Toni der Hüttenwirt Paket 1 – Heimatroman. Friederike von Buchner

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Toni der Hüttenwirt Paket 1 – Heimatroman - Friederike von Buchner


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nächsten Morgen erwähnte Anna beiläufig zu Petra:

      »Du, im Dorf will jemand gehört haben, daß sich der Doktor Ludwig Leuthold auf dem Hof einquartiert hat. Er wartet auf dich.«

      »O Gott! Den habe ich ganz vergessen, Anna! Ich hatte ihn angerufen und gesagt, daß er mich mal besuchen soll. Daß er so schnell kommt, das hätte ich nicht gedacht. Woher weißt du da?«

      »Ach, irgend jemand hat es vorhin dem Toni erzählt. Es kann sein, daß das einer der Bergführer gewesen ist, der hier mit seiner Gruppe vorbeikam.«

      »Dann muß ich schnellstens hinunter ins Tal.«

      »Schade, ich habe gedacht, daß du noch bleibst, vielleicht auch mal hinaufsteigst, zum ›Paradiesgarten‹ oder zumindest zum ›Erkerchen‹ wanderst.«

      »Das würde ich ja gerne. Das muß ich aber auf ein anderes Mal verschieben.«

      Mit lautem Knall fiel ein Fenster zu. Anna trat vor die Hütte und betrachtete sich den Himmel. Toni kam herbeigerannt.

      »Wir müssen schnell die Sachen reinbringen. Da braut sich ein gewaltigs Unwetter zusammen. Bitte, Petra, pack mit an!«

      »Petra wollte gerade wieder ins Tal, Toni!«

      »Des kann sie vergessen. Da wird nix draus.«

      Der Wind wurde immer stärker. Er rüttelte mit großer Gewalt an den Fensterläden der Berghütte. Draußen wurde es immer düsterer. Alois stand vor dem Barometer an der Wand und betrachtete den Zeiger.

      »Des läßt nix Gutes vermuten«, sagte er besorgt. »Hoffentlich können sich alle, die unterwegs sind, in Sicherheit bringen!«

      Als gläubiger Mensch zündete er im Herrgottswinkel der Berghütte ein Licht an und sprach ein Gebet.

      Dann brach der Sturm los. Regen und Hagel peitschten heftig gegen die Hütte. Es war, als ginge die Welt unter.

      Erstaunt und auch ängstlich saß Petra beim Feuer.

      »Habt ihr öfter so einen Sturm hier oben?«

      »Ja, es gibt hier in den Bergen öfter einen Wettersturz. Aber so arg war es schon lange nicht mehr. Es schaut auch nicht so aus, als wäre das bald vorbei. Hoffentlich gibt es keinen Erdrutsch.«

      Immer wieder legte Alois Holz ins Kaminfeuer, das unruhig flackerte, weil der Sturm auch im Kaminabzug heulte. Bello der Neufundländerrüde lag vor dem Kamin und rührte sich nicht. So ging das über Stunden. Es blitzte und donnerte. Das Echo zwischen den Bergwänden verstärkte den Schall, so daß es niemals still wurde.

      Endlich, es war schon früher Abend, ließ das Gewitter etwas nach. Jetzt regnete es nur noch heftig. Toni öfnete kurz die Tür und schaute hinaus. Eine schier undurchdringliche Regenwand stand wie eine Mauer und nahm jede Sicht.

      In den nächsten Stunden trafen vereinzelt Wanderer ein, die es geschafft hatten, sich in Sicherheit zu bringen. Das heißt, sie waren, als das Wetter aufzog, sofort umgekehrt und hatten sich auf den Rückweg zur Hütte gemacht. Sie waren duchnäßt bis auf die Haut. Bald hingen auf allen Leinen unter der Decke im Gastraum der Berghütte nasse Kleidungsstücke zum Trocknen. Anna hatte alle Hände voll zu tun. Sie verteilte Eintopf, kochte Kaffee und Tee, machte ganze Pfannen mit Rösti.

      »Wie lange wird das noch andauern, Anna?«

      »Des weiß nur der heilige Petrus alleine, sagen hier die Leute in Waldkogel, bei so einem Wetter. Es kann in einer halben Stunde vorbei sein. Dann leuchtet das Tal in der Sonne. Es kann aber auch noch dauern, Stunden oder Tage.«

      »Dann komme ich nicht runter. Was soll ich nur machen?«

      Anna lachte.

