Gesammelte Werke von E. T. A. Hoffmann. E. T. A. Hoffmann

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Gesammelte Werke von E. T. A. Hoffmann - E. T. A. Hoffmann


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der den Dichter der »Athalia« dem guten Hausvater vorzieht.

      Berganza. Mir ist es schon fatal, daß man bei dem Dichter, als sei er eine diplomatische Person oder nur überhaupt ein Geschäftsmann, immer das Privatleben – und nun von welchem Leben denn? – absondert. – Niemals werde ich mich davon überzeugen, daß der, dessen ganzes Leben die Poesie nicht über das Gemeine, über die kleinlichen Erbärmlichkeiten der konventionellen Welt erhebt, der nicht zu gleicher Zeit gutmütig und grandios ist, ein wahrhafter, aus innerem Beruf, aus der tiefsten Anregung des Gemüts hervorgegangener Dichter sei. Ich möchte immer etwas aufsuchen, wodurch erklärt würde, wie das, was er verkündet, von außen hineingegangen sei und den Samen gestreut habe, den nun der lebhafte Geist, das regbare Gemüt zur Blüte und Frucht reifen läßt. Mehrenteils verrät auch irgendeine Sünde, sei es auch nur eine Geschmacklosigkeit, von dem Zwange des fremdartigen Schmuckes erzeugt, den Mangel an innerer Wahrheit.

      Ich. Das ist also dein gesprenkelter Charakter?

      Berganza. Allerdings! – Ihr habt einen Dichter – gehabt, möcht' ich beinahe sagen, dessen Werke oft eine in Seele und Herz dringende Frömmigkeit atmen, und der übrigens ganz für das Original jenes schwarzen Bildes gelten kann, das ich von dem gesprenkelten Charakter entworfen. Er ist selbstsüchtig, eigennützig, perfid gegen Freunde, die es gut und redlich mit ihm meinten, und keck will ich es behaupten, daß nur das Auffassen und Verfolgen einer fixen Idee ohne einen eigentlichen innern Beruf ihn den Weg betreten ließ, den er nun für immer eingeschlagen. – Vielleicht dichtet er sich herauf bis zum Heiligen! –

      Ich. Das ist mir rätselhaft!

      Berganza. Und möge dir das Rätsel auch ungedeutet bleiben! – Du siehst kein weißes Haar an mir – ich bin durchaus schwarz – schiebe allenfalls darauf meinen tiefen Haß gegen alles Bunte. – Närrisch war es doch, sich gerade für die Jungfrau Maria zu halten.

      Ich. Du springst auf etwas Neues?

      Berganza. Im Gegenteil! – ich bleibe bei dem Alten. Johannes Kreisler erzählte einmal in meiner Gegenwart einem Freunde, wie einst der Wahnsinn der Mutter den Sohn zum Dichter in der frömmsten Manier gebildet habe. – Die Frau bildet sich ein, sie sei die Jungfrau Maria und ihr Sohn der verkannte Christus, der auf Erden wandle, Kaffee trinke und Billard spiele, aber bald werde die Zeit kommen, wo er seine Gemeine sammeln und sie geradesweges in den Himmel führen würde. Des Sohnes rege Phantasie fand in der Mutter Wahnsinn die Andeutung seines höheren Berufs. – Er hielt sich für einen Auserwählten Gottes, der die Geheimnisse einer neuen geläuterten Religion verkünden solle; mit innerer Kraft, die ihn das Leben an den erkannten Beruf setzen ließ, hätte er ein neuer Prophet oder was weiß ich werden können; aber bei der angebornen Schwächlichkeit, bei dem Kleben an den Alltäglichkeiten des gemeinen Lebens fand er es bequemer, jenen Beruf nur in Versen anzudeuten, ihn auch nachgerade zu verleugnen, wenn er seine bürgerliche Existenz gefährdet glaubte. – Ach, mein Freund! Ach! –

      Ich. Was ist dir, lieber Berganza?

