Gesammelte Werke. Henrik Ibsen

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Gesammelte Werke - Henrik Ibsen


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Lykke. Mir? Nun denn, wo ist er?

      Nils Stenssön zeigt nach oben.

      Nils Lykke. Da oben? Frau Inger hält ihn auf dem Boden verborgen?

      Nils Stenssön. Was fällt Euch ein! Ihr mißversteht mich. Er sieht sich vorsichtig um. Nils Sture ist im Himmel.

      Nils Lykke. Gestorben! – Wo?

      Nils Stenssön. Auf seiner Mutter Schloß, – schon vor drei Wochen.

      Nils Lykke. Ah, Ihr belügt mich. Vor fünf oder sechs Tagen zog er über die Grenze nach Norwegen.

      Nils Stenssön. O, das bin ich gewesen!

      Nils Lykke. Aber wenige Tage zuvor hatte der Graf sich in Dalekarlien gezeigt. Das Volk, das schon längst unruhig war, brach in offne Empörung aus und wollte ihn zum König machen.

      Nils Stenssön. Hahaha! Das war ja ich!

      Nils Lykke. Ihr?

      Nils Stenssön. Ihr sollt jetzt hören, wie das zuging. Eines Tages rief der Kanzler mich zu sich und ließ verlauten, daß große Begebenheiten sich vorbereiteten. Er hieß mich ins norwegische Land nach Oestrot gehen, wo ich zu einer bestimmten Zeit eintreffen sollte –

      Nils Lykke nickt. Den dritten Abend nach Martini.

      Nils Stenssön. Da würd' ich einen Fremden finden –

      Nils Lykke. Richtig; das bin ich.

      Nils Stenssön. Von ihm würd' ich erfahren, was ich weiter zu tun hätte. Ich sollte ferner ihm melden, daß Graf Sture plötzlich gestorben ist, daß aber außer seiner Mutter, der Gräfin, dem Kanzler und einigen alten Hausleuten der Stures noch keiner darum wisse.

      Nils Lykke. Ich verstehe. Graf Sture war das Haupt der Bauern. Würde sein Tod ruchbar, so gingen sie auseinander – und aus der ganzen Sache würde nichts.

      Nils Stenssön. Kann wohl sein. Ich bin in diese Dinge nicht so eingeweiht.

      Nils Lykke. Aber wie konntet Ihr darauf verfallen, Euch für den Grafen auszugeben?

      Nils Stenssön. Wie ich darauf verfallen konnte? Ja, weiß ich es selbst? Ich bin in meinem Leben schon auf mehr Dummheiten verfallen. Es war übrigens gar nicht meine Erfindung; denn wohin ich auch kam in Dalekarlien, da rotteten sich die Leute zusammen und grüßten mich als den Grafen Sture. Da half keine Widerrede. Der Graf wäre erst vor zwei Jahren dagewesen, erzählten sie, und das kleinste Kind erkennte mich wieder. Na, in Gottes Namen! dachte ich. Ein Graf wirst du doch in deinem Leben nie wieder; du kannst ja mal versuchen, wie das tut.

      Nils Lykke. Nun – und was tatet Ihr dann weiter?

      Nils Stenssön. Ich? Ich aß und trank und ließ mir's wohl sein. Es war nur schade, daß ich so bald wieder fort mußte. Und als ich über die Grenze zog, – hahaha! – da gelobte ich ihnen, daß ich mit drei- oder viertausend Mann – oder wie viel es nun wären – wiederkommen würde, – und dann sollt' es gehörig losgehen.

      Nils Lykke. Und es ist Euch gar nicht eingefallen, wie unbesonnen Ihr handeltet?

      Nils Stenssön. Ja, nachher ist es mir eingefallen; aber da war's schon zu spät.

      Nils Lykke. Es tut mir leid um Euch, mein junger Freund; aber Ihr werdet bald die Folgen Eurer Torheit spüren. Ich kann Euch sagen, daß Ihr verfolgt werdet. Ein Troß schwedischer Reiter setzt Euch nach.

      Nils Stenssön. Mir nach? Hahaha! Nein, das ist herrlich! Und wenn sie kommen und glauben, Graf Sture endlich erwischt zu haben – hahaha!

      Nils Lykke ernst. – dann ist es um Euer Leben geschehen.

      Nils Stenssön. Um mein –? Ich bin doch nicht Graf Sture.

      Nils Lykke. Aber Ihr habt das Volk zu den Waffen gerufen. Ihr habt den Rebellen Zusagen gemacht und Unfrieden im Lande gestiftet.

      Nils Stenssön. Das war ja nur im Scherz.

      Nils Lykke. König Gustav wird die Sache in einem anderen Lichte sehen.

      Nils Stenssön. Ja, es ist wirklich etwas an dem, was Ihr da sagt. – Daß ich auch so dumm sein konnte! – – Je nun, wir werden uns schon wieder herauswinden! Ihr werdet Euch ja meiner annehmen und – die Reiter sind mir wohl auch noch nicht auf den Fersen.

