Gesammelte Werke. Henrik Ibsen
Читать онлайн книгу.in der Not, wie wir die Euren sind.« – Beachtet wohl, Frau Inger, daß dieser Edelmut eigentlich nicht so groß ist, wie es vielleicht scheinen mag. Denn Ihr werdet selbst einsehen, daß wir dadurch nicht nur nicht geschwächt werden, sondern im Gegenteil dabei gewinnen. – Und da ich nun offenherzig mit Euch gesprochen habe, so laßt auch Ihr jedes Mißtrauen fahren. Also – Bestimmt: Der Rittersmann aus Schweden, der eine Stunde vor mir hier eingetroffen ist –
Inger. Ihr wißt es also schon?
Nils Lykke. Allerdings –. Ihn such' ich ja.
Inger für sich. Seltsam! Also doch, wie Olaf Skaktavl sagte! Zu Nils Lykke: Ich bitt' Euch, hier zu warten, Herr Reichsrat! Ich gehe, ihn Euch zuzuführen.
Ab durch den Rittersaal.
Nils Lykke blickt ihr eine Weile mit höhnischem Erstaunen nach. Sie holt ihn! Ja, wahrhaftig – sie holt ihn! Der Kampf ist halb gewonnen. Daß es so leicht gehen würde, hätt' ich mir nicht gedacht. – Sie ist im Einverständnis mit den Unruhstiftern – durchaus. Sie fuhr zusammen vor Schreck, als ich den Sohn Sten Stures nannte. – Was nun? – Hm! Ist Frau Inger leichtgläubig in die Falle gegangen, so wird Nils Sture nicht viel Schwierigkeiten machen. Ein junges Blut ohne alle Besonnenheit und Überlegung– –. Mit meinem Versprechen, ihm beizustehen, zieht er von dannen. Unglücklicherweise fängt ihn Jens Bjelke am Wege ab, – und der ganze Anschlag ist vereitelt. – Und dann? – Noch einen Schritt weiter, uns selbst zum Frommen. Man sprengt aus, daß der junge Graf Sture auf Oestrot gewesen ist, daß ein dänischer Gesandter eine Zusammenkunft mit Frau Inger gehabt hat, daß infolge hiervon Junker Nils keine hundert Schritte vom Schlosse durch König Gustavs Kriegsknechte abgefangen wurde. – – Frau Gyldenlöves Ansehen beim Volke mag noch so groß sein, – gegen einen solchen Stoß wird es sich schwer behaupten können. – Fährt plötzlich unruhig auf. Alle Wetter –! Wenn Frau Inger Unrat gewittert hätte! Vielleicht entschlüpft er uns in diesem Augenblick unter den Händen. Beruhigt, indem er nach dem Saal hin lauscht. Ach, es hat keine Not. Da kommen sie. Inger kommt aus dem Saal, von Olaf Skaktavl begleitet.
Inger zu Nils Lykke. Hier bring' ich, den Ihr erwartet.
Nils Lykke leise. Tod und Teufel. – Was soll das heißen?
Inger. Ich habe diesem Rittersmann Euren Namen gesagt und was Ihr mir mitgeteilt habt –
Nils Lykke unschlüssig. So? Ja so? Nun, ja –
Inger. – und ich will Euch nicht verhehlen, daß sein Vertrauen auf Euern Beistand nicht gerade groß ist.
Nils Lykke. Nicht?
Inger. Kann Euch das wundern? Ihr kennt ja doch seine Gesinnung und sein schweres Schicksal.
Nils Lykke. Dieses Mannes –? – Nun ja, – gewiß –
Olaf zu Nils Lykke. Nachdem aber der Kanzler Peter selbst uns zu dieser Zusammenkunft geladen hat –
Nils Lykke. Der Kanzler – ? Er faßt sich schnell. Ja, freilich! Ich habe eine Botschaft vom Kanzler –
Olaf. Und er muß ja am besten wissen, wem er trauen darf. Ich will mir deshalb nicht den Kopf zerbrechen mit Grübeleien, wieso –
Nils Lykke. Nein, so ist's recht, lieber Herr; nur das nicht!
Olaf. Lieber gleich zur Sache –
Nils Lykke. Gleich zur Sache, ohne Umschweife; – das ist stets meine Art.
Olaf. Und wollt Ihr mir jetzt Euern Auftrag nennen ?
Nils Lykke. Meinen Auftrag könnt Ihr so ungefähr erraten –
Olaf. Der Kanzler sprach von Papieren, die –
Nils Lykke. Von Papieren? Ganz recht, von Papieren!
Olaf. Ihr habt sie wohl bei Euch?
