Gesammelte Werke von E. T. A. Hoffmann. E. T. A. Hoffmann

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Gesammelte Werke von E. T. A. Hoffmann - E. T. A. Hoffmann


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etc.«, schicklich einzukleiden.

      Ich. Vor einiger Zeit klang der Einfall weniger ironisch als jetzt. Doch wie war es möglich, daß jene weinerliche, moralisierende Periode bis zur höchsten Stufe der unerträglichsten Langeweile sich nicht mit einem allgemeinen Auflehnen dagegen, mit einer plötzlichen Revolution endigen konnte, sondern nach und nach verbleichen und verlöschen mußte?

      Berganza. Ich glaube nicht, daß ihr Deutsche, selbst bei dem schwersten Druck, zum Aufstande dagegen durch einen plötzlichen Blitz aufzuregen seid. Indessen würde die Sache doch anders und zwar eindringender, schneller gegangen sein, wenn ein herrlicher Dichter, der euch noch manchmal bis in das Innerste hinein erfreuen wird, damals seinen gerechten Abscheu gegen die armseligen Bretter überwunden und uns ein Märchen, wie Gozzi das Märchen von den drei Pomeranzen, von der Bühne herab erzählt hätte. – Wie es nur an ihm lag, mit der ihm zu Gebote stehenden unendlichen poetischen Kraft das jämmerliche Kartenhaus einzuschießen, zeigt die Wirkung, ja die gänzliche Revolution in allen dem Theater befreundeten poetischen Gemütern, die sein polemisches, in Form des Lustspiels abgefaßtes Märchen hervorbrachte, das, wenn alle Beziehungen längst fremd geworden sind, als ein für sich bestehendes ergötzliches Produkt nicht ohne das innigste Behagen gelesen werden wird.

      Ich. Ich merke, daß du den »Gestiefelten Kater« meinst, ein Buch, was mich schon damals, als ich noch von den unglückseligen Erscheinungen jener Periode befangen, mit dem reinsten Vergnügen erfüllte. – Warum springst du so, Berganza?

      Berganza. Ach! – es ist der Aufheiterung wegen! – Ich will mir all die verfluchten Erinnerungen an das Theater aus dem Sinne schlagen und ein Gelübde tun, mich nie mehr darauf einzulassen. – Am liebsten ginge ich zu meinem Kapellmeister.

      Ich. So nimmst du also das Anerbieten, bei mir zu bleiben, nicht an?

      Berganza. Schon deshalb nicht, weil ich mit dir gesprochen. Es ist überhaupt nicht ratsam, jemanden alle Talente, die man besitzt, zu enthüllen, weil dieser dann das wohlerworbene Recht zu haben glaubt, sie in Anspruch zu nehmen, wie er nur mag. So könntest du nun oft von mir verlangen, daß ich mit dir sprechen sollte.

      Ich. Weiß ich denn aber nicht, daß es nicht von dir abhängt, zu sprechen, wann du willst?

      Berganza. Wenn auch! – Du könntest es oft für Eigensinn halten, wenn ich hartnäckig schwiege, unerachtet es mir in dem Augenblick unmöglich sein dürfte, menschlich zu schwatzen. Verlangt man nicht oft von dem Musiker, er solle spielen, – von dem Dichter, er solle Verse machen, sind auch Zeit und Umstände so ungünstig, daß es unmöglich ist, dem Zudringlichen zu genügen? Und doch schilt man dann jede Weigerung Eigensinn. – Kurz! – ich bin dir mit meinen besondern Gaben und Eigenheiten zu bekannt geworden, als daß auf ein näheres Verhältnis zwischen uns zu rechnen wäre. Überdem habe ich mein Unterkommen schon gefunden, laß uns also davon abbrechen.

      Ich. Es ist mir unlieb, daß du so wenig Zutrauen zu mir hast.

      Berganza. Du bist also auch neben deinem Musiktreiben Schriftsteller – Dichter?

      Ich. Ich schmeichle mir bisweilen –

      Berganza. Schon genug – ihr taugt alle nicht viel, denn der reine, einfarbige Charakter ist selten.

      Ich. Was willst du damit sagen?

      Berganza. Nächst denen, die nur im äußern Prunkstaat der Poesie erscheinen, nächst euern geleckten Männlein, euern gebildeten gemüt- und herzlosen Weibern, gibt es noch welche, die von innen und außen gesprenkelt sind und in mehreren Farben schillern, ja bisweilen wie das Chamäleon die Farben wechseln können.

      Ich. Noch immer verstehe ich dich nicht –

      Berganza. Sie haben Kopf – Gemüt – aber nur dem Geheiligten entfaltet die blaue Blume willig ihren Kelch!

      Ich. Was willst du mit der blauen Blume?

