Die wichtigsten Werke von Oskar Meding. Oskar Meding

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Die wichtigsten Werke von Oskar Meding - Oskar  Meding


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die Gnade gehabt haben, mich in Ihre Pläne für die Zukunft einzuweihen, und da ich diese Pläne mit voller Überzeugung erfasse, so kann ich nicht unterlassen, Eurer Majestät meine Bedenken über einen Punkt auszusprechen, der ohne Zweifel Ihrer Aufmerksamkeit nicht entgangen ist,« sagte er sich verneigend, »ich meine die drohende und gefährliche Stellung, welche Rußland in seiner sichtlich hervortretenden engen Verbindung mit Preußen einnimmt. – Wenn die Allianz geschlossen wird, welche Eure Majestät beabsichtigen, so wirb die Bedeutung Österreichs in derselben und sein Anteil an der Aktion sehr wesentlich gehemmt werden durch jene geheimnisvoll sich konzentrierende nordische Macht, welche mit dem ganzen Gewicht ihrer gesammelten Kraft auf Österreich herabdrücken wird.«

      Der Kaiser erhob das Haupt. Sein Auge öffnete sich weit und aus seiner aufleuchtenden Pupille strahlte ein eigentümlich ausdrucksvoller Blick auf den Grafen.

      »Ich wäre ein schlechter Spieler,« sagte er leise, »wenn ich daran nicht gedacht hätte, aber ich habe auch jene furchtbare Waffe nicht vergessen, welche, richtig benutzt, die russische Macht ins Herz trifft und zugleich ihre Spitze gegen Preußen kehrt, jene Waffe, welche bis jetzt niemals in vollem Ernste gebraucht ist, »welche selbst der große Kaiser nur zögernd und halb gebrauchte, welche aber dennoch Rußland so tiefe Wunden schlug, wenn sie von den Mächten ernstlich in die Hand genommen, von Österreich insbesondere, welches das Heft dieses zweischneidigen Schwertes hält, von Österreich, welches die historische Pflicht, ein Unrecht gut zu machen, welches Maria Theresia nur wider Willen beging –«

      Der Graf sprang auf.

      »Polen!« rief er mit bebenden Lippen und flammenden Augen, »Eure Majestät denkt an Polen?«

      »Und warum nicht,« sagte der Kaiser, lächelnd auf den Grafen blickend, der die gewöhnliche vornehme, fast phlegmatische Ruhe seiner Haltung verloren hatte und in zitternder Erregung vor ihm stand, »warum nicht, mein Vetter? Schon die letzten der Valois hatten die hohe Bedeutung eines eng mit Frankreich verbundenen Polens erkannt, der unerstickbare Klageruf dieser edlen Nation hat später stets das Herz Frankreichs erzittern lassen, die französische Politik ist aber stets nur mit unsicheren und schwankenden Schritten diesem sympathischen Instinkt gefolgt – und es war vielleicht einer der verhängnisvollsten Fehler des großen Kaisers, daß er jenes Wort nicht aussprach, welches Poniatowski von ihm erbat, – jenes Wort: Que la Pologne existe! Es war die Rücksicht auf Österreich, welches ihn daran verhinderte, auf Österreich, dessen falsche Politik seine Stützen suchte in widerwillig festgehaltenen fremden Elementen, statt seine eigenen Kräfte zu ordnen und zu freier Ausdehnung zu bringen; nun,« fuhr er fort, »wenn Österreich von diesem Fehler zurückkommt, nachdem es sich von dem Krebsschaden seiner italienischen Besitzungen befreit hat, wenn es sich zu dem großen Entschluß erheben kann, dem wiedergeborenen Polen Galizien als Patengeschenk zu geben, dann,« – er blickte wie träumend vor sich hin und seine Stimme sank zu einem leisen Tone hinab, »dann könnte vielleicht jenes belebende Wort, das der Kaiser auf der Höhe seiner Weltmacht auszusprechen zögerte, als ein Vermächtnis des Märtyrers von St. Helena aus dem Dome der Invaliden hervortönen, und wenn es ertönte,« fuhr er mit lauterer Stimme fort, den Blick fest auf den Grafen gerichtet, »ausgesprochen von Frankreich, Österreich und Italien, wo bliebe dann die drohende Macht Rußlands? – Sie würde vor diesem Flammenworte zerschmelzen, wie die Eisblöcke vor dem Strahl der Sonne.«

      »Sire,« rief der Graf in tiefer Erregung, indem er beide Hände auf seine Brust legte, »ich beuge mich bewundernd vor Eurer Majestät und ich danke Ihnen innig, daß Sie die Gnade haben, mir diesen Blick in das weite Reich Ihrer großen Idee zu erschließen.«

      Der Kaiser lächelte und sprach, immer vor sich hinblickend, als folge er weiter den Bildern, die sich vor seinem inneren Auge entrollten:

      »Ich kann nur langsam Stein auf Stein fügen zur Aufrichtung des großen Gebäudes, welches das kaiserliche Frankreich zu bauen berufen ist, aber es wird auch der Augenblick seiner Krönung kommen, wenn Frankreichs Fahne hoch auf der Zinne der europäischen Zivilisation weht, wenn auf dem Stuhle Petri ein Sohn Frankreichs die katholische Christenheit beherrscht.«

      »Der Abbé Lucian!« rief der Graf, die Hand an die Stirn legend.