      Berganza. Bedenke das Schicksal eines armen Hundes, der verdammt ist, recht was man sagt, aus der Schule zu schwatzen, wenn ihm einmal der Himmel zu sprechen erlaubt. – Doch freut es mich, daß du meinen Zorn, meine Verachtung gegen eure falschen Propheten – so will ich die nennen, die der wahren Poesie zum Hohn sich nur im Falschen, Angeeigneten bewegen – so gut aufgenommen oder vielmehr für gerecht erkannt hast. – Ich sage dir, Freund, traue nicht den Gesprenkelten! –

      In diesem Augenblicke schüttelte ein frischer Morgenwind die Äste der hohen Bäume, daß die Vögel sich vom Schlafe ermunterten und in leichtem Fluge sich in dem Purpur badeten, das nun hinter den Bergen aufstieg und die Luft erfüllte.

      Berganza machte seltsame Grimassen und Sprünge. Seine funkelnden Augen schienen Feuer zu sprühen; ich stand auf, und ein Grauen wandelte mich an, dem ich in der Nacht widerstanden.

      »Trau – Hau – Hau – Au Au!« –

      Ach! Berganza wollte reden, aber die versuchten Worte gingen unter in dem Bellen des gewöhnlichen Hundes.

      Mit Blitzesschnelle sprang er fort; bald war er mir aus den Augen, aber noch aus weiter Ferne erschallte das

      Trau – Hau – Hau – Hau – Hau – Hau –

      und ich wußte, was ich dabei zu denken hatte.

      Fußnoten

      Zweiter Teil

       Inhaltsverzeichnis

      Eine Familienbegebenheit (Erstdruck 1814)

       Inhaltsverzeichnis

       Träume sind Schäume

       Mariens Brief an Adelgunde

       Fragment von Albans Brief an Theobald

       Das einsame Schloß

       Aus Bickerts Tagebuch

      Träume sind Schäume

       Inhaltsverzeichnis

      „Träume sind Schäume“, sagte der alte Baron, indem er die Hand nach der Klingelschnur ausstreckte, um den alten Kaspar herbeizurufen, der ihm ins Zimmer leuchten sollte; denn es war spät geworden, ein kalter Herbstwind strich durch den übel verwahrten Sommersaal, und Maria, in ihren Shawl fest eingewickelt, schien mit halbgeschlossenen Augen sich des Einschlummerns nicht mehr erwehren zu können. – „Und doch“, fuhr er fort, die Hand wieder zurückziehend, und aus dem Lehnstuhl vorgebeugt beide Arme auf die Kniee stützend – „und doch erinnere ich mich manches merkwürdigen Traumes aus meiner Jugendzeit!“ – „Ach, bester Vater“, fiel Ottmar ein, „welcher Traum ist denn nicht merkwürdig, aber nur die, welche irgend eine auffallende Erscheinung verkündigen – mit Schillers Worten: die Geister, die den großen Geschicken voranschreiten – die uns gleich mit Gewalt in das dunkle geheimnisvolle Reich stoßen, dem sich unser befangener Blick nur mit Mühe erschließt, nur die ergreifen uns mit einer Macht, deren Einwirkung wir nicht ableugnen können.“

      „Träume sind Schäume“, wiederholte der Baron mit dumpfer Stimme, „und selbst in diesem Weidspruch der Materialisten, die das Wunderbarste ganz natürlich, das Natürlichste aber oft abgeschmackt und unglaublich finden“, erwiderte Ottmar, „liegt eine treffende Allegorie.“ – „Was wirst du in dem alten verbrauchten Sprichwort wieder Sinniges finden?“ fragte gähnend Maria. – Lachend erwiderte Ottmar mit Prosperos Worten: „Zieh deiner Augen Fransenvorhang auf, und hör mich freundlich an! – Im Ernst, liebe Maria, wärst du weniger schläfrig, so würdest du selbst schon geahnet haben, daß, da von einer über alle Maßen herrlichen Erscheinung im menschlichen Leben, nämlich vom Traume die Rede ist, ich mir bei der Zusammenstellung mit Schaum auch nur den edelsten denken kann, den es gibt. – Und das ist denn doch offenbar der Schaum des gärenden, zischenden, brausenden Champagners, den du abzunippen auch nicht verschmähst,


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