Gesammelte Werke. Henrik Ibsen
Читать онлайн книгу.zertrümmert' ich sie mit diesen Händen und würfe sie Euch in Stücken vor die Füße! Sie wirft die Blumen ihm vor die Füße und geht ab in den Rittersaal.
Olaf murmelt vor sich hin. Keck, – wie Otto Römers Tochter an Knut Alfsons Bahre.
Inger leise, nachdem sie abwechselnd Eline und Nils Lykke betrachtet hat. Der Wolf kann gezähmt werden. Nun gilt's die Kette fertig zu schmieden.
Nils Lykke, der die Blumen aufnimmt und Eline entzückt nachsieht. Bei Christi Blut, – wie ist sie stolz und schön!
Dritter Akt
Der Rittersaal. Im Hintergrund ein hohes Bogenfenster; ein kleineres Fenster links im Vordergrund. Zu beiden Seiten mehrere Türen. Die Decke ruht auf starken freistehenden Holzpfeilern, die, gleich den Seitenwänden, mit Waffen aller Art behängt sind. Bilder von Heiligen, Rittern und Frauen hängen in langen Reihen. Unter der Decke ein großer vielarmiger Kronleuchter, der angezündet ist. Rechts im Vordergrund ein geschnitzter Hochsitz aus alter Zeit. Mitten im Saale steht ein gedeckter Tisch mit Resten von der Nachtmahlzeit.
Eline kommt langsam und gedankenvoll von links. Der Ausdruck ihres Gesichts verrät, daß sie in der Erinnerung die Szene mit Nils Lykke nochmals durchlebt. Zuletzt macht sie dieselbe Armbewegung wie in jenem Augenblicke, da sie den Strauß zu Boden warf; dann spricht sie mit lauter Stimme:
– und so sammelte er die Stümpfe von Dänemarks Königskrone – Blumen waren's – und – »bei Christi Blut! Wie ist sie stolz und schön!« Hätte er diese Worte geflüstert, geflüstert im heimlichsten Winkel, meilenweit von Oestrot – ich hätte sie dennoch vernommen! – Wie ich ihn hasse! Wie ich ihn immer gehaßt habe – diesen Nils Lykke! – Kein andrer Mann ist ihm gleich, sagen sie. Er spielt mit Frauen und – tritt sie mit Füßen. – – Und ihm wollte meine Mutter mich ausliefern! – Wie ich ihn hasse! – – Man sagt, Nils Lykke sei anders wie sonst die Männer. Das ist nicht wahr! Es ist nichts Besonderes an ihm; es gibt viele, viele wie er. Wenn Björn mir Märchen erzählte, da sahen alle Prinzen aus wie Nils Lykke. Wenn ich einsam hier im Saale saß und meine Sagen träumte, und wenn meine Ritter kamen und gingen – alle, alle sahen sie aus wie Nils Lykke. – – Wie wundersam und wie gut ist es, zu hassen! Noch nie hab' ich gewußt, wie köstlich es ist – bis zu dieser Stunde. Nein, nicht für tausend Lebensjahre würde ich die Augenblicke verkaufen, die ich gelebt habe, seit ich ihn sah! – – »Bei Christi Blut! Wie ist sie – –«
Sie geht langsam nach dem Hintergrund, öffnet das Fenster und sieht hinaus. Nils Lykke kommt herein durch die erste Tür rechts.
Nils Lykke für sich. »Schlaft wohl auf Oestrot, Herr Ritter«, sagte Inger Gyldenlöve, als sie ging. Schlaft wohl! Ja, das ist leicht gesagt, aber – –; da draußen Himmel und Meer in Aufruhr; tief unten in der Totengruft das junge Blut auf der Bahre; das Schicksal zweier Reiche in meiner Hand – und an meiner Brust ein verwelkter Blumenstrauß, den ein Weib mir vor die Füße geschleudert hat! Wahrlich, ich fürchte sehr, der Schlaf wird sich erst spät melden. Er bemerkt Eline, die das Fenster verläßt und nach links abgehen will. Da ist sie. Das stolze Auge scheint gedankenvoll. Ah, wenn ich es wagte – – Laut: Jungfer Eline!
Eline bleibt an der Tür stehen. Was wollt Ihr? Was verfolgt Ihr mich?
Nils Lykke. Ihr irrt. Ich verfolge Euch nicht. Ich werde selbst verfolgt.
Eline. Ihr?
Nils Lykke. Von mancherlei Gedanken. Und darum macht's der Schlaf wie Ihr; – er flieht mich.
Eline. Geht ans Fenster, da findet Ihr Zeitvertreib –. Ein Meer im Sturm –
Nils Lykke lächelnd. Ein Meer im Sturm? – Das finde ich auch wohl bei Euch.
Eline. Bei mir?
Nils Lykke. Unsere erste Begegnung hat mich dessen gewiß gemacht.
