Der Bergpfarrer Paket 1 – Heimatroman. Toni Waidacher

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Der Bergpfarrer Paket 1 – Heimatroman - Toni Waidacher


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      »Anni, du bist ein Schatz. Dafür spiel’ ich dir nachher etwas auf der Zither vor.«

      »Bloß net«, wehrte Wenzel ab. »Das hat sich früher schon grauslich angehört. Bestimmt wird’s net besser g’worden sein.«

      Für diese freche Bemerkung erntete er einen finsteren Blick seines Bruders.

      »Jetzt erst recht«, versprach Thomas. »Ich geb’ den Zwillingen gleich nachher Unterricht im Zitherspielen. Während du deinen Mittagsschlaf hältst.«

      Phillip und Ann-Kathrin jauchzten vor Begeisterung, während ihr Vater das Gesicht verzog.

      »Dann schlaf’ ich eben im Heu«, meinte er.

      »So, wie du’s immer tust, wenn’s zu lang’ im Wirtshaus gesessen hast«, warf Sonja ein.

      »Sag’ mal, wer war es eigentlich, den du getroffen hast?« fragte Wenzel Burger, mehr um von seinen Wirtshauseskapaden abzulenken, als aus Neugierde.

      Thomas nahm sich noch einmal von dem saftigen Gulasch, bevor er antwortete.

      »Eine liebe, alte Bekannte«, sagte er und schmunzelte dabei.

      »Ach, darum«, meinte Wenzel.

      Sein Bruder sah ihn fragend an.

      »Warum, darum?«

      »Darum schaust so glücklich aus«, sagte er. »Ich kann mir schon denken, wer die liebe, alte Bekannte ist.«

      Er schaute in die Runde.

      »Ich glaub’, mein kleiner Bruder ist verliebt«, gab er bekannt.

      Thomas spürte, wie er rot wurde, als die anderen ihn mit schmunzelnden Blicken bedachten.

      Wart, du Hirsch, dachte er. Das zahl’ ich dir heim!

      *

      Franz Hochanger schob mit einer unwirschen Handbewegung seinen Teller beiseite. Seine Mutter sah ihn forschend an.

      »Was ist denn, Bub, hast keinen Appetit?«

      »Nein«, lautete die knappe Antwort.

      Er stand auf und ging an den kleinen Wandschrank, der neben der Tür hing. Darin waren eine Flasche Enzian und Schnapsgläser. Hastig trank er das erste Glas leer und schenkte sich gleich darauf ein zweites ein. Waltraud Hochanger schüttelte ratlos den Kopf. Seit dem Morgen war ihr Sohn unausstehlich. Kaum daß er den Mund aufbekam, wenn sie ihn nach dem gestrigen Abend befragte. Offenbar mußte der Tanzabend ein einziger Reinfall gewesen sein, und das konnte doch nur mit der Andrea zusammenhängen.

      Was wollte dieses Madel bloß? Besser als mit dem Franzl, konnte sie es doch gar net treffen! Oder wollte sie ihr Leben lang als Magd auf dem Hof des Bruders arbeiten?

      »Magst noch was vom Pudding?« fragte sie ihren Sohn, in der Hoffnung, ihn vom Enzian abzulenken.

      Wenn er dabei blieb, konnte es leicht sein, daß er für den Rest des Tages nicht mehr ansprechebar war.

      Ohne zu antworten stellte Franz Hochanger die Flasche zurück und das leere Glas auf den Tisch. Dann verließ er die gute Stube. Seit dem gestrigen Abend sah die Welt für ihn anders aus. Alle Hoffnungen, die er gehegt hatte, waren zerschlagen. Wie hatte er sich auf dieses Tanzvergnügen gefreut! Seit mehr als drei Jahren warb er schon um Andrea Hofer, und gestern hatte sie zum ersten Mal seinem Werben nachgegeben. Franz war sicher gewesen, daß es net mehr lange gedauert hätte, und sie wäre seine Frau geworden.

      Wenn nicht dieser Musikus aufgekreuzt wäre und alles zunichte gemacht hätte.

      Franz Hochanger schäumte. Den Hals hätte er ihm umdrehen können, wenn er ihn jetzt vor sich gehabt hätte, aber so leicht war er nicht gewillt, aufzugeben. Wart’ nur, Bürschchen, dachte der Bauer, so ohne weiteres kommst net hierher und spannst mir mein Madel aus!

      Seit er aufgestanden war, sann Franz darüber nach, wie er den Nebenbuhler ausstechen konnte. Die Nacht war grauenhaft gewesen. Immer wieder sah er Andreas Gesicht, wie sie neben ihm gesessen hatte und ihm sagte, daß sie einen anderen liebe.