      Nils Lykke. Aber was habt Ihr mir weiter zu sagen?

      Nils Stenssön. Ich? – Nichts; nur das Paket hab' ich Euch noch zu geben –

      Nils Lykke unbedacht. Das Paket?

      Nils Stenssön. Ja, freilich. Ihr wißt doch –

      Nils Lykke. Ach ja, richtig! Die Papiere vom Kanzler –

      Nils Stenssön. Seht, hier sind sie samt und sonders.

      Er überreicht Nils Lykke ein Paket, das er aus seinem Wams hervorgezogen hat.

      Nils Lykke leise. Briefe und Pergamente für Herrn Olaf Skaktavl. Zu Nils Stenssön: Ich sehe, das Paket ist offen. Ihr kennt also wohl den Inhalt?

      Nils Stenssön. Nein, Herr! Ich lese nicht gern Geschriebenes; das hat so seine Gründe.

      Nils Lykke. Verstehe. Ihr habt Euch zumeist aufs Waffenhandwerk gelegt. Er setzt sich an den Tisch und durchfliegt die Briefe. Aha, Aufklärungen, mehr als genug, um hinter das zu kommen, was vorgeht. – Dieser kleine Brief mit der Seidenschnur – Er untersucht die Aufschrift. Auch an Herrn Olaf Skaktavl. Öffnet den Brief und prüft flüchtig den Inhalt. Vom Kanzler. Ich konnte es mir denken. Liest murmelnd: »Ich bin hart bedrängt; denn –« ja, ganz richtig, hier steht es – »der junge Junker Sture ist zu seinen Vätern heimgegangen, gerade als der Aufruhr losbrechen wollte – aber noch ist nicht alles verloren« – – Was nun? Er stutzt und liest weiter: »Denn Ihr müßt wissen, Herr Olaf Skaktavl, der junge Mann, der Euch diesen Brief überbringt, ist ein Sohn von –« Himmel und Hölle! – steht das da? – Ja, bei Christi Blut, es steht da! Mit einem Blick auf Nils Stenssön. Er wäre – wäre wirklich – Er liest weiter: »Ich habe ihn von seinem ersten Jahr an erzogen; aber bis heute habe ich mich beharrlich geweigert, ihn zurückzugeben, weil ich glaubte, in ihm ein sicheres Unterpfand für Frau Ingers Treue gegen uns und unsre Freunde zu haben. Doch hat er uns in dieser Hinsicht nur wenig genützt. Ihr seid wohl erstaunt, daß ich Euch dies Geheimnis nie anvertraut habe, nicht einmal als Ihr letzthin bei mir wart. Ich will Euch ehrlich gestehen, ich fürchtete, Ihr würdet ihn für denselben Zweck wie ich in Anspruch nehmen. Nun aber, da Ihr mit Frau Inger zusammengetroffen seid und Euch wahrscheinlich überzeugt habt, wie ungern sie unsrer Sache beitritt, werdet auch Ihr es für das Klügste halten, ihr so schnell wie möglich zurückzugeben, was ihr gehört. Es wäre wohl möglich, daß Freude, Sicherheit und Dankbarkeit –« – »das ist unsre letzte Hoffnung.« Er sitzt eine Weile starr vor Erstaunen und sagt dann ungestüm vor sich hin: Ah, dieser Brief! Er ist Goldes wert!

      Nils Stenssön. Ich habe Euch wichtige Botschaft gebracht, wie es scheint. Ja, ja, – der Kanzler, heißt es, hat viele Eisen im Feuer.

      Nils Lykke für sich. Was fang' ich nun mit alledem an? Hundert Wege lassen sich einschlagen. Wenn ich –. Nein, das wäre zu unsicher. Aber wofern – hm, wofern ich –? Ja, das sei gewagt! Er reißt den Brief quer durch, ballt die Stücke zusammen und verbirgt sie in seinem Wams. Die übrigen Papiere legt er wieder in das Paket, steckt es in seinen Gürtel, erhebt sich und sagt: Ein Wort, mein junger Freund!

      Nils Stenssön nähert sich. Na, – das klingt fast, als stünde das Spiel gut.

      Nils Lykke. Ja, das will ich meinen! Ihr habt mir lauter gute Karten in die Hand gegeben, – Damen und Buben und –

      Nils Stenssön. Und ich, der Euch all diese guten Zeitungen gebracht hat, ich bin nun überflüssig?

      Nils Lykke. Ihr? Bewahre! Ihr gehört mit zum Spiele. Ihr seid König – und Trumpf obendrein.

      Nils Stenssön. Ich? Ach, ich begreife! Ihr denkt wohl an die Erhöhung –

      Nils Lykke. Erhöhung?

      Nils


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