Im Thale des Todes. Karl May

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Im Thale des Todes - Karl May


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dem Schwarzen in das ehrliche Gesicht blickte, der konnte wohl sehen, daß er die Wahrheit sagte. Robin aber gab sich gar nicht die Mühe, ihn zu betrachten.

      »Ah, drohen!« rief er. »Das fehlte noch. Da, Du schwarzes Viehzeug, will ich Dir zeigen, wie man eine solche Drohung aufnimmt!«

      Er schlug ihn mit der Faust zweimal in das Gesicht, daß der Neger zu Boden stürzte und ihm das Blut aus Mund und Nase drang. Die Negerin warf sich auf ihn, Zeus aber schob sie weg, stand auf und ging fort, ohne ein Wort zu sagen. Aber als er sich mit der Geliebten in der Dienerstube befand, sagte er:

      »Jetzt alle sein! Jetzt nicht mehr leiden diese Behandlung. Jetzt mich rächen. Sein Herr noch bei Missus draußen.«

      »Ja,« antwortete Milly.

      »Jetzt ich gehen und nehmen Geld, viel Geld.«

      »Um Gott und Jessus! Nicht stehlen, Zeus!«

      »Nein, nicht stehlen, sondern nur wiedergeben armen Mann, dem es gehört. Missus nicht wird gehen in ihr Zimmer. Zeus nicht sein werden erwischt.«

      Ein jedes Zimmer war mit dem Söller durch eine Thür verbunden; die ganze Zimmerreihe hing aber auch unter sich zusammen. Daher gelang es Zeus, nach der Stube zu gelangen, welche Miranda bewohnte, ohne daß er von der Herrschaft, welche sich noch auf dem Söller befand, gesehen worden wäre.

      Dort gab es einen kleinen Damenschreibtisch, in welchem das Geld lag, welches er haben wollte. Er kannte das Fach genau, in welchem er es gesehen hatte. Aber als er hinzutrat, fand er zu seiner Enttäuschung, daß der Schlüssel abgezogen war.

      »Zeus muß warten, bis Schlüssel wieder da!« flüsterte er sich selbst zu.

      Er wollte zurückschleichen. Da drang durch die offene, nach dem Söller führende Thür ein Wort herein, welches ihn stutzen machte:

      »Er muß sterben!«

      »Wer? Soll Zeus etwa sterben?« dachte der Neger. »Muß horchen!«

      Er schlich sich katzenleise näher, bis hinter die Thür. Robin und Miranda befanden sich kaum drei Fuß weit von ihm entfernt. Er hörte jedes Wort.

      Robin hatte das Vorige gesprochen. Miranda meinte in nachdenklichem Tone:

      »Eigentlich ist es schade um ihn. Er ist ein sehr hübscher und wohlgebildeter Mann.«

      »Hübsch und wohlgebildet! Das ist Dir an einem Manne wohl die Hauptsache?«

      »Ja, ich gestehe es offen. Was nützt es mir, wenn ein Herr ein Wunder von Berühmtheit und Klugheit ist, wenn ich mich nicht mit Appetit und Genuß von ihm küssen lassen kann!«

      »Das ist sehr aufrichtig.«

      »Ich bin stets offenherzig.«

      »Also auch Reichthum fällt bei Dir nicht in's Gewicht?«

      »Doch, obgleich ich gestehe, daß mir ein armer aber hübscher Liebhaber weit angenehmer ist als ein reicher aber häßlicher.«

      »Wie steht es da mit mir?«

      »Hm! Du bist weder reich, noch jung, noch hübsch.«

      »Dennoch darf ich Dich umarmen!«

      »Nur Deinetwegen. Weil es Dir Genuß bereitet. Körperlich habe ich gar keine Zuneigung zu Dir; ja, offen gestanden, ich muß mir Mühe geben, Deine Liebkosungen ohne Unmuth zu ertragen. Uns verbindet aber ein anderes, ein geistiges Band; das ist fester als der sinnliche Genuß.«

      »Welches Band wäre das?«

      »Die Gleichheit unserer Seelen. Wir sind zwei ausgeprägte, diabolische Naturen. Nicht?«