      »Nichts kannst du machen, Petra. Du mußt warten!« Sie schmunzelte. »Du wolltest doch ein paar Tage bleiben, weil du nachdenken wolltest. Nun wirst du vielleicht gezwungen zu bleiben. Die Berge und die Natur haben ihre eigenen Gesetze. Sieh es als Chance. Jetzt hast du mehr Zeit zum Nachdenken. Über den Doktor Leuthold würde ich mir keine Gedanken machen. Der wartet oder er fährt ab und kommt noch einmal wieder.«

      »Meinst du, der Sturm richtet im Tal Schäden an?«

      »Das muß nicht sein, Petra. Es kommt auch vor, daß sich so ein Wettersturz nur hier oben entleert. Dann regnet es im Tal auch, aber es ist lange nicht so schlimm wie hier oben. Das Wetter kam herüber über das ›Höllentor‹. Ich vermute, es hat schon drüben auf der anderen Seite des Berges das meiste abgeladen.«

      »Ich hatte noch nie viel Geduld, Anna!«

      »Wenn du länger hier bist, wirst du das lernen. Hier in den Bergen gehen die Uhren anders. Ich trage überhaupt keine Uhr mehr, seit ich hier bin. Die habe ich am zweiten Tag schon abgelegt. Meinen Tagesablauf bestimmt der Sonnenstand. Zum Mittag und zum Abend dringen die Glocken aus dem Tal herauf. Das genügt als Orientierung. Draußen im Gastraum hängt zwar eine Wanduhr, aber Toni, Alois und ich vergessen oft sie aufzuziehen.«

      »Wirklich, so ohne Uhrzeit, so kannst du leben?«

      Anna lachte fröhlich.

      »Ja, es ist schöner. Du wirst die Vorteile auch noch entdecken. Ich mache meine Arbeit in Ruhe ohne Hetze. Das ist wunderbar. Ich genieße sogar dieses Unwetter. Es ist sicherlich schlimm, und ich hoffe und bete, daß es in den Bergen keine Verletzten oder Schlimmers gibt. Doch solch ruhigere Tage hier auf der Berghütte gefallen mir. Ich habe mehr Zeit, weil der Berghüttenbetrieb dann fast zum Erliegen kommt.«

      Anna lächelte Petra an.

      »Du wirst solche Regentage auch noch schätzen lernen, Petra. Wirst sehen, wenn du auf dem Vogelmeier Hof Gäste hast, dann bleibt oft was liegen. Da gibt es Schreibarbeiten, für die keine Zeit ist. Mein Bügelkorb ist voller Wäsche, die dringend gebügelt werden muß und Knöpfe muß ich auch noch annähen. Dir wird es ähnlich gehen.«

      Nachdenklich zog sich Petra in ihr Zimmer zurück.

      *

      Das Regenwetter hielt mehrere Tage an. Mit dem ersten Sonnenstrahl machte sich Petra auf ins Tal. Dort, wo der Weg nicht steinig war, war er aufgeweicht und sie versank bis zu den Knöcheln im Matsch.

      Etwas ratlos stand sie vor ihrem Auto auf der Oberländer Alm. Die Räder steckten im Schlamm, den das Wasser aus den Bergen heruntergespült hatte.

      »Da wirst laufen müssen, Madl«, sagte der alte Wenzel. »Des war ein schweres Wetter. So eins haben wir schon lang net mehr erlebt. Der Milchwagen konnte die Milch die Tage auch net abholen. Na ja, so schlimm war des auch net. Da gibt es eben mehr Käs. Ja mei, des war ein Wetter. Die Kühe mußt i in den Stall holen. Da war’s denen ein bisserl eng. Jetzt sind sie froh, daß sie wieder draußen sein können. Schau, wie sie sich am frischen saftigen Gras freuen.«

      Petra ergab sich in ihr Schicksal. Sie ließ ihr Auto stehen und ging zu Fuß den aufgeweichten Weg hinunter nach Waldkogel. Immer wieder blieb sie stehen und genoß die Landschaft. Alles war so saftig grün und frisch. Die Erde duftete. Die Wiesenblumen leuchteten in bunten Farben, als müßten sie die drei Tage des Regens nachholen.

      *

      Schmutzig und erschöpft kam sie nach Stunden beim Vogelmeier Hof an. Viele Autos parkten auf dem Hof. Sie besah sich die Nummernschilder. Die Fahrzeuge waren allesamt nicht aus Waldkogel. Dann betrachtete sich Petra das Haus. Rote Hängegeranien leuchteten in den Blumenkästen vor den Fenstern und an den Balkonen.

      »Christoph! Na warte!« sagte Petra leise vor sich hin.

      Sie streifte gründlich ihre Schuhe ab. Doch sie waren zu schmutzig. So zog sie die von Anna geliehenen Wanderschuhe aus und betrat den Hausflur. Am Schlüsselbrett an der Wand konnte sie erkennen, daß alle Zimmer vermietet waren, sogar die kleinen Dachkammern.

      Petra drehte das Empfangsbuch um und las die Einträge. Sie schaute sich die Schrift an. Das war nicht Christophs Schrift, so weit konnte sich Petra erinnern. Dies war die zierliche Schrift einer Frau. Petras Herz wurde unruhig. Was war hier los?

      Sie


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