Der Bergpfarrer Paket 1 – Heimatroman. Toni Waidacher

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Der Bergpfarrer Paket 1 – Heimatroman - Toni Waidacher


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sollte es ihm schon bald wieder möglich sein, seine Hände wie früher über die Tasten eines Konzertflügels gleiten zu lassen.

      Die Hochzeit stand bevor. Noch wurde alles versucht, den Termin geheimzuhalten, doch so ganz einfach war es nicht. Besonders der Bruckner-Markus bestürmte Andrea und Thomas immer wieder mit irgendwelchen Vorschlägen für die Trauung. Dabei hegte er die Hoffnung, doch noch einen Werbeerfolg mit dieser Hochzeit zu verbinden.

      Sebastian schmunzelte, als er daran dachte. Der Bürgermeister ließ wirklich nichts unversucht, St. Johann in die Schlagzeilen zu bringen.

      Der Geistliche reckte und streckte sich. Vor ihm lag noch ein weiter Weg, aber so anstrengend er auch sein mochte, den Bergpfarrer schreckte so leicht nichts ab.

      *

      Thomas Burger ging ungeduldig in der kleinen Garderobe auf und ab. Andrea, seine Frau, saß mucksmäuschenstill auf einem Stuhl und beobachtete ihn. Der junge Musiker sah sie an und lächelte. Sie erwiderte dieses Lächeln und drückte sich an ihn, als er sich über sie beugte und sie sanft küßte.

      »Es wird schon schiefgehen«, sagte sie zuversichtlich.

      »Natürlich wird’s schiefgehen!« rief Alberto Moreno, der eben durch die Tür gekommen war, und die letzten Worte mit angehört hatte. »Draußen sitzen achthundert Leute und warten nur auf dich.«

      Es war Thomas’ erstes Konzert seit dem Überfall. Die gymnastischen Übungen hatten die Hand vollkommen wiederhergestellt, und dieser Aufführung waren wochenlange Stunden am Flügel in der Münchener Villa vorausgegangen.

      Unter Tränen hatte Andrea Abschied von zu Hause genommen, nachdem das ganze Dorf an der Hochzeit der beiden teilnahm. Jetzt waren sie in der Garderobe des Konzerthauses und fieberten dem Auftritt entgegen. Es hatte sich nicht verheimlichen lassen, daß der bekannte Musiker Opfer eines Überfalls geworden war, um so gespannter war das Publikum.

      »Kinder, wir müssen«, mahnte der Italiener und klatschte in die Hände.

      Andrea gab ihrem Mann einen Kuß und wünschte ihm Glück. Dann eilte sie in den Saal, um ihren Platz einzunehmen. Sie saß natürlich in der ersten Reihe. Alberto Moreno würde, wie immer, hinter der Bühne den Auftritt seines Schützlings verfolgen.

      Thomas wurde mit lautem Beifall begrüßt. Er verbeugte sich und bezog das Orchester in die Begrüßung mit ein. Dann setzte er sich auf den Schemel vor dem Flügel. Augenblicklich herrschte gespannte Stille.

      Als dann die ersten Takte des »Hummelfluges« begannen, da war Andreas sehnlichster Wunsch in Erfüllung gegangen. Wie in einem Traum gefangen, saß sie auf ihrem Platz und lauschte dem Mann dort oben auf der Bühne. Ihrem Mann!

      Und sie erinnerte sich an einen Satz, den Pfarrer Trenker ihnen auf ihrer Hochzeit gesagt hatte: »Liebe überwindet alle Hindernisse, und Liebe kann alles verzeihen.«

      Zehn lange Jahre hatte sie auf diesen Augenblick gewartet. Und jetzt war ihr geduldiges Herz belohnt worden.

Die Erbin vom Pachnerhof

      Mit kräftigen Hammerschlägen trieb die junge Frau den Nagel durch den Maschendraht in das Holz und schlug ihn dann quer über den Draht, der nun bombenfest saß. Die zwei Kaninchen in dem Stall schauten ihr neugierig dabei zu. Ihre Nasen schnupperten aufgeregt, denn eigentlich war es an der Zeit, daß sie ihr Futter bekamen.

      »So, ihr kleinen Biester, jetzt könnt ihr net mehr entwischen«, sagte Franziska Pachner und legte den Hammer und die restlichen Nägel zurück in den Werkzeugkasten.

      Die Kaninchen waren am frühen Morgen ausgerissen. Zuvor hatten sie eine morsche Stelle des Drahtes durchbrochen und waren aus dem Käfig gesprungen. Als Franziska den offenen Käfig entdeckte, setzte eine große Suchaktion ein. Gefunden wurden die beiden schließlich im Gemüsegarten, wo sie sich, zum Entsetzen von Franziskas Magd, Maria Ohlanger, über die Mohrrüben hermachten.

