Der Bergpfarrer Paket 1 – Heimatroman. Toni Waidacher

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Der Bergpfarrer Paket 1 – Heimatroman - Toni Waidacher


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ab. »Aber wissen möcht’ ich natürlich schon, wer da geschossen hat. Er muß ein wahrer Meisterschütze sein.«

      »Ich hab’ gleich auf den alten Breithammer getippt«, warf Xaver Anreuther ein. »Aber der scheidet ja wohl aus. Der sitzt immer noch im sicheren Gefängnis.«

      »Irrtum!« rief Max Trenker dazwischen. »Der Breithammer ist vorgestern entlassen worden. Wegen guter Führung wurde ihm das letzte Drittel der Strafe erlassen.« Er zog das Fax mit der Mitteilung aus der Brusttasche und präsentierte es den erstaunten Stammtischbrüdern.

      »Dann hab’ ich keine Zweifel, daß es der alte Gauner war, der auf mich geschossen hat«, sagte Xaver. »Damals, vor Gericht, da hat er mir Rache geschworen, und jetzt will er seine Drohung wahrmachen…«

      *

      Die Stammtischrunde war in heller Aufregung. Niemand konnte so recht verstehen, warum man den Wilderer vorzeitig entlassen hatte. Einzig Pfarrer Trenker versuchte, die erhitzten Gemüter zu beruhigen.

      »Das ist eine ganz normale Maßnahme«, erklärte er. »Wenn ein Strafgefangener sich gut führt, und auch draußen, in der Freiheit, alle Voraussetzungen für eine Resozialisierung gegeben sind, dann kann er, nachdem er Zweidrittel der Strafe verbüßt hat, unter Auflagen entlassen werden. Die restliche Haftzeit wird dann zur Bewährung ausgesetzt.«

      »Richtig«, mischte sich Max Trenker ein. »Das ist ja auch der Inhalt dieses Faxes. Man teilt mir mit, daß der alte Breithammer sich regelmäßig bei mir auf dem Revier melden muß. Wenn er dem nicht nachkommt, wandert er zurück ins Gefängnis.«

      »Na, dann verhafte ihn gleich, wenn er sich das erste Mal bei dir blicken läßt«, forderte Joseph Terzing wütend. »Er ist net nur ein Wilddieb, sondern ein Mordschütze dazu.«

      Pfarrer Trenker sah den Bäckermeister strafend an.

      »Na, na«, tadelte er. »Noch ist nichts erwiesen, und so lang’ ist auch der Breithammer unschuldig. Für das, was er getan hat, hat er gebüßt. Jetzt ist er wieder Mitglied unserer Gemeinde, und ich möcht’, daß ihn auch alle so behandeln. Zumindest bis man beweisen kann, daß er der Schütze war. Und selbst dann war es noch lange kein Mordversuch. Wir haben doch alle gehört, daß der Unbekannte den Xaver und den Christian leicht hätte treffen können, statt dessen aber auf den Ast gezielt hat.«

      Dem konnte der Bäcker nur kleinlaut zustimmen. Es schien, als schäme er sich für seinen wütenden Ausbruch.

      Sebastian Trenker schaute auf die Uhr und stand auf.

      »So, Leute, ich wär’ gern noch geblieben, aber ich will morgen in der Früh’ auf Tour. Da muß ich ausgeschlafen sein. Also pfüat euch miteinand.«

      »Wart«, sagte Max. »Ich komm’ gleich mit. Morgen wird ein langer Tag. Da tut ein bissel Schlaf schon ganz gut.«

      Zusammen verließen sie den Gastraum. Draußen empfing sie ein lauer Sommerabend. Ein ganz besonderer Duft, nach Kirschen und wilden Kräutern, hing in dieser Jahreszeit in der Luft. Sebastian atmete tief durch. Er freute sich auf seine morgige Bergwanderung. Es schien eine Ewigkeit her, daß er dort oben unterwegs war. Aber zu viele Dinge hatten ihn in letzter Zeit in Anspruch genommen, so daß er für sein liebstes Hobby keine Zeit fand.