      Auch wenn sie den Namen des anderen nicht genannt hatte, für Franz stand fest, daß es sich nur um Thomas Burger handeln konnte. Es war ja kein Geheimnis, daß er und Andrea früher einmal befreundet gewesen waren, und die Reaktion des Madels, als sie seinen Namen hörte, war eindeutig gewesen.

      Aber das war früher gewesen, vor zehn langen Jahren. Was bildete dieser Kerl sich eigentlich ein, nach so langer Zeit herzukommen und alte Rechte geltend zu machen?

      »Aber net mit mir«, sagte Franz Hochanger zu sich und hieb wütend seine Faust in die Hand.

      Schon am Morgen in der Kirche hatte er ihn gemustert. Unverschämt gut sah er aus, dieser berühmte Pianist. Franz verstand nichts von klassischer Musik, ihm waren ein Jodler und eine zünftige Polka lieber. Aber er konnte sich schon vorstellen, daß die Frauen auf solch einen Mann, wie Thomas Burger, flogen. Nur dann sollte er sie sich auch, bitt’ schön, in seinen Kreisen suchen. Hier hatte er doch nix mehr verloren. Was verstand denn solch einer überhaupt noch vom einfachen Leben in den Bergen, verwöhnt wie er war, durch den Luxus?

      Je mehr er darüber nachdachte, um so mehr steigerte Franz sich in seine Wut hinein. Er wußte noch nicht wie, aber er würde Thomas zur Rede stellen. Er würde ihm klar ins Gesicht sagen, daß er Andrea liebte und vor den Altar führen wolle, und daß hier kein Platz war, für einen wie ihn.

      Die Rufe seiner Mutter aus dem Haus überhörte er einfach. Statt dessen setzte er sich in seinen Wagen und machte sich auf den Weg zu seinem Spezi, dem Wachauer-Josef. Der war einer seiner besten Trinkkumpane und würde nicht nur Verständnis für Franz’ Kummer haben, sondern auch einen Trost:

      Eine Flasche besten Enzian.

      *

      Sebastian Trenker und der Mesner von Sankt Johann, Alois Kammeier, räumten in der Sakristei auf, als Thomas Burger die Kirche betrat. Oben an der Orgel saß Anton Hirsinger. Der pensionierte Lehrer übte schon seit Jahren das Amt des Organisten aus. Der volle Klang der zweihundert Jahre alten Orgel brauste durch das leere Kirchenschiff.

      Thomas war unter der Empore stehengeblieben und schaute stumm umher. Nichts hatte sich hier verändert. Die Kirche erstrahlte im Glanz der vergoldeten Figuren und Bilderrahmen, den bunten Fenstern und den blauen und roten Farben, die hier vorherrschten.

      Langsam schritt er dann durch den Mittelgang, während er der Musik lauschte. Neben dem Eingang zur Sakristei hing ein Bild, das Thomas schon in frühester Jugend angesprochen hatte. Gethsemane, es zeigte den Erlöser im Gebet versunken, am Abend vor der Kreuzigung. Daneben stand, auf einem Podest, eine Madonnenfigur.

      Anton Hirsinger beendete sein Spiel, und die plötzlich eintretende Ruhe schuf eine merkwürdige Atmosphäre, die jedoch wieder durch Geräusche aus der Sakristei verändert wurde.

      Thomas klopfte an die Tür, die einen Spaltbreit aufstand. Zuvor war er im Pfarrhaus gewesen und hatte nach dem Seelsorger gefragt. Sophie Tappert hatte gesagt, daß der Pfarrer drüben in der Kirche sei.

      Die Sakristeitür wurde vollends geöffnet und Sebastian schaute heraus. Er lachte, als er den Besucher erkannte.

      »Na, bist ein bissel heimisch geworden?« fragte er.

      »Ja. Im Dorf hat sich zwar einiges verändert, aber ich hab’ dennoch alles wiedererkannt.«

      Thomas begrüßte den Kammeier-Alois und schaute dann zur Orgel hinauf.

      »Darf ich?« fragte er.

      »Aber natürlich«, nickte der Geistliche. »Ich glaub, der Hirsinger wird sich auch freuen, dich spielen zu hören. Er müßt’ doch eigentlich noch oben sein.«

      »Bestimmt. Er ist ja g’rad erst fertig. Dank’ schön, Hochwürden.«

      Thomas ging durch die Seitentür und die kleine Treppe hinauf, über die man zu der Orgel gelangte. Sein alter Schulmeister war gerade dabei, seine Notenzettel zu sortieren und in die richtige Reihenfolge


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