      Die junge Besitzerin des Bergbauernhofes unterhalb des Zwillingsgipfels öffnete vorsichtig die Stalltür und legte die Kohlstrünke hinein. Sofort stürzten sich die beiden Tiere darauf. Franziska schaute ihnen einen Moment schmunzelnd zu.

      »Zur Strafe hättet ihr eigentlich nix mehr verdient«, meinte sie und stand auf.

      Sie ging zum Haus.

      Drüben im Stall rumorte Valentin Huber, der alte Knecht, der schon seit mehr als vierzig Jahren auf dem Pachnerhof arbeitete.

      In der geräumigen Wohnküche war Maria damit beschäftigt, Kartoffeln für das Mittagessen zu schälen. Sie war fast genauso lange auf dem Pachnerhof wie Valentin, und Franziska konnte sich überhaupt nicht vorstellen, wie es sein sollte, wenn die beiden mal nicht mehr waren.

      »Was gibt’s denn Gutes?« fragte die Bäuerin und schaute in einen der Töpfe, die auf dem Herd standen.

      »Fleischpflanzerl und Blaukraut«, antwortete Maria und zog ein grimmiges Gesicht. »Am liebsten hätt’ ich den beiden kleinen Biestern das Fell über die Ohren gezogen…«

      Franziska lachte. Sie wußte, daß die Magd es nicht so meinte, wie sie es sagte. Aber schade war’s um die Mohrrüben schon.

      »Na, der Schaden hält sich ja in Grenzen«, meinte sie.

      Die Bäuerin setzte sich an den Tisch unterm Herrgottswinkel und nahm die Zeitung zur Hand. Gedankenverloren blätterte sie darin. Maria sah zu ihr hinüber.

      »Morgen ist das Heu soweit«, bemerkte sie. »Valentin hat dann alle Hände voll zu tun. Willst net seh’n, ob du net noch eine Aushilfe bekommen kannst?«

      »Daran hab’ ich auch schon gedacht«, antwortete Franzi. »Ich hab’ gestern mit der Frau Reitlinger vom Arbeitsamt in der Kreisstadt telefoniert. Allerdings hat sie mir keine großen Hoffnungen gemacht. Es gibt mehr offene Stellen als Bewerber.«

      Maria Ohlanger setzte die Kartoffeln auf den Herd und schaltete die Platte ein. Dann nahm sie zwei Zwiebeln zur Hand, schälte und schnitt sie in kleine Würfel. Mit etwas Butter schwitzte sie sie in einer Pfanne an.

      »Und wenn du einmal mit dem Anzengruber darüber redest?« fragte sie dabei. »Vielleicht kann er uns…«

      Franziska Pachner blickte zornig auf. Sie faltete mit einer hektischen Bewegung die Zeitung zusammen und warf sie auf die Eckbank.

      »Niemals!« rief sie heftig.

      Die Bäuerin stand auf.

      »Ich hab’ schon hundertmal gesagt, daß ich diesen Namen nie wieder in meinem Haus hören will«, sagte sie nachdrücklich. »Und schon gar net denk’ ich daran, diesen Kerl um Hilfe zu bitten.«

      Sie ging hinaus und warf die Tür hinter sich zu. Maria Ohlanger schaute ihr ratlos hinterher.

      *

      Franziska lief ins Wohnzimmer und setzte sich auf das Sofa. Eine Unmutsfalte hatte sich auf ihrer Stirn gebildet.

      Anzengruber, dachte sie, ausgerechnet der!

      Dabei wußte sie, daß die Magd recht hatte. Ohne eine zweite Kraft war die Heuernte kaum zu schaffen. Es war aber auch wie verhext! Von drei Knechten, die sonst noch auf dem Hof arbeiteten, hatten zwei vor einem Monat gekündigt und waren fortgegangen, der dritte lag seit zwei Wochen im Krankenhaus und erholte sich von einer schweren Infektion. Immer wieder hatte Franziska beim Arbeitsamt in der Kreisstadt angerufen, doch die Sachbearbeiterin, die für die Vermittlung landwirtschaftlicher Arbeitskräfte zuständig war, konnte ihr beim besten Willen nicht helfen. Offenbar zogen es die Leute vor, in Fabriken ihr Geld bei geregelter Arbeitszeit zu verdienen als sich auf einem Bauernhof abzubuckeln.

      Daß Maria Franziska gerade an Tobias Anzengruber erinnert hatte, riß eine alte Wunde bei der jungen Bäuerin auf.

      Franzi Pachner hatte vor drei Jahren, nachdem der Vater verstorben war, den Hof übernommen. Ganz auf sich alleine gestellt, nur mit Hilfe von Maria und Valentin, hatte sie alles getan, das väterliche Erbe zu erhalten. Neben dem Hof, etlichen Hektar Land und einem großen Waldstück, hatte Alois Pachner


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