Gesammelte Werke. Henrik Ibsen
Читать онлайн книгу.wenn er den Grafen Sture in meine Hand geben wollte –
Das Fenster im Hintergrund wird aufgestoßen. Nils Stenssön wird draußen sichtbar.
Nils Lykke greift nach dem Schwert. Was gibt's?
Nils Stenssön springt herunter auf den Fußboden. Na, endlich bin ich da!
Nils Lykke leise. Was soll das heißen?
Nils Stenssön. Gottes Frieden, Herr!
Nils Lykke. Dank, Herr! Übrigens habt Ihr Euch einen eigenartigen Eingang ausgesucht.
Nils Stenssön. Teufel auch, was sollt' ich anders tun? Das Tor war ja verschlossen. Hier im Hofe müssen die Leute einen Schlaf haben wie der Bär zu Weihnachten.
Nils Lykke. Gott sei Dank! Ein gutes Gewissen ist das beste Ruhekissen, wißt Ihr ja.
Nils Stenssön. Das muß wohl so sein; denn wie ich auch hämmerte und donnerte –
Nils Lykke. – es ward Euch doch nicht aufgetan!
Nils Stenssön. Aufs Haar getroffen. Ich sagte also zu mir selbst: da du nun einmal heut abend auf Oestrot sein mußt, und ging's durch Wasser und Feuer, – so kannst du auch wohl durchs Fenster hereinkriechen.
Nils Lykke leise. Sollt' er vielleicht – Einen Schritt näher. Es war Euch also sehr daran gelegen, heute noch hier einzutreffen?
Nils Stenssön. Ob mir daran gelegen war! Das sollt' ich meinen! Ich lasse nicht auf mich warten, meiner Treu!
Nils Lykke. Aha – Frau Inger Gyldenlöve erwartet Euch also?
Nils Stenssön. Frau Inger Gyldenlöve? Darauf kann ich nicht so bestimmt antworten. Mit listigem Lächeln. Aber ich sollt' einen andern –
Nils Lykke lächelt auch. Also, hier sollte ein anderer –
Nils Stenssön. Sagt mal – gehört Ihr zum Hause?
Nils Lykke. Ich? Ja, insofern ich seit diesem Abend Frau Ingers Gast bin.
Nils Stenssön. So? – Ich glaube wir haben heute den dritten Abend nach Martini.
Nils Lykke. Den dritten Abend nach –? Richtig, ja. – Wünscht Ihr vielleicht die Frau des Hauses gleich zu sprechen? So viel ich weiß, ist sie noch nicht zu Bett gegangen. Doch wollt Ihr Euch nicht zuerst setzen und ausruhen, lieber junger Herr? Seht, hier ist noch eine Kanne Wein. Etwas Speise werdet Ihr auch finden. Na, so langt zu! Ihr werdet der Stärkung bedürfen.
Nils Stenssön. Ihr habt recht, Herr. Gar nicht so übel das! Er setzt sich an den Tisch; während er ißt und trinkt: Braten und süßer Kuchen! Ihr führt ja hier ein Herrenleben! Wenn man wie ich vier, fünf Tage auf nacktem Boden geschlafen und nur von Wasser und Brot gelebt hat –
Nils Lykke betrachtet ihn lächelnd. Ja, das mag schwer genug für einen sein, der gewohnt war, im gräflichen Saal obenan zu sitzen.
Nils Stenssön. Im gräflichen Saale –?
Nils Lykke. Doch nun könnt Ihr Euch ja auf Oestrot ausruhen, solange es Euch gefällt.
Nils Stenssön froh. So? Kann ich das wirklich? Muß ich denn nicht gleich wieder fort?
Nils Lykke. Ja, ich weiß nicht. Die Frage könnt Ihr Euch wohl selbst am besten beantworten.
Nils Stenssön leise. Au, verflucht! Laut. Ja, seht Ihr, die Sache hat noch ihren Haken. Ich für mein Teil hätte freilich nichts dagegen, mir für's erste es hier bequem zu machen; aber –
Nils Lykke. – aber Ihr seid nicht in allen Stücken Euer eigener Herr? Da gibt's andere Geschäfte und andere Aufträge –?
Nils Stenssön. Ja, da sitzt der Knoten. Wenn es bei mir stünde, so blieb' ich wenigstens den Winter über hier; ich habe mein halbes Leben im Felde gestanden, und da – Er bricht plötzlich ab, schenkt ein und trinkt. Euer Wohl, Herr!
Nils Lykke. Im Felde? Hm.