      »Sollte dann nicht,« fuhr der Kaiser fort, indem er aufstand und nahe zu dem Grafen hintrat, »sollte dann nicht das als mächtiges Bollwerk gegen die asiatische Barbarei wiedererstandene Polen mit Stolz seine Krone auf einem Haupte sehen, von dessen Stirn der Abglanz des großen Kaisers leuchtet –«

      »Zu viel, Sire, zu viel,« rief der Graf, den Kopf auf die Brust senkend, »mein Auge wird geblendet durch den Horizont von Licht, den Eure Majestät in immer weiteren Kreisen vor mir öffnen, und ich habe doch die Schärfe des Blickes nötig, um meinen Teil der Arbeit an Eurer Majestät gigantischem Werke auszuführen!«

      Der Kaiser legte ihm die Hand auf die Schulter und sagte mit freundlichem und ruhigem Lächeln:

      »Ich sehe, wir verstehen uns vollkommen, und Sie werden im Sinne meiner Gedanken wirken, als ob ich selbst dort wäre, es versteht sich von selbst,« fügte er hinzu, »daß die letzten dieser Gedanken unser Geheimnis bleiben, ein Familiengeheimnis.«

      »Sire,« rief der Graf, »es gibt Dinge, welche zu groß für die Sprache sind, sie müssen geschehen wie die großen Naturerscheinungen, die Schranke des Wortes saht sie nicht ein. So sind die Gedanken Eurer Majestät, sie werden meinen Geist erleuchten und mein Herz erwärmen, aber sie werden niemals auf meine Lippen treten. – Doch nun,« fuhr er fort, »erlauben mir Eure Majestät, die Vorbereitungen zu meiner Abreise zu treffen; jede verlorene Minute tut mir weh.«

      »Gehen Sie, mein lieber Vetter,« sagte der Kaiser, »ich werde Ihnen eine Instruktion senden, welche das enthalten wird,« sagte er lächelnd, »was sich in Worte kleiden läßt. – Sie wird zugleich die Grenze bezeichnen, bis zu welcher Ihre Mission Moustier und Malaret bekannt ist. Die Welt mag glauben, daß Sie sich von den Aufregungen und Widerwärtigkeiten der Politik im Anblick bei schönen Kunstwerke von Florenz erholen wollen.«

      Er drückte dem Grafen herzlich die Hand und geleitete ihn bis zur Tür des Kabinetts.

      »Er wird reüssieren,« sagte er, ihm nachblickend, »denn er wird mit Überzeugung und Begeisterung arbeiten.«

      Sinnend machte er mehrere Gänge durch das Zimmer.

      »Ich muß mich an die Spitze einer geschlossenen Koalition stellen,« sagte er, »um den Einfluß wieder zu gewinnen, der mir entschlüpft, um handeln zu können, ohne meine Dynastie aufs Spiel zu setzen, dann,« fuhr er fort, sich aufrichtend und den Schnurrbart aufwärts drehend, »dann wird man vielleicht in Berlin mehr Eifer zeigen, die Hand zu ergreifen, die man jetzt zurückstößt. Denn,« er versank in tiefes Nachdenken, »denn – diese Gedanken alle sind sehr schön, sehr groß, aber kann ich sie ausführen?« Ein schmerzliches Zucken flog über sein Gesicht.

      »Meine Kraft ist gebunden,« sagte er düster, »durch diese Krankheit, deren Schmerzen ich verbergen muß, der Wille und der Entschluß bricht unter dem schmerzlichen Beben der Nerven, unter der erschöpften Abspannung der Muskelfasern, o wieviel lieber möchte ich mich verständigen zu ruhigem und sicherem Bündnis mit diesem aufstrebenden Deutschland, in welchem die nationale Jugendkraft wohnt, als mit dem zerfallenden Österreich eine glänzende Zukunftsidee verfolgen, die vielleicht eine trügerische Fata Morgana ist! O daß das Schicksal und mein glücklicher Stern mich leiten wollte in zwingend unwiderstehlicher Führung und mir die Qual des eigenen Entschlusses ersparen,« rief er tief aufseufzend, »ich habe das Heimweh nach Ruhe.«

      Er lieh sich auf seinen Lehnstuhl sinken, sein Kopf fiel auf die Brust herab und in matter Abspannung saß er da, die Augen geschlossen, das Gesicht schmerzlich verzogen, die Hände schlaff herabhängend, der gefürchtete Imperator, dessen Wink die Armeen und Flotten Frankreichs bewegte und dessen doppelsinnig geheimnisvolle Worte wie Orakelsprüche das lauschende Europa durchflogen.

      Der Kammerdiener trat ein.

      »Der Herzog von Gramont steht zu Eurer Majestät Befehl.«

      Der Kaiser fuhr zusammen.

      Mit gewaltsamer Anstrengung erhob er das Haupt und


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