Der Bergpfarrer Paket 1 – Heimatroman. Toni Waidacher

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Der Bergpfarrer Paket 1 – Heimatroman - Toni Waidacher


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Stunde konnte sie die Hütte sehen. Sie stand wie an den Berg geschmiedet. Andrea beeilte sich. Mit jedem Meter, den sie vorankam, schlug ihr Herz schneller. Endlich hielt sie es nicht mehr aus.

      »Thomas!« rief sie, so laut sie konnte. »Thomas, wo bist du?«

      Ihre Worte wurden als vielfaches Echo von den Berghängen zurückgeworfen.

      Das Madel hielt sich eine Hand über die Augen und schirmte das Sonnenlicht ab. Hatte sich da nicht etwas bei der Hütte bewegt? Sie blinzelte mit den Augen. Doch, jemand schaute heraus, jemand, der durch ihr Rufen aufmerksam geworden war.

      Es konnte nur Thomas sein. Sie erkannte den Verband an der linken Hand.

      »Thomas – endlich! Wart’, ich komm’ herauf.«

      Die letzten Meter waren die schwersten. Sie schienen überhaupt kein Ende zu nehmen. Andrea keuchte und rang nach Luft. Endlich hatte sie es geschafft. Mit zitternden Knien stand sie vor Thomas Burger, der sie schweigend ansah.

      Am liebsten wäre sie ihm sofort um den Hals gefallen, aber etwas in seinem Blick hielt sie davon ab.

      »Was willst’?« fragte er schließlich. »Warum kannst mich net in Ruh’ lassen?«

      Andrea erschrak über diese Worte und den Ton, in dem sie gesprochen waren.

      »Aber… ich versteh’ dich net«, sagte sie zögernd. »Ich… ich hab’ dich gesucht, weil ich mir Sorgen gemacht habe, daß du einfach so verschwunden bist. Der Wenzel, Sonja – wir alle haben uns um dich gesorgt.«

      Thomas machte ein versteinertes Gesicht.

      Andrea machte einen Schritt vor und griff nach seiner gesunden Hand. Der junge Musiker wich unwillkürlich zurück, grad’ so, als habe das Madel eine ansteckende Krankheit. Tränen schossen in ihre Augen, als sie seine Reaktion sah.

      »Aber Thomas, was ist denn los?« fragte sie ratlos. »Bitte, ich kann doch nichts für das, was geschehen ist. Warum bist denn so abweisend?«

      Thomas Burger sah sie an.

      »Geh’«, sagte er. »Geh’ wieder hinunter. Ich will allein sein, und eure Sorgen und euer Mitleid brauch’ ich net. Sag’ meinem Bruder, daß es mir gut geht, aber laßt mich in Frieden. Alle!«

      Damit wandte er sich ab, ging in die Hütte und schlug die Tür hinter sich zu. Andrea war wie gelähmt. Unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen, stand sie da. Endlich begriff sie, was geschehen war. Thomas, der Mann, den sie liebte, auf den sie all die Jahre gewartet hatte – dieser Mann schickte sie einfach fort!

      Sie brauchte eine Weile, ehe ihr die Tragweite seines Handelns bewußt wurde. Andrea unternahm einen zögerlichen Versuch, klopfte an die Tür, rief seinen Namen, doch ohne Erfolg. Der Musiker hatte sich in der Hütte verkrochen, wie ein waidwundes Tier in seinem Bau, und war durch nichts zu bewegen, wieder herauszukommen.

      *

      »Ich versteh’ es einfach net«, sagte Andrea Hofer weinend. »Was ist nur in ihn gefahren?«

      Sebastian Trenker strich ihr behutsam über das Haar.

      »Ich könnt’ mir denken, was in den Thomas gefahren ist«, antwortete der Geistliche.

      Sie saßen im Pfarrbüro. Die junge Frau hatte keinen anderen Ausweg mehr gewußt, als sich an den Seelsorger zu wenden. Nachdem sie von der Alm heruntergekommen war, hatte sie sich mit letzter Kraft zum Treffpunkt am Höllenbruch geschleppt, wo Wenzel und Sonja schon auf sie warteten. Auf ihre Frage nach Thomas, konnte Andrea nur unter Tränen antworten.

      »Komm’, ich fahr dich erst einmal nach Haus’«, sagte Wenzel Burger. »Heut wird’s eh nix mehr, in einer Stunde ist’s dunkel. Aber, gleich morgen früh, steig’ ich hinauf und wasch’ dem Burschen den Kopf. Was fällt dem eigentlich ein?«

      Der Bauer war wirklich etwas böse über das Verhalten seines Bruders. Andrea Hofer wollte allerdings nicht zum Hof.