      »Hm!«

      »Oder giebst Du nicht zu, daß Du ein Teufel bist?«

      »Bist Du einer?«

      »Ja, und ein ganzer! Ich kann mich an der Qual und an dem Unglücke eines Andern förmlich weiden.«

      »Hm! Auch ich weine nicht, wenn Andere um Hilfe rufen. Dennoch ist mir nicht die Freude am Unglücke Anderer die Hauptsache, sondern der Gewinn, welcher dabei für mich abfällt.«

      »Natürlich, mir auch. Wie viel wird heut Abend für mich abfallen?«

      »Das ist jetzt schwer zu beantworten. Wie viel meinst Du, daß er in seiner Brieftasche hat?«

      »Neunzig- bis hunderttausend Dollars.«

      »Alle tausend Teufel! Wenn Du Dich nicht geirrt hast, so wäre das ein Fang. Ich möchte wissen, woher er es hat. Als Goldgräber kann er es nicht verdient haben.«

      »Pah! Goldgräber! Dieser Sennor Günther ist kein Goldgräber; er ist etwas ganz Anderes als er scheint. Seinen Diamantring will ich gar nicht erwähnen; aber sein Auftreten ist dasjenige eines Cavaliers. Darum beklage ich es, daß er sterben muß.«

      »Er hat Dir wohl unterwegs seine Zärtlichkeiten gewidmet?«

      »Eben nicht, obgleich ich mir große Mühe gegeben habe, wie ich offen gestehe. Er ist, wie bereits gesagt, ein schöner Mann, und ich wäre mit dem größten Vergnügen einmal für eine Stunde lang die Seinige gewesen. Aber er war kalt wie Eis.«

      »Du hast ihm nicht gefallen!«

      »Pah! Du willst mich ärgern; das aber soll Dir nicht gelingen. Ich gefalle einem Jeden, nämlich wenn ich will. Mir scheint, daß sein Herz bereits anderweit engagirt ist. Vielleicht gehört er zu denjenigen ehrbaren Männern, welche denken, eine Sünde zu begehen, wenn sie einmal eine Andere küssen. Meiner Ansicht nach ist jedes Weib für jeden Mann und jeder Mann für jedes Weib da. Das liegt ja im richtigen Wesen der Liebe, welche keine Schranken kennt. Doch, wir kommen von der Hauptsache ab. Wie wollt Ihr ihn denn fassen?«

      »Durch den Schrank.«

      »Durch den Schrank? Das verstehe ich nicht.«

      »Ach so! Du hast noch nichts davon gehört. Seit Du bei mir bist, hat sich kein solcher Fall zugetragen. In das Giebelstübchen bei Sennorita Emeria kann man nicht nur durch die Thür gelangen, sondern auch durch einen Kleiderschrank, welcher eine Thür im Zimmer hat und eine außerhalb desselben auf dem Vorplatze. Wir warten ab, bis er schläft, und dringen dann durch den Schrank in die Stube. Das Uebrige ist bald abgemacht.«

      »Hast Du denn den Schlüssel zum Schranke?«

      »Ja.«

      »Emeria weiß davon?«

      »Nein. Es ist ein Nachschlüssel.«

      »Aber was in dem Zimmer geschieht, das weiß sie.«

      »Auch nicht.«

      »Laßt Ihr denn die Leiche liegen?«

      »Gott bewahre! Die wird fort geschafft.«

      »Aber wenn früh der Miether fehlt, muß es doch der Wirthin auffallen.«

      »Sie hat stets geglaubt, er sei ihr durchgebrannt.«

      »Ach, so sind derartige Fälle bereits dagewesen?«

      »Oft schon,« lachte er. »Wir vergießen niemals Blut. Der Mann wird erwürgt. Das hinterläßt keine Spur.«

      »Wann geschieht es heut?«

      »Nicht vor Mitternacht.«

      »Und Du bist selbst dabei?«

      »Natürlich! Meinst Du etwa, daß ich fremde Leute hinaufschicke, die ihm das Geld abnehmen und mir ganz gemüthlich damit verschwinden? Ich – – horch!«

      Die Thorglocke wurde geläutet. Jetzt war es für den Neger Zeit, zu verschwinden. Er eilte so schnell wie möglich zurück. Als er zu Milly kam, fragte sie:

      »Hast Du das Geld?«

      »Nein. Schlüssel war weg.«

      »Dank


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