Nils Stenssön. Nein, das war's, was ich sagen wollte: ich habe mich lange danach gesehnt, Frau Inger Gyldenlöve zu sehen, von der man so viel Rühmens macht. Das muß eine herrliche Frau sein! Nicht wahr? – Das Einzige, was mich ärgert, ist, daß sie so verflucht ungern losschlagen will.
Nils Lykke. Nicht losschlagen will –?
Nils Stenssön. Na ja, Ihr versteht mich schon. Ich meine, daß sie so gar nicht mit Hand anlegen will, die fremden Herrenleute aus dem Lande zu jagen.
Nils Lykke. Da habt Ihr freilich recht. Wenn Ihr nun aber tut, was Ihr könnt, dann geht's schon.
Nils Stenssön. Ich? Gott bewahre! Das würde viel helfen, wenn ich –
Nils Lykke. Es ist doch seltsam, daß Ihr sie aufsucht, wenn Ihr nichts Besseres zu hoffen habt.
Nils Stenssön. Was meint Ihr damit? – Sagt, kennt Ihr Frau Inger?
Nils Lykke. Versteht sich. Da ich ihr Gast bin, so –
Nils Stenssön. Damit ist noch nicht gesagt, daß Ihr sie kennt. Auch ich bin ihr Gast und habe doch noch nicht einmal so viel wie ihren Schatten gesehen.
Nils Lykke. Aber Ihr wißt doch zu erzählen –
Nils Stenssön. – wovon jedermann schnackt! Ja freilich. Außerdem habe ich vom Kanzler Peter oft genug gehört –
Er hält verlegen inne und beginnt eifrig zu essen.
Nils Lykke. Ihr wolltet noch etwas sagen.
Nils Stenssön essend. Ich? Nicht daß ich wüßte.
Nils Lykke lacht.
Nils Stenssön. Worüber lacht Ihr, Herr?
Nils Lykke. Über nichts, Herr!
Nils Stenssön trinkt. Das ist ein lieblicher Wein, den Ihr hier auf dem Schlosse habt.
Nils Lykke nähert sich vertraulich. Sagt mal, – wär' es jetzt nicht an der Zeit, die Maske fallen zu lassen?
Nils Stenssön lächelnd. Die Maske? O ja, das könnt Ihr tun, wenn's Euch gefällt.
Nils Lykke. So laßt doch alle Verstellung fahren! Ihr seid erkannt, Graf Sture!
Nils Stenssön mit Lachen. Graf Sture? Glaubt Ihr auch, ich bin Graf Sture? Er steht vom Tisch auf. Ihr irrt Euch, Herr. Ich bin nicht Graf Sture.
Nils Lykke. Wirklich nicht? Wer seid Ihr denn?
Nils Stenssön. Mein Name ist Nils Stenssön.
Nils Lykke betrachtet ihn lächelnd. Hm? Nils Stenssön? Und Ihr seid nicht Sten Stures Sohn Nils? Der Name stimmt doch so ziemlich.
Nils Stenssön. Sehr wahr; aber Gott weiß, mit welchem Recht ich ihn trage. Meinen Vater hab' ich nie gekannt; meine Mutter war eine arme Bauersfrau, die in den früheren Kriegsläuften um Gut und Leben kam. Der Kanzler Peter war damals gerade nicht weit. Er nahm sich meiner an, erzog mich und lehrte mich das Waffenhandwerk. Wie Ihr wißt, ist er viele Jahre hindurch von König Gustav verfolgt worden, und ich hab' ihn auf seinen Fahrten getreulich begleitet.
Nils Lykke. Der Kanzler, scheint's, hat Euch noch mehr gelehrt als das Waffenhandwerk. – – Nun gut, Ihr seid also nicht Nils Sture. Jedoch Ihr kommt aus Schweden. Der Kanzler schickt Euch her, um hier einen Fremden zu finden, der –
Nils Stenssön nickt listig. – der schon gefunden ist.
Nils Lykke etwas unsicher. Und den Ihr nicht kennt?
Nils Stenssön. Ebensowenig wie Ihr mich kennt – denn ich schwöre bei Gott dem Vater: ich bin nicht Graf Sture!
Nils Lykke. Im Ernste, Herr?
Nils Stenssön. So wahr ich lebe! Warum sollt' ich es leugnen, wenn ich's wäre?
Nils Lykke. Aber wo ist denn Graf Sture?
Nils Stenssön mit gedämpfter Stimme. Ja, das ist eben das Geheimnis.
Nils