Der Bergpfarrer Paket 1 – Heimatroman. Toni Waidacher

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Der Bergpfarrer Paket 1 – Heimatroman - Toni Waidacher


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herunterkam, fiel Wenzel das bleiche Gesicht seiner Frau auf.

      »Was ist denn los?« wollte er wissen. »Hast ein Gespenst gesehen? Du bist ja ganz weiß.«

      »Der Thomas ist fort…«, antwortete sie. »Einfach verschwunden.«

      »Wie verschwunden?«

      »Er ist weg. Sein Rucksack ist auch net mehr da. Thomas ist weggegangen.«

      »Na, weit kann er ja net sein. Sein Auto steht ja noch auf’m Hof.«

      Max Trenker war inzwischen ins Haus gekommen.

      »Pfüat di, Sonja«, sagte er. »Wie meinst’ denn das, daß der Thomas einfach so verschwunden ist?«

      Die junge Bäuerin setzte das Tablett ab und machte eine ratlose Handbewegung.

      »Wie ich’s halt sag’. Ich wollt’ ihm eben etwas zu essen bringen, und da ist das Zimmer leer.«

      Der Bauer und der Gendarm sahen sich ratlos an.

      »Tja, da muß ich halt wieder fahren«, sagte Max Trenker schließlich. »Ich werd’ zwar die Leute befragen, ob sie etwas gesehen haben, deine Angaben allein’ sind ein bissel dürftig. Es wär’ schon schön gewesen, wenn dein Bruder seine Aussage hätte machen können. Wenn er wieder auftaucht, soll er sich halt auf dem Revier melden.«

      Der Polizeibeamte verabschiedete sich. Sonja und Wenzel Burger blieben ratlos zurück.

      »Was machen wir denn jetzt?« fragte die Bäuerin. »Ich fürcht’, der Thomas macht irgendeine Dummheit…«

      Wenzel sah seine Frau entsetzt an.

      »Mal bloß net den Teufel an die Wand«, mahnte er.

      Plötzlich hatte er eine Idee.

      »Ich fahr’ gleich mal zur Andrea hinüber«, sagte er. »Vielleicht ist Thomas bei ihr. Himmel, warum bin ich net gleich darauf gekommen?«

      *

      Am Sonntag morgen ging es auf den Höfen immer etwas ruhiger zu, als in der Woche. So auch auf dem Hof der Familie Hofer. Als Wenzel vor dem Bauernhaus hielt, machten sie sich gerade für den Kirchgang bereit. Andrea schaute neugierig, als sie den Bruder ihres Verlobten erkannte.

      »Pfüat euch, miteinand’«, grüßte der Bauer. »Ist der Thomas vielleicht bei euch?«

      Die Hofer schüttelten die Köpfe. Andrea trat zu Wenzel und packte ihn am Arm. Ein untrügliches Gespür sagte ihr, daß etwas geschehen war.

      »Was ist mit Thomas?« fragte sie aufgeregt. »Warum suchst’ ihn hier bei uns? Wieso ist er überhaupt verschwunden?«

      »Beruhig’ dich, Madel«, sagte Wenzel Burger. »Thomas ist gestern abend auf dem Heimweg… überfallen worden…«

      Andrea schrie entsetzt auf. Ihr Vater, der Bruder und Mutter

      Burgl waren fassungslos.

      »Was… was ist mit ihm? Ist er verletzt?«

      Die junge Frau war außer sich.

      »Überfallen? Aber, warum?«

      Der Bauer berichtete, was geschehen war.

      »… als die Sonja ihm das Frühstück bringen wollte, war er net mehr da, und ein Teil seiner Sachen auch net«, schloß er seinen Bericht.

      Andrea sah ihre Eltern an.

      »Ihr müßt alleine in die Kirch’ gehen«, sagte sie entschlossen. Ich fahr’ mit Wenzel. Ich muß da sein, wenn Thomas zurückkommt.«

      »Hast du keine Ahnung, wo er stecken könnt’?« forschte der Bauer auf der Fahrt zurück zum Hof. »Wir wissen ja net, wann er überhaupt das Haus verlassen hat, wie weit er jetzt schon ist. Aber, wo will er überhaupt hin, ohne Auto? Ich denk’ mir, daß er irgendwo steckt, wo er alleine sein und über alles nachdenken kann.«

      Die junge Frau kämpfte mit den Tränen. Sie war unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen. Ihre einzige Hoffnung war, daß Thomas inzwischen zum Hof zurückgekehrt sein könnte.