      »Setz’ mich bitte bei der Kirche ab«, bat sie. »Ich möcht’ mit dem Herrn Pfarrer reden. Vielleicht weiß er einen Rat.«

      Sebastian hatte Frau Tappert gebeten, einen Tee für Andrea zu kochen, und die junge Frau in sein Büro geführt. Sie trank den heißen Kräutertee in kleinen Schlucken, und langsam kehrten ihre Lebensgeister wieder zurück.

      »Ich denk’ mir, daß der Thomas glaubt, nie wieder spielen zu können«, sagte der Seelsorger. »Im Augenblick wird niemand an ihn herankommen. Zu tief sitzt der Schmerz, ich meine der seelische Schmerz darüber, daß seine Karriere als Konzertpianist so früh beendet sein könnte. Und in diesem Schmerz ist Thomas ungerecht, auch dir gegenüber. Das mußt du ihm nachsehen und verzeihen. Er meint’s net so.«

      Andrea sah ihn an.

      »Verzeihen? Ich würd’ ihm alles verzeihen.«

      Sebastian nickte.

      »Ich weiß, Andrea. Glaub’ mir, es wird sich alles wieder zum Guten wenden, da bin ich sicher. Thomas liebt dich, und er wird wieder zur Vernunft kommen. Vielleicht nützt es was, wenn ich mit ihm rede.«

      Andreas Miene hellte sich auf.

      »Würden S’ das wirklich tun, Hochwürden?« fragte sie.

      Pfarrer Trenker erhob sich.

      »Ja, gleich morgen, in der Frühe, brech’ ich auf. Und jetzt fahr’ ich dich heim. Wohin willst denn, zu dir nach Hause, oder auf den Burgerhof?«

      »Liebend gerne würd’ ich da sein, wenn Thomas wiederkommt«, erwiderte sie. »Aber, vielleicht ist es erst mal besser, wenn ich nach Hause fahre. Die Eltern machen sich doch auch Sorgen um mich.«

      »Gut«, nickte Sebastian. »Dann laß’ ich beim Wenzel anrufen und Bescheid sagen, daß du wieder zu Hause bist.«

      »Hat Ihr Bruder eigentlich schon etwas darüber herausgefunden, wer hinter dem gemeinen Überfall stecken könnte?« fragte Andrea, als sie auf dem Weg zum Hof ihrer Eltern waren.

      »Bisher net«, antwortete der Geistliche. »Da er Thomas noch net hat sprechen können, ist das, was er darüber weiß, sehr vage. Der Wenzel hat net viel erzählen können, nur daß es zwei maskierte Männer waren, von denen einer beim Weglaufen hinkte…«

      Überraschend fuhr der Seelsorger rechts ran und hielt an. Wie geistesabwesend starrte er nach vorne, durch die Windschutzscheibe. Andrea sah ihn fragend an.

      »Was haben S’ denn, Hochwürden?«

      Sebastian machte ein grimmiges Gesicht.

      »Ich glaub’, mir ist gerad’ was eingefallen«, sagte er und drehte sich zu Andrea um. »Wir haben doch neulich darüber gesprochen, daß du den Franz Hochanger in Verdacht hast, net wahr?«

      »Ja, aber wir können ihm doch nichts beweisen.«

      »Mal sehen. Der Franz ist doch mit dem Wachauer-Josef befreundet, dem Schrotthändler an der Kreisstraße.«

      »Ja, das stimmt.«

      »Und der Mann hinkt!«

      Andrea riß vor Überraschung den Mund auf.

      »Ist das wahr?«

      »So wahr ich der Seelsorger von Sankt Johann bin«, bekräftigte Sebastian Trenker. »Heut’ morgen war ich mit dem Besitzer der Schießbude auf dem Schrottplatz. Der Herr Bichler brauchte einen Austauschmotor für seinen Traktor. Dabei ist es mir aufgefallen. Der Wachauer-Josef ist neben uns her und hat das Tor geöffnet. Er hat eindeutig gehinkt.«

      »Dann hab’ ich auch keine Zweifel mehr, daß der Franz hinter der ganzen Sache steckt«, sagte Andrea. »Dieser gemeine Schuft!«

      Der Pfarrer startete den Motor wieder und gab Gas.

      »Wenn er es war, wird er seine Strafe bekommen«, sagte er.

      *

      Thomas hatte wieder einmal eine schlaflose Nacht verbracht. Seit er hier oben war,


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