      Berganza. Eine Erinnerung an einen verstorbenen Dichter, der zu den reinsten gehörte, die jemals gelebt. Wie Johannes sagte, leuchteten in seinem kindlichen Gemüte die reinsten Strahlen der Poesie, und sein frommes Leben war ein Hymnus, den er dem höchsten Wesen und den heiligen Wundern der Natur in herrlichen Tönen sang. Sein Dichtername war: Novalis!

      Ich. Viele hielten ihn jederzeit für einen Schwärmer und Phantasten –

      Berganza. Weil er in der Poesie sowie im Leben nur das Höchste, das Heiligste wollte und vorzüglich manchen gesprenkelten Kollegen herzlich verachtete; wiewohl eigentlicher Haß seiner Seele fremd war, so hatte er manchen ihn verfolgenden Feind. – Ebenso weiß ich recht gut, daß man ihm Unverständlichkeit und Schwulst vorwarf, unerachtet es zu seinem Verständnis nur darauf ankam, mit ihm in die tiefsten Tiefen hinabzusteigen und wie aus einem in Ewigkeit ergiebigen Schacht die wundervollen Kombinationen, womit die Natur alle Erscheinungen in ein Ganzes verknüpft, heraufzubergen, wozu denn freilich den mehrsten es an innerer Kraft und an Mut mangelte.

      Ich. Ich glaube, daß wenigstens in Ansehung des kindlichen Gemüts und des wahren poetischen Sinnes ihm ein Dichter der neuesten Zeit ganz an die Seite zu setzen ist.

      Berganza. Meinst du den, der mit seltner Kraft die nordische Riesenharfe ertönen ließ, der mit wahrhafter Weihe und Begeisterung den hohen Helden Sigurd in das Leben rief, daß sein Glanz all die matten Dämmerlichter der Zeit überstrahlte und vor seinem mächtigen Tritt all die Harnische, die man sonst für die Helden selbst gehalten, hohl und körperlos umfielen, – meinst du den, so gebe ich dir recht. – Er herrscht als unumschränkter Herr im Reich des Wunderbaren, dessen seltsame Gestalten und Erscheinungen willig seinem mächtigen Zauberrufe folgen und – doch in diesem Augenblicke fällt mir durch eine besondere Ideenkombination ein Bild oder vielmehr ein Kupferstich ein, der anders, als was er vorstellt, gedeutet, mir das eigentliche innere Wesen solcher Dichter, als von denen wir eben sprechen, auszudrücken scheint. –

      Ich. Sprich, lieber Berganza, was ist das für ein Bild?

      Berganza. Meine Dame (du weißt, daß ich die Dichterin und mimische Künstlerin meine) hatte ein sehr schönes Zimmer mit guten Abdrücken der sogenannten Shakespeares-Galerie ausgeziert. Das erste Blatt, gleichsam als Prologus, stellte Shakespeares Geburt vor. Mit ernster hoher Stirn, mit hellen, klaren Augen um sich schauend, liegt der Knabe in der Mitte, um ihn die Leidenschaften, ihm dienend; – die Furcht, die Verzweiflung, die Angst, das Entsetzen schmiegen, gräßlich gestaltet, sich willig dem Kinde und scheinen auf seinen ersten Laut zu horchen. –

      Ich. Aber die Deutung auf unsere Dichter?

      Berganza. Kann man nicht ohne allen Zwang jenes Bild so deuten: »Sehet, wie dem kindlichen Gemüte die Natur in allen ihren Erscheinungen unterworfen, wie selbst das Furchtbare, das Entsetzliche sich seinem Willen und seinem Worte schmiegt, und erkennet, daß nur ihm diese zauberische Macht verstattet.«

      Ich. In diesem Sinne habe ich wirklich noch nie das mir wohlbekannte Bild betrachtet; aber ich muß gestehen, daß deine Deutung nicht allein paßt, sondern auch überdem sehr pittoresk ist. Überhaupt scheint deine Phantasie sehr regsam. – Doch! – Du bist mir noch die Erklärung deiner sogenannten gesprenkelten Charaktere schuldig.

      Berganza. Der Ausdruck taugt nicht viel, um das zu bezeichnen, was ich eigentlich meine, indessen hat ihn der Haß geboren, den ich gegen alle buntfarbig gesprenkelte Kreaturen von meinem Stande trage. Oft bin ich einem bloß deshalb in die Ohren gefahren, weil er, in Weiß und Braun gefärbt, mir wie ein verächtlicher buntscheckichter Narr vorkam. – Sieh, lieber Freund, es gibt so viele unter euch, die man Dichter nennt und denen man Geist, Tiefe, ja selbst Gemüt nicht absprechen kann, die aber, als sei die Dichtkunst etwas anderes als das Leben des Dichters selbst, von jeder Gemeinheit des Alltagslebens angeregt, sich willig den Gemeinheiten selbst hingeben und die Stunden der Weihe am Schreibtische von allem übrigen Treiben und Tun sorgfältig trennen. – Sie sind selbstsüchtig, eigennützig, schlechte Gatten, schlechte Väter, untreue Freunde, indem sie, sobald der neue Bogen zur Presse soll, das


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