Die wichtigsten Werke von Oskar Meding. Oskar Meding
Читать онлайн книгу.sagte Marie Dumas mit leuchtendem Blick, »aber,« fuhr sie dann abbrechend mit lebhaftem Tun, ihre Hand auf die des Herzogs legend, fort, »aber, mein lieber Herzog, nicht wahr, Sie bringen uns einen schönen, guten Krieg mit, die Rache für den Schlag, unter dem Österreich – mein liebes Österreich im vorigen Jahre zusammengebrochen ist?«
Der Herzog wurde ernst. Nach einem kurzen Schweigen hob er den Blick zu dem bewegten Gesicht der Dame empor und sagte mit einem halben Lächeln:
»Sie, meine schöne Freundin, eine Dame, eine Frau aus der Welt der Dichtung und Kunst, wünschen den Krieg?«
»Gewiß wünsche ich ihn,« rief Madame Marie Dumas lebhaft, »und zwar so schnell als möglich und so kräftig als möglich. – Soll Frankreich länger ruhig mit ansehen, daß dies Preußen, dem ich einen guten und tüchtigen Haß geschworen habe, ganz Deutschland in seine Regimenter einreiht und Österreich, das Land der Poesie – der Religion – der historischen Erinnerung, hinausdrängt, um es in den Sümpfen der Moldau und Walachei zu ertränken? – Wir haben viel verbrochen an Österreich,« fuhr sie schnell und erregt sprechend fort, »wir haben es aus Italien hinausgeworfen, mag das sein,« sagte sie achselzuckend, »mag dafür ein politischer Grund gewesen sein, obgleich wir noch sonderbare Beweise von Italiens Dankbarkeit erhalten werden, wir haben den edlen, ritterlichen, herrlichen Maximilian in jene mexikanische Räuberwüste gelockt, in der sie ihn vielleicht morden werden,« rief sie schmerzlich, indem eine Träne ihr Auge erfüllte, »wir haben Sadowa mit untergeschlagenen Armen angesehen, sollen wir denn jetzt, wo die Gelegenheit sich darbietet, nicht endlich ihm die Hand reichen, um es wieder zu erheben – und um uns einen Alliierten zu schaffen, den einzigen, den wir haben können? – Sie wissen, Herzog,« sagte sie, leicht mit dem Taschentuch die feuchtgewordenen Augen trocknend, »daß ich für Herrn Napoleon niemals große Liebe empfunden habe, und für Madame Napoleon noch weniger –«
Der Herzog lachte.
»Aber, meine teure Freundin,« rief er, die Hand erhebend, »Sie sprechen zu einem Ambassadeur des Kaisers!«
»Was frage ich danach,« sagte sie, mit den Fingern schnippend, »ich habe wohl das Recht, zu sagen, was ich will, bin ich ein Diplomat – ich?« –
Der Herzog lachte noch mehr.
»Ich liebe also Ihren erhabenen Kaiser nicht,« fuhr sie fort, sich lächelnd gegen der Herzog verneigend, »ja, ich gestehe, daß ich ihn recht von Herzen verwünscht habe wegen seiner törichten und treulosen Expedition nach Mexiko, wegen seines unwürdigen Komparsenspiels auf der Bühne des Herrn von Bismarck, aber,« sagte sie, sich etwas zurücklehnend und das glänzende Auge fest auf den Herzog richtend, »ich bin bereit, ihm zu vergeben, ich will für ihn arbeiten, da wir ja am Ende doch nichts an seine Stelle zu setzen haben, wenn er dem maßlosen Ehrgeiz dieses unersättlichen Preußens ein Ziel setzt, wenn er Österreich wieder aufrichtet, wenn er an Franz Joseph gutmacht, was er an Maximilian verbrochen hat. – Apropos,« rief sie nach einem Augenblick, »was glaubt man in Wien, wird dieser arme Maximilian wenigstens sein edles Leben aus diesem blutigen Schlamm retten, in den er immer tiefer und tiefer versinkt?«
»Man ist sehr besorgt um ihn,« sagte der Herzog, »man hat versucht, ihn zur Rückkehr zu bewegen, er will durchaus den Kampf bis zu Ende führen, übrigens ist auch die Rückkehr für ihn schmerzlich und schwer, er hat auf alle seine Rechte als österreichischer Erzherzog verzichtet, sein Vermögen verloren –«
»Während alle anderen aus dieser Expedition Gold geschöpft haben!« rief Marie Dumas, »Gott schütze den armen, unglücklichen, edlen Fürsten,« fügte sie hinzu, die Hände faltend und den ausdrucksvollen Blick nach oben richtend. – »Aber nicht wahr, Sie weiden uns den Krieg machen?« rief sie dann, »Österreich –«
»Österreich ist sehr schwach,« sagte der Herzog achselzuckend, »was sagt denn aber hier die öffentliche Meinung?« fragte er, »das ist doch von großer Wichtigkeit für die Entschlüsse des Kaisers.«
»Die öffentliche Meinung?« rief Madame Marie Dumas, indem sie den Kopf zurückwarf, »was ist die öffentliche Meinung? Wir haben zunächst zwei öffentliche Meinungen, das ist diejenige, welche man druckt und in den Zeitungen liest, und dann diejenige, welche man wirklich im Herzen trägt, welche die ernsthaften und ehrenwerten Franzosen hegen und aussprechen in den Salons, in den privaten Konversationen, diese letztere ist für den Krieg – nicht für den Krieg quand même, aber man ist überzeugt, daß weder das Kaiserreich, noch Frankreichs Stellung in Europa auf die Dauer auf diese Weise erhalten werden können. Entweder muß man mit Preußen sich verständigen, um zu erhalten, was uns gebührt, oder man muß dieses neue Deutschland wieder zerschlagen und die Föderation unter Österreich wiederherstellen. So sprechen,« fuhr sie fort, »alle vernünftigen Personen, und sie wünschen vor allem irgendeinen festen und klaren Entschluß, statt dieses ewigen Schwedens in einem bewaffneten Frieden, welcher tausendmal schlimmer ist als der Krieg.«
Der Herzog hörte aufmerksam zu.
