Im Thale des Todes. Karl May

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Im Thale des Todes - Karl May


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Stübchen traten, musterte Steinbach mit einem eigentlich ganz unabsichtlichen Blicke die Wände des Bodenraumes. Dabei zog er rasch den Fuß zurück und brummte bedenklich:

.

      »Hm! Sonderbar.«

      »Was hast Du?«

      »Schau, hier ist eine Thür.«

      »Jedenfalls zu einem eingemauerten Schranke.«

      »Die Mauer ist nicht so dick, daß sie Platz für einen Schrank böte. Ich denke mir vielmehr – hm, Du hast auch einen Schrank in Deiner Stube. Ich besinne mich, daß er jenseits dieser Mauer an ganz derselben Stelle steht. Mach Deine Stube noch einmal auf.«

      »Hast Du vielleicht Mißtrauen?«

      »Eine so sonderbare Vorrichtung muß stets Mißtrauen erregen.«

      »Gegen die Wirthin?«

      »Die halte ich nicht für gefährlich. Aber ihr Zustand kann sehr leicht von Anderen benutzt werden.«

      Sie kehrten in das Zimmerchen zurück. An dem Schranke stak der Schlüssel. Sie öffneten und fanden, daß der Schrank keine Hinterwand hatte. Diese bestand vielmehr in der Thür, welche hinaus auf den Vorplatz führte. Sie konnte sowohl von Innen als auch von draußen geöffnet werden. Und als sie nun die Schrankthür untersuchten, fand es sich, daß diese kein Schloß, sondern nur einen Riegel besaß, welcher zwar mittelst des Schlüssels aber auch von Innen zurück- und wieder vorgeschoben werden konnte.

      »Da siehst Du es!« meinte Steinbach. »Eine sehr bequeme Einrichtung für Einbrecher. Man liegt im Schlafe, und die Kerls kommen durch den Schrank herein. Hat Dir Robin dieses Logis empfohlen?«

      »Ja.«

      »Speciell dieses Stübchen?«

      »Er hat mich besonders darauf aufmerksam gemacht.«

      »Hm! Komm mit hinab. Wir wollen auch diese Angelegenheit besprechen.« – –

      Wenn man den Weg verfolgte, von welchem die Wirthin gesprochen hatte, so kam man an mehreren Block- und Steinhütten vorüber, in denen Goldsucher hausten, und dann in den Wald. Dieser zog sich auf die Berge hinauf und zwischen dieselben hinein. Der Weg wand sich von Thal zu Thal, einzelne kleine Seitenpfade abzweigend, und endete schließlich an dem Vorplatze eines ziemlich großen, steinernen Bauwerkes, welches in Folge seiner massiven Bauart früher jedenfalls als Bollwerk gegen die Indianer gedient hatte.

      Jetzt waren die schießschartenähnlichen Fensteröffnungen vergrößert worden. Man hatte sie mit Glasscheiben versehen. Der erweiterte Eingang bildete ein geräumiges Thor. Wilder Wein und Hopfen zog sich bis zum Dache hinauf, und vor der Erkerstube an der einen Ecke stand eine riesige Eiche, welche bestrebt zu sein schien, mit ihren gewaltigen Aesten das ganze Haus zu umarmen.

      Man hätte denken sollen, daß die Räume des Hauses dunkel seien, aber sie waren im Gegentheile sehr hell, da man die nach dem Hofe gehenden Mauern durchbrochen und da ein Söllerwerk angebracht hatte, welches dem Lichte freien Eintritt gestattete.

      Auf diesem Söller saß eine junge Dame, welche vielleicht vierundzwanzig Jahre zählen mochte. Sie war ganz in Weiß gekleidet, als ob sie sich in irgend einer Großstadt und nicht in einem abgelegenen Walde von Arizona befinde. Da die Aermel fehlten und die Taille auf Brust und Rücken sehr tief ausgeschnitten war, und da ferner der Rock des Kleides keine Falten hatte, sondern sich eng und innig an die Hüften und Beine schmiegte, so waren die Körperformen ganz genau zu sehen.

      Und schön war sie, wunderbar schön, aber von jener herausfordernden Schönheit, welche den moralisch reinen Character eher abstößt als anzieht. Das Gesicht war edel gezeichnet, aber diese edlen Konturen verliefen in Linien, deren Gesammtwirkung eine ganz entgegengesetzte war. Die stark entwickelten, äußerst üppigen Lippen, das Kinn und der etwas kurze, starke Hals ließen vermuthen, daß das Naturell dieser Dame mehr auf physischen als auf geistigen Genuß gerichtet sei.