      Aber diese Hoffnung trog. Ebenso ratlos, wie er sie zurückgelassen hatte, erwartete Sonja Burger ihren Mann. Sie schloß Andrea fest in die Arme.

      »Wir wollen net das Schlimmste annehmen«, sagte sie leise, während sie Andrea beruhigend über das Haar strich. »Kommt ins Haus. Ich hab’ Kaffee gekocht, und auf dem Herd steht die Fleischbrühe. Die wird uns allen guttun.«

      Die Zwillinge freuten sich über den unerwarteten Besuch vom Nachbarhof. Essen wollte Andrea nichts, aber es gelang Phillip und Ann-Kathrin, sie mit kleinen Späßchen und Spielen ein wenig von den trüben Gedanken abzulenken.

      Allerdings war der nächtliche Überfall auch Thema des Gespräches, das die Erwachsenen führten, als die Kinder nach dem Essen draußen auf dem Hof spielten.

      »Wer macht so etwas nur?« fragte Wenzel Burger. »Und warum? Der Thomas hat doch niemandem etwas Böses getan. Wenn ich die Burschen in die Finger krieg’…«

      Er führte nicht weiter aus, was er zu tun gedachte, aber man konnte seinem grimmigen Gesicht ansehen, daß es den Burschen übel ergehen würde, sollte er sie tatsächlich erwischen.

      Andrea, die sich inzwischen ein wenig erholt hatte, versuchte nachzudenken. Aber, so sehr sie sich auch den Kopf zerbrach, es wollte ihr niemand einfallen, der für den gemeinen Überfall in Frage kam… außer einem.

      »Du glaubst, der Hochanger könnt’ dahinterstecken?« fragte Wenzel, nachdem Andrea von ihrem Verdacht gesprochen hatte.

      Die junge Frau hob die Schulter.

      »Ich möcht’ niemanden zu unrecht beschuldigen, aber der Franz war schon recht bös’, als ich ihm klipp und klar gesagt hab’, daß ich einen anderen liebe.«

      Der Bauer strich sich nachdenklich über das Kinn.

      »Also zutrauen würd’ ich’s ihm«, meinte er. »Lang genug macht er dir ja schon den Hof. Und jetzt, wo Thomas wieder da ist, wird er sich schon denken können, um wen es sich da handelt. Na, und wahrscheinlich hat er euch auch zusammen auf dem Schützenfest gesehen.«

      Er nickte zuversichtlich.

      »Ja, je mehr ich darüber nachdenk’, um so plausibler scheint es mir. Der Hochanger wollte einen Rivalen ausschalten, und er ist ein brutaler Bursche, der vor keiner Keilerei zurückschreckt. Wenn einer dafür in Frage kommt, dann er.«

      *

      Nicht minder entsetzt über den gemeinen Überfall war Sebastian Trenker, als er durch seinen Bruder davon hörte. Keinem der drei Personen wollte es mehr so recht schmecken am Mittagstisch. Dabei hatte Sophie Tappert wieder einmal so herrlich gekocht.

      Eine gute Brühe gab es, mit Fleischklößchen und Eierstich. Danach eine kleine Rehkeule, die in einer sahnigen Wachholdersauce serviert wurde. Dazu gab es Rotkraut, Preiselbeeren und Sophies hausgemachten Spätzle. Zum Dessert hatte die Haushälterin einen aufgeschlagenen Weinschaum vorgesehen.

      Selbst Max Trenker wollte nicht so recht zulangen, wie es sonst seine Art war. Ihn wurmte es, daß es in seinem Revier zu solch einem feigen Überfall gekommen war. Allein eine Schlägerei, wie sie schon mal vorkam, fand er überflüssig. Aber einen einzelnen Mann, zu zweit so zusammenzuschlagen, das war schon ein Verbrechen!

      »Am meisten Sorge macht mir die Hand vom Thomas«, sagte Pfarrer Trenker. »Wenn die Finger wirklich steif bleiben, dann bricht für ihn eine Welt zusammen. Klavierspielen ist doch sein ein und alles. Der Thomas lebt doch nur dafür.«

      Der Geistliche legte das Besteck beiseite und faltete seine Serviette zusammen.

      »Ich fahr’ gleich zum Burgerhof hinauf«, sagte er. »Bitte, Frau Tappert, für mich keinen Nachtisch. Ich möcht’ keine Zeit verlieren und gleich losfahren. Vielleicht kann ich irgendwie helfen. Jemand muß sich doch auch um den Wenzel und seine Familie kümmern. Sie werden sich furchtbar ängstigen,


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