»Diejenige öffentliche Meinung aber,« fuhr Madame Dumas fort, »welche in den Journalen erscheint, teilt sich in zwei Kategorien: die dem Kaiserreich und dem Kaiser ergebenen und die demselben feindlichen Blätter; die ersten wagen aus lauter diplomatischen Rücksichten nicht vom Krieg zu sprechen, aus Furcht, daß man der Regierung die Störung des Friedens vorwerfen möchte, und die anderen – nun sie predigen den Frieden, weil sie überzeugt sind, daß, je mehr das Prestige Frankreichs unter dem Kaiser sinkt, je weniger die Armee ins Feld geführt wirb, und je mehr sie dagegen, den zersetzenden Wühlereien im Innern ausgesetzt, sich vom Kaiser und der kaiserlichen Tradition loslöst, bah nur desto schneller der Moment kommen wirb, in welchem man – Seine Majestät Napoleon III. einladen wird – zu gehen, woher er gekommen. – Sie sehen also, mein lieber Herzog,« rief sie lachend, »wenn Sie Ihren sehr erhabenen und sehr gnädigen Souverän auf seinem Thron erhalten wollen, so müssen Sie uns schnell für einen guten Krieg sorgen.«
Der Herzog saß tief nachdenkend.
»Apropos,« rief Madame Marie Dumas, »Sie haben ja in Wien den König von Hannover, diesen armen Fürsten, für den ich so viel Sympathie habe, mein Vater schreibt einen Roman über dieses unglückliche Jahr 1866, darin soll auch der König von Hannover eine Rolle spielen; wie ist er, wie trägt er sein trauriges Schicksal?«
»Sehr würdig und mutig,« sagte der Herzog, augenscheinlich etwas präokkupiert, »der König ist eine sympathische Erscheinung, wenn Sie nach Wien kommen, müssen Sie ihn kennen lernen.«
»Ich werde kommen!« rief sie lebhaft, »aber der König hat einen Vertreter hierher geschickt, wie man mir sagt, ich möchte –«
»Ich bin mit ihm von Wien hierher gereist,« sagte der Herzog, »er ist hier – er wird noch nicht installiert sein –«
Der Kammerdiener trat ein und brachte eine Karte auf einer silbernen Platte.
Der Herzog lächelte.
»Sie sollen sogleich die Bekanntschaft Ihres Hannoveraners machen,« sagte er, »und zu dem Kammerdiener gewendet fügte er hinzu: »Lassen Sie den Herrn eintreten.«
Er stand auf und trat einem mittelgroßen, blonden Mann mit leicht gebogenem Schnurrbart im schwarzen Morgenanzug, mit der weih und gelben Schleife der Medaille von Langensalza im Knopfloch, entgegen, welcher in der Tür erschien.
»Ich freue mich, Sie in Paris wiederzusehen,« sagte der Herzog, dem Regierungsrat Meding, dem vertrauten Diener des Königs Georg von Hannover, die Hand reichend, »haben Sie sich von den Strapazen der Reise erholt?«
»Ich danke, Herr Herzog,« erwiderte Herr Meding, »ich bin vorläufig noch im Hotel und überladen durch eine Flut von Besuchen und Besorgungen, indes habe ich jetzt etwas Atem geschöpft und komme, mich nach Ihrem Befinden Zu erkundigen.«
»Erlauben Sie mir vor allem,« sagte der Herzog, »Sie mit einer warmen Freundin Ihrer Sache bekannt zu machen« – er wandte sich zu der Dame, welche den Blick ihrer großen Augen forschend auf den Geschäftsträger des Königs von Hannover richtete, »Madame Marie Dumas, die Tochter unseres großen Romandichters,« fügte er, »welche ganz besondere Sympathie für Ihren König hegt, Herr Meding