Eline. Und Ihr beschwert Euch darüber?
Nils Lykke. Keineswegs; aber ich wünschte doch, Euch milder gestimmt zu sehen.
Eline stolz. Glaubt Ihr, es wird Euch glücken?
Nils Lykke. Ich bin dessen sicher; denn ich bring' Euch willkommene Botschaft.
Eline. Und welche?
Nils Lykke. Mein Lebewohl.
Eline einen Schritt näher. Euer Lebewohl? Ihr verlaßt Oestrot – so bald?
Nils Lykke. Noch in dieser Nacht.
Eline scheint einen Augenblick uneinig mit sich selbst zu sein; dann sagt sie kalt: So nehmt meinen Gruß, Herr Ritter! Sie verbeugt sich und will gehen.
Nils Lykke. Eline Gyldenlöve, – ich habe kein Recht, Euch zurückzuhalten; aber es ist unedel, wenn Ihr Euch weigert zu hören, was ich zu sagen habe.
Eline. Ich höre Euch, Herr Ritter.
Nils Lykke. Ich weiß, Ihr haßt mich.
Eline. Euer Scharfblick hat nicht gelitten, wie ich merke.
Nils Lykke. Aber ich weiß auch, daß ich diesen Haß vollauf verdient habe. Unziemlich und kränkend waren die Worte, womit ich in meinem Briefe an Frau Inger Eurer Erwähnung getan habe.
Eline. Wohl möglich; ich habe sie nicht gelesen.
Nils Lykke. Aber der Inhalt ist Euch doch wenigstens nicht unbekannt? Ich weiß, Eure Mutter hat Euch nicht in Unklarheit darüber gelassen; sie hat Euch jedenfalls gesagt, daß ich den Mann glücklich pries, der –; ja, Ihr wißt, welche Hoffnung ich genährt habe –
Eline. Herr Ritter, – wünschtet Ihr mich deshalb zu sprechen, so –
Nils Lykke. Nur, um mein Unterfangen zu entschuldigen, wünschte ich Euch zu sprechen. Aus keinem anderen Grunde; das schwör' ich Euch. Ist, wie ich leider vermuten muß, mein Ruf zu Euch gedrungen, bevor ich mich selbst auf Oestrot vorgestellt habe, so müßt Ihr auch mein Leben hinreichend kennen, um Euch nicht darüber zu wundern, daß ich in solchen Dingen etwas dreist zu Werke ging. Ich bin vielen Frauen begegnet, Eline Gyldenlöve! Unbeugsam habe ich noch keine gefunden. Unter solchen Umständen, seht Ihr, wird man etwas bequem. Man kommt aus der Gewohnheit, Umschweife zu machen –
Eline. Möglich. Ich weiß nicht, aus welchem Stoff jene Frauen waren. – Übrigens täuscht Ihr Euch, wenn Ihr glaubt, jener Brief an meine Mutter habe mein Herz mit Haß und Bitterkeit gegen Euch erfüllt. Ich hatte ältere Gründe.
Nils Lykke unruhig. Ältere Gründe? Was wollt Ihr damit sagen?
Eline. Es ist, wie Ihr vermutet: Euer Ruf ist vor Euch her gegangen nach Oestrot, wie durchs ganze Land. Wird der Name Nils Lykke genannt, so geschieht es immer in Verbindung mit einem Weibe, das er betört und verstoßen hat. Einige nennen diesen Namen mit Gram, andre mit Hohngelächter und frechem Spott über jene schwachsinnigen Geschöpfe. Aber durch den Gram und das Hohngelächter und den Spott klingt die Weise von Euch, die dröhnende und empörende Weise gleich eines Feindes Siegessang. – Das alles zusammen hat meinen Haß gegen Euch erzeugt. Unaufhörlich standet Ihr vor meinen Gedanken, und ich wurde die Sehnsucht nicht los, Euch Aug' in Auge gegenüberzustehen, damit Ihr erfahret, daß es auch Frauen gibt, bei denen Eure glatten Reden verloren sind – wofern Ihr sie anzuwenden die Absicht habt.
Nils Lykke. Ihr richtet mich ungerecht, wenn Ihr mich nach dem richtet, was das Gerücht Euch gesagt hat. Möglich, daß Wahrheit in allem ist, was Ihr hörtet; – aber die Ursachen kennt Ihr nicht. – Als siebzehnjähriger Junker begann ich meine lustige Laufbahn. Volle fünfzehn Jahre sind seitdem vergangen. Leichte Weiber gewährten mir, was ich wünschte – oft eh' mein Wunsch noch Bitte ward; und was ich ihnen darbot, das ergriffen sie mit frohen Händen. Ihr seid das erste Weib, das ein Geschenk mir verächtlich vor die Füße warf. – Denkt nicht, daß ich mich beklage. Nein, im Gegenteil, – ich ehre Euch eben darum so hoch, wie ich noch nie ein Weib