      Das war Donna Miranda, die Directrice des Hauses. Sie saß bei einer Stickerei, aber sie stickte nicht. Sie hielt die Augen halb geschlossen und schien zu träumen.

      Sie wurde durch leise Schritte gestört. Eine junge Negerin kam herbei und blieb wartend stehen. Miranda öffnete die Augen. Der Blick, welchen sie auf die Dienerin warf, war kein guter. Es war, als wenn eine Bulldogge aus ihrer Ruhe gestört wird. Auch ihre Stimme klang scharf und unsympathisch, als sie kurz fragte:

      »Was willst Du?«

      »Missus gut sein mit Milly,« antwortete die Schwarze, welche Milly hieß. »Milly hat zerbrochen einen Teller. Hier sein die Scherben.«

      Sie hatte die Hände auf den Rücken gehalten. Jetzt nahm sie sie nach vorn und zeigte die drei Stücke, in welche der Teller zerbrochen war. Mirandas Gesicht röthete sich stark. Sie mußte außerordentlich jähzornig sein.

      »Was hattest Du mit dem Teller zu schaffen?« fragte sie.

      »Milly wollte darauf legen Brod für Missus, da fiel Teller aus Hand.«

      »Kannst Du nicht aufpassen, verdammte Creatur! Wo hast Du Deine Augen und Deinen Verstand? Her mit den Scherben!«

      Die Schwarze reichte sie ihr hin und bat:

      »O, Missus, nicht schlagen arme Milly!«

      »Nicht schlagen? Siehst Du nicht, daß es einer von den guten Tellern ist? Ich will Dich lehren, aufzupassen. Hier hast Du die Stücken!«

      Sie holte aus und warf sie ihr mit aller Gewalt in das Gesicht. Die Negerin stieß einen Schrei aus und fuhr sich mit den Händen nach dem Auge. Der eine Scherben hatte ihr eine tiefe Wunde in die Wange gerissen, und die Spitze des andern war ihr verletzend in das Auge gedrungen.

      »O, o, mein Auge!« rief die Arme. »Milly nicht sehen können. Milly nun blind werden. Missus nicht gut sein mit arm Milly!«

      »Was? Nicht gut? Das wagst Du zu sagen, verdammte Kröte? Hier hast Du noch Etwas!«

      Sie schlug ihr den an den Ecken mit Silberblech beschlagenen Stickrahmen in das Gesicht, daß die Arme vor Schmerz zum zweiten Male aufkreischte.

      Da öffnete sich hinten eine auf den Söller gehende Thür. Ein junger Neger trat heraus. Als er Milly weinen sah, kam er schnell näher.

      »Was sein mit gut Milly?« fragte er.

      »Missus mir Teller in Augen werfen und Stickrahmen in Gesicht schlagen.«

      »Milly herzeigen!«

      Er zog ihr die Hände vom Gesicht und betrachtete die Verletzung. Dann wendete er sich an Miranda:

      »Missus nicht schlagen sollen. Milly vielleicht blind werden an einem Auge. Wenn Milly zerbrochen den Teller, dann ihn bezahlen, aber nicht wieder sie schlagen und werfen!«

      Das war freilich zu viel für den Character der weißen Dame. Sie griff nach der Glocke, welche auf dem kleinen Tischchen lag und schellte heftig mehrere Male, dabei nach Sennor Robin rufend.

      Unten ließen sich mehrere dienstbare Geister sehen, welche sich aber beim Anblicke der zornigen Herrin sofort wieder zurückzogen. Oben aber kam der Gerufene aus seinem Zimmer heraus auf den Söller.

      »Was giebt es, liebe Miranda?« fragte er.

      »Ich bitte Dich, mich gegen diese Bestien zu beschützen.«

      »Was haben sie gethan?«

      »Das Frauenzimmer hat mir eine ganze Masse Geschirr zerbrochen, jetzt nun zum so und so vielsten Male. Geht das so fort, so können wir aus dem Pantoffel trinken und vom Stiefelknechte speisen. Und als ich sie bestrafte, kam der schwarze Mensch herbei, stellte mich zur Rede und wagte es sogar, mir zu drohen.«

      »Was? Drohen?«

      »Nein, Zeus hat nicht drohen, hat nur bitten,« erklärte der Schwarze.

      »Lügner!«


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