Die wichtigsten Novellen, Romane & Erzählungen von Wilhelm Raabe. Wilhelm Raabe
Читать онлайн книгу.zu einem bösen Ende kommen.
Ach, gäb es doch Krieg! Das würde nicht nur mir, sondern auch meinem jungen Grafen helfen! Ach, gäb es doch Krieg, im Sturm möcht ich Dich erobern, mein Lieb, und Dich heimholen. Es heißet wohl mit Recht: nimmer Dienst, nimmer Lohn; ach, wie möcht ich um die Monika dienen, und wenn es sieben oder siebenmal sieben Jahre wären. Gott schütze Dich, mein Lieb, und behalte mich lieb, Du! Vergiß mich nicht und sorge Dich nicht, ich komme einst und hole Dich und trage Dich auf den Händen und im Herzen bis in die Ewigkeit hinein. – Jetzt aber muß ich meine Geschrift zu einem Ende bringen, weil das Papier mir mangelt und ich auch wieder zu Pferde und hinaus in die greuliche Sonne muß. Gib dem Boten, dem Wichtelkaspar, einen frischen Trunk, daß er sich freue, und schreibe mir auch, wie es geht bei Euch und wie es steht in Deinem Herzen und ob Du mir auch immer gut bist. Der Kaspar wird es mir zustellen, wann er heimkehrt gen Pyrmunt von seiner Bettelfahrt durch die Lande. Nun lebe wohl, rosenrotes Lieb, und gedenke an mich im Wachen und im Traum! Wenn mir der Geigenkaspar Deinen Brief zu Händen gebracht hat, so will ich wiederum an Dich schreiben und werd auch wohl einen Boten finden, so es herüberträget. Lebe wohl und gedenke an Deinen Herzliebsten
Klaus Eckenbrecher,
des Grafen von Pyrmunt, Herrn Philipps
von Spiegelberg, freien Reiter.
Am dritten Tage des Heumonds, eintausendfünfhundertsechsundfünfzig, bei der allergrausamsten Hitz.« – –
Wie leuchteten die Augen des jungen Mädchens, als sie mit diesem Schreiben ihres Schatzes zu Ende kam. Der Fiedelmann schaute ihr lächelnd in das Gesicht, nickte ihr mit den Augen zwinkernd zu und murmelte dabei vor sich hin:
»Jaja, hab’s immer gesagt und gesungen, es ist ein gut Ding um die Jugend.«
»Wie dank ich Euch, daß Ihr kommen seid«, sagte die Monika. »Ich war in so großen Ängsten seinetwegen.«
»Ho, ängsten müsset Ihr Euch nicht um den Buben, Jungfräulein, und was ich getan hab, das ist recht gern geschehen.«
»Dank Euch! Dank Euch!« rief die Monika, und der struppige Hund des fahrenden Mannes erfuhr nun auch, daß ein fröhlich Herz am liebsten gibt. In ihrer Herzensfreude stellte ihm die Monika einen ganzen Topf voll Milch zum Ausschlecken hin und fing an, ihren Brief von neuem zu studieren, bis der Köter mit seiner Milch fertig war und Kaspar Wicht den leeren Bierkrug niedersetzte und sich erhob.
»Das wär nun richtig bestellt, Jungfräulein, und – nun – wie wär’s mit der Antwort an den Liebsten, he? Ich will Euch einen Vorschlag machen. Wisset Ihr, nun will ich gehen und umschauen im Land, ob die Mildtätigkeit und die Herzensfröhlichkeit durch die große Hitze ganz eingetrocknet und verdörret ist, will den Leuten die Weise vom Rosenkranz geigen und die Weise von der Schlacht bei Raven. Und dann will ich wieder vorgucken in einigen Tagen, daß Ihr mir anvertrauen möget, was Ihr dem Feinslieb in der Ferne zu melden habet. Gut will ich’s abliefern, schönes Jungfräulein, wenn’s Gottes Wille ist und der Bettelvogt mich unterwegs nicht beim Kragen nimmt. Na, der liebe Gott wird wohl nichts dagegen haben, er hat ja doch seinen Hauptspaß an solchem jungen, törichten Volk, wie Ihr seid. Also wollt Ihr?«
Errötend und verlegen nickte die Monika und blies in das Feuer auf dem Herde, was gar nicht nötig war; denn lustig genug flackerten die Flammen um den singenden Topf.
»Also abgemacht; gebt mir ein Patschhändlein und macht’s wohl, bis daß ich wiederkehr!«
»Behüt Euch Gott!« sprach das Mägdlein, und der Geiger ging und geigte am selbigen Abend noch zu Bevern vor dem Schloßgesinde, bis ihn der Schloßherr, welchem vor kurzem das sechzehnte Kind weggestorben war, vergeben durch eine lose Hexe gleich den fünfzehn vorhergegangenen Würmern – vom Hofe trieb. Zu Wolfenbüttel büßte die mörderische Unhuldin dafür auf dem Scheiterhaufen. –
Während der Fiedler also im Lande umherstrich, stahl die Monika ihrem Herrn Vater einen schönen Bogen weißen Papieres und heimlich, daß niemand dahinter käme, schüttelte sie ihr Herzlein darauf aus. Sie schrieb so zierlich, wie eine Lerche schreiben würde, wenn ihr einmal einfiele, ihre Lieder, statt sie hoch oben in der blauen Luft auszujubeln, dem Papiere anzuvertrauen. Ehrn Valentin Fichtner war seinem Töchterlein ein guter Meister und Lehrer hierin gewesen.