Nils Lykke. Natürlich; gut verwahrt, fast zu gut, um sie so schnell – Er greift in sein Wams, als ob er etwas suche, und sagt leise: Wer zum Teufel mag das sein? Was beginn' ich nur ? Hier sind vielleicht große Entdeckungen zu machen – Er bemerkt, daß die Diener den Tisch im Rittersaale decken und die Lampen anzünden, und sagt zu Olaf: Ah, ich sehe, Frau Inger läßt das Nachtmahl anrichten. Bei Tische könnten wir wohl besser von unseren Angelegenheiten sprechen.
Olaf. Gut, – wie es Euch gefällt.
Nils Lykke leise: Zeit gewonnen, – Spiel gewonnen. Mit großer Liebenswürdigkeit zu Inger: Und mittlerweile werden wir erfahren, auf welche Weise sich Frau Inger an dieser Sache zu beteiligen gedenkt.
Inger. Ich? – Gar nicht.
Olaf und Nils Lykke. Gar nicht?
Inger. Ihr wundert Euch, edle Herren, daß ich mich von einem Spiele fern halte, bei dem alles zu verlieren ist? Um so mehr, als nicht einmal meine Bundesgenossen mir ganz zu trauen wagen.
Nils Lykke. Dieser Vorwurf trifft mich nicht. Ich vertrau' Euch blindlings, des seid bitte versichert.
Olaf. Wer dürfte auf Euch bauen, wenn nicht Eure Landsleute?
Inger. Wahrhaftig – dieses Vertrauen freut mich. Sie geht nach einem Schrank im Hintergrund und füllt zwei Becher mit Wein.
Nils Lykke leise. Verdammt! Wenn sie sich aus der Schlinge zöge!
Inger reicht jedem einen Becher.> Und weil dem so ist, so biet' ich mit einem Becher Euch Willkomm auf Oestrot. Trinkt, edle Ritter, bis auf die Neige! Sie betrachtet sie abwechselnd und sagt, nachdem sie getrunken haben, ernst: Und nun sollt Ihr wissen: der eine Becher enthielt den Willkommgruß für meinen Freund, der andre – den Tod für meinen Feind!
Nils Lykke schleudert den Becher fort. Weh mir! Ich bin vergiftet!
Olaf zu gleicher Zeit, indem er nach dem Schwert greift. Tod und Teufel! Habt Ihr mich gemordet?
Inger lachend zu Olaf, indem sie auf Nils Lykke zeigt. Das ist das Vertrauen der Dänen zu Inger Gyldenlöve – zu Nils Lykke, indem sie auf Olaf deutet: und so bauen meine Landsleute auf mich! Zu beiden: Und dabei sollte ich mich in Eure Gewalt begeben! – Sachte, edle Herren, – sachte! Die Frau von Oestrot hat noch ihren vollen Verstand.
Eline kommt durch die Tür links. Welch lauter Lärm –. Was ist los?
Inger zu Nils Lykke. Meine Tochter Eline.
Nils Lykke leise. Eline! So hatt' ich sie mir nicht vorgestellt. Eline bemerkt Nils Lykke und bleibt überrascht stehen, während sie ihn betrachtet.
Inger berührt Elinens Arm. Mein Kind, – dieser Ritter ist –
Eline macht eine abwehrende Bewegung mit der Hand, indem sie ihn unverwandt betrachtet, und sagt: Bemüht Euch nicht! Ich sehe, wie er heißt. Es ist Nils Lykke.
Nils Lykke leise zu Inger. Wie? Sie kennt mich? Sollte Lucia –? Sollte sie wissen –?
Inger. Still! Sie weiß nichts!
Eline für sich. Ich wußt' es; – so mußte Nils Lykke aussehen.
Nils Lykke nähert sich. Nun wohl, Eline Gyldenlöve, – Ihr habt richtig geraten. Und da ich Euch denn hiemit bekannt und überdies der Gast Eurer Mutter bin, – so werdet Ihr mir die Blumen nicht versagen, die Ihr an Eurem Busen tragt. Solange sie frisch sind und duften, will ich in ihnen ein Abbild Eurer selbst verehren.
Eline stolz, doch noch immer unverwandt den Blick auf ihn heftend. Mit Verlaub, Herr Ritter, – sie sind in meiner eignen Kammer gepflückt; und da wachsen keine Blumen für Euch.
Nils Lykke, indem er einen Strauß nimmt, den er selbst am Wams stecken hat. Ah, – so werdet Ihr aber doch diese geringe Gabe nicht verschmähen. Eine Frau vom Hofe reichte sie mir zum Abschied, als ich heut morgen von Drontheim zog. – Bedenket, edles Fräulein; wollt' ich Euch eine Gabe bieten, die Eurer ganz würdig wäre, so müßt'