagte der Kaiser, »seine Souveränität über das eigentliche Patrimonium Petri behält, dagegen dies Land durch Verfassung, Gesetze und insbesondere durch Verkehrseinrichtungen als ein homogenes Glied dem nationalen Organismus einfügt, wenn er auf Militärmacht ganz verzichtet, die ja doch immer ihm keine selbstkräftige Stellung geben kann, und dafür unter den Schutz der katholischen Mächte gestellt wird, – wenn dann für große nationale Fragen ein gemeinsames Parlament in Rom errichtet wird, so wird doch Rom die Gesamthauptstadt Italiens, und der König wird, ohne seiner eigenen Würde zu schaden, wie es ja jeder katholische Souverän tut, dem Papste den Vorrang lassen können, der ihm vor dem Altare von Sankt Peter die Krone Italiens auf das Haupt setzen wird.«
Die Augen des Grafen leuchteten, mit Spannung lauschte er den Worten, welche der Kaiser in jenem tief anklingenden Tone gesprochen hatte, der ihm in gewissen Augenblicken zu Gebote stand.
»Es handelt sich also für Italien,« fuhr der Kaiser nach einem kurzen Stillschweigen fort, »nur darum, zu warten, die Entscheidung nicht zu überstürzen und demnächst eine Lösung Zu akzeptieren, welche die nationale Einigung Italiens mit der Würde und der europäischen Stellung des Oberhauptes der Kirche vereinigt und versöhnt. – Ich glaube,« sagte er, »daß der König Viktor Emanuel, dessen Gewissen jedes scharfe Vorgehen gegen den Papst peinlich berührt, diesen Gedanken sehr zugänglich sein wird, es wird nur darauf ankommen, sie den politisch einflußreichen Persönlichkeiten in Florenz annehmbar Zu machen, und dazu,« fuhr er fort, »bitte ich Sie um Ihre Unterstützung, mein lieber Vetter, ich bitte Sie, nach Florenz zu gehen und allen Ihren persönlichen Einfluß und Ihre so wirkungsvolle Beredsamkeit aufzubieten, um meinen Ideen dort Eingang zu schaffen und von italienischer Seite die große Triple-Allianz vorzubereiten – in Österreich werde ich zugleich wirken lassen –, Graf Beust ist meinen Ideen, ich setze natürlich voraus,« fügte er in fragendem Tone hinzu, »daß auch Sie dieselben billigen –«
»Ich bewundere, wie schon so oft, Sire, sagte Graf Walewski, »den weiten Blick, mit welchem Eure Majestät die Interessen zu verbinden und die verworrensten Situationen in ihren bewegenden Ursachen zu durchschauen vermögen. Vor allem bin ich hoch erfreut, daß ich Eure Majestät bereit finde, wegen dieser untergeordneten Frage von Luxemburg Frankreich nicht in einen übereilten Krieg zu stürzen, und den Papst nicht preiszugeben. Ich hoffe sehnlichst, daß die großen Pläne, welche Eure Majestät für die Zukunft hegen, sich erfüllen mögen, und was ich dazu beitragen kann, soll mit Aufbietung alles Eifers und aller Kräfte geschehen. Mit Freuden und in voller Überzeugung nehme ich die Mission an, welche Eure Majestät mir zu übertragen so gnädig sind.«
»Ich danke Ihnen,« sagte der Kaiser, dem Grafen die Hand drückend, »Sie werden bei Ratazzi eine kräftige Unterstützung finden, wenn ich ihm meine Ideen auch nicht in allen Details entwickelt habe, so weiß ich doch, daß er in diesem Sinne disponiert ist.«
»Trauen Eure Majestät Ratazzi?« fragte der Graf Walewski.
»Ich glaube es politisch zu können,« sagte der Kaiser, »er will die Macht behalten und ist klug genug, um einzusehen, daß dies nur möglich ist, wenn er die Grundlagen eines festen Gebäudes für die Zukunft legt, die revolutionäre Aktionspartei, die ohnehin sehr schwach in Italien geworden ist, seit Mazzini sich von ihr gewendet, kann ihn nicht stützen, und in der Allianz mit Frankreich und Italien, in der Ausführung meiner Ideen wird er sich eine große Rolle und einen großen Namen schaffen durch die Vollendung des Werkes von Cavour. Übrigens,« fügte er lächelnd, »ist er – sonderbar genug – sehr abhängig von dem Einfluß seiner Frau – und sie wird für uns arbeiten, – ich habe sie gesehen und ihr eine Aussöhnung in der Ferne gezeigt, welche ihrem Ehrgeiz als höchstes Ziel vorschwebt.«
»Nun,« sagte der Graf, »immerhin wird er zunächst nützlich sein; was mich betrifft, fügte er lächelnd hinzu, »so habe ich immer gefunden, daß für Ratazzi – ebenso wie für Madame Ratazzi, jenes italienische Sprichwort gemacht scheint:
›Con arte e con inganno
Si vivi mezzo l'anno
Con inganno e con arte
Si vive l'altra parte‹«
Der Kaiser lachte. »Um so besser,« sagte er, »wenn Sie ihm nicht trauen, Sie werden um so weniger überlistet werden. – Doch noch eins,« fuhr er fort, »wenn Sie das Terrain günstig finden, der Kronprinz Humbert sucht eine Frau, das Haus Savoyen ist ja mit den Habsburgern verwandt, gegen das Blut kann man keine Einwendungen erheben, es wäre ein vortrefflicher Gedanke, die neue Allianz durch eine Familienverbindung zu besiegeln, ich habe daran gedacht, eine solche Verbindung würde sowohl in Florenz wie in Wien von großer Wirkung sein.«
»Aber,« sagte der Graf, »welche Prinzessin?«
»Die Erzherzogin Mathilde,« sagte der Kaiser, »die Tochter des Erzherzogs Albrecht paßt im Alter vollkommen für den Prinzen Humbert, es soll eine sehr schöne und liebenswürdige Prinzessin sein.«
»Die Tochter des Erzherzogs Albrecht!?« rief der Graf, »die Tochter des Siegers von Custozza, des stolzesten dieses stolzen Hauses, glauben Eure Majestät –«
»Ist doch die Gemahlin des Kaisers Ferdinand eine Prinzessin von Savoyen,« sagte Napoleon, »doch was Österreich betrifft, so lassen Sie mich dort handeln, suchen Sie die Sache in Florenz anzubahnen, ich lege großen Wert