Nach acht Tagen kam der Wichtelkaspar, seinem Versprechen gemäß, zurück und sang, diesmal bei vollständiger Abenddämmerung, vor dem Pfarrhause zu Holzminden:
»Ein Briefelein
An meinen Schatz
In weiter, weiter Ferne,
Das schrieb ich fein
Und legte drein,
Was ich ihm gab so gerne:
An jedes Ecklein
Einen Kuß,
Und in die Mitte
Tausend Gruß,
Viel Bangen, Hoffen, Seufzerlein,
Mein ganzes, ganzes Herzelein –
Eia, eia, ei, ei, ei, eia!«
Einen künstlichen, verschnirkelten Pfiff und einen vollen Bogenstrich über die Saiten seiner Fiedel hing er daran. Der Hund, welchem plötzlich die Erinnerung an einen leckern Milchtopf in den rauhen Kopf kam, sprang mit Gebell voran. Es war sehr gut, daß der Herr Pastor eben mit dem Spaten in der Hand im Garten auf einen Maulwurf lauerte, der ihm durch sein Wühlen schon viel Kummer und Ärger verursacht hatte. Auch den Maulwürfen wurde es allmählich zu unheimlich und schwül in der dürren Erde! –
Wenn Ehrn Valentin nichts von dem Gesang des Geigers vernahm, so hörte ihn desto besser die Monika, und sie segnete die Dämmerung, welche ihr erglühendes Gesichtchen dem fahrenden Manne verbarg. Scheu schlüpfte sie zu ihm heraus und drückte ihm verstohlen mit einem Patengulden aus ihrem Sparhafen die Antwort an den Klaus in die Hand.
»So ist’s recht, das wird einen Jubel geben auf dem Schloß Pyrmont!« flüsterte der Spielmann, als er beides nahm. Es war nur ein kleines, kleines Briefchen, welches in den Bettelsack glitt. Es stand aber gar Vieles und Wichtiges darin, und mehr und noch Wichtigeres ließ sich zwischen den Zeilen herauslesen.
So schrieb die Monika Fichtner:
»Mein herzlieber Klaus!
Deinen Brief habe ich gelesen. O, wie hab ich mich gefreut darüber! Ich war sehr traurig, seitdem Du weggefahren bist in der Nacht mit dem Schiff; doch nun ist es gut, denn ich weiß, daß Du noch am Leben bist. Als ich Deinen Brief gelesen hatte, waren meine Augen naß und rot, und da mußte auch grade der Vater nach mir rufen. Ich schob alles auf das Herdfeuer und den Rauch. Ich lasse nun Deinen Brief nicht eher von mir, als bis Du mir einen andern schickest, und dann auch nicht, denn dann lege ich beide zusammen. Bitte, schicke bald den zweiten!!! Es ist doch recht traurig für ein armes Mädchen, wann es keine Mutter mehr hat! – Bei uns ist noch alles so, wie es war; wir haben hier auch einen sehr dürren Sommer. Meine Blumen sind alle tot und verwelkt, daß ich schier weinen möchte, wenn ich den Garten anschaue. Die Weser ist ganz weg getrocknet, und alle Leute klagen sehr und fürchten eine große Hungersnot. Der Vater ist sehr gut gegen mich; aber von Dir spricht er kein Wort, weder im Guten noch im Bösen; ach, lieber Klaus, wie soll das werden?! Neulich hat er auch – ich meine den Vater – Franz Schlachtmeyer und Justine Rotenberg zusammengegeben. Sie hatten eine große Hochzeit trotz der schweren Zeit, und alle Leute, wenn sie auch eingeladen waren und lustig mitmachten, haben sich schrecklich darüber aufgehalten. – Wenn ich auf solcher Hochzeit auch mit andern tanzen mußte, so war es mir doch immer, als hätt ich Dich im Arm, lieber Klaus, obgleich wir niemalen zusammen getanzt haben als nur, als wir noch Kinder waren, wann uns der einbeinige Hansel den Dudelsack aufspielte. Der Vater wollte es ja nie haben, daß Du mit mir tanztest.
Lieber Klaus, wann so viele Menschen am heiligen Born zu Pyrmont versammelt sind, so sind gewißlich viele viel schönere Jungfern als ich darunter; allerliebster Klaus, tu mir um Gottes willen nicht das große Herzeleid an und schaue zu viel nach ihnen. Wann Du es tust, so muß ich mich darüber zu Tode grämen, denn ich werd es ganz gewiß bis hieher fühlen. Lieber Klaus, gedenk, daß Dich niemalen eine