      »Glaubst du, daß der Breithammer auf die beiden Förster geschossen hat?« fragte Max seinen Bruder, während sie die paar Schritte vom Hotel zur Kirche gingen.

      »Natürlich kann man in keinen Menschen hineinschau’n«, erwiderte der Geistliche. »Aber vorstellen kann ich es mir net. Warum sollte er es auch tun? Wegen seiner dummen Drohungen, damals vor Gericht? Der Joseph wird froh sein, daß er wieder bei seiner Tochter ist. Das wird er bestimmt net aufs Spiel setzen wollen.«

      Er zuckte die Schultern.

      »Obwohl – wissen kann ich’s net. Nur glauben und hoffen. Auf jeden Fall werd’ ich ihn demnächst in seiner Hütte aufsuchen.Vielleicht kann ich ihn überzeugen, wenn schon net zur Messe, dann vielleicht zur Beichte, in die Kirche zu kommen. Die Kathrin war auch schon lang’ net mehr da. Ich hoff’, es geht ihr gut.«

      Sie waren kurz vor der Kirche angelangt, hier trennten sich ihre Wege. Während der Geistliche nur noch die Straße zu überqueren hatte, um zum Pfarrhaus zu gelangen, mußte Max noch hundert Meter weiterlaufen. Das Haus, in dem sich das Polizeirevier befand, war auch gleichzeitig Max’ Zuhause.

      »Also, bis morgen Mittag«, verabschiedete sich der Beamte von seinem Bruder. »Und viel Spaß bei deiner Tour morgen.«

      »Schlaf gut«, wünschte Sebastian. »Und dank’ schön. Es wird bestimmt herrliches Wetter sein.«

      Im Pfarrhaus packte Sebastian seinen Rucksack und legte die Wanderkleidung zurecht. Für den Proviant fühlte Sophie Tappert sich verantwortlich. Zwar hatte der Pfarrer ihr mehr als einmal gesagt, sie müsse nicht extra aufstehen und frischen Kaffee kochen, doch seine Haushälterin ließ sich nicht davon abbringen. Außerdem packte sie frisches Brot, Käse und Schinken oder Speck ein. Sie sah es überhaupt nicht gerne, daß Hochwürden in den Bergen herumkraxelte, wenn er es aber doch nicht lassen konnte, wollte sie wenigstens nicht schuld daran sein, daß er dort oben verhungerte.

      Bevor er einschlief, dachte Sebastian noch einmal an den alten Breithammer und dessen Tochter. Nein, auch wenn man dem Alten das Ärgste zutrauen mochte, diesen Anschlag aber bestimmt nicht.

      Eher schmolz das Eis auf dem Gletscher!

      *

      Christian Ruland wälzte sich in seinem Bett unruhig von einer Seite auf die andere. Er konnte und konnte einfach keinen Schlaf finden. So sehr er sich auch bemühte, seinen Verstand auszuschalten – immer wieder sah er dieses Bild vor sich. Dieses Bild, als Kathrin Breithammer aus der Tür trat und ihm gegenüberstand.

      Deutlich sah er ihre schulterlangen, braunen Haare, die dunklen, glutvollen Augen, die ihn anfunkelten und die schlanke, hochgewachsene Gestalt in dem bunten Kleid. Kein Lippenstift, kein Make-up störte ihre natürliche Ausstrahlung. Kathrin war eine jener Frauen, die es nicht nötig hatten, sich zu schminken. Selbst Ringe, Armbänder und Uhren brauchte sie nicht, um sich zu schmücken. Die einzige schlichte Kette, mit dem Kreuz daran, die sie trug, war Schmuck genug.

      Der junge Förster tastete nach der Lampe auf seinem Nachttischchen. Er fand den Knopf und schaltete das Licht an. Dann griff er zum Wecker. Drei Uhr. Seit vier Stunden lag er nun im Bett und hatte noch kein Auge zugetan. Seufzend setzte er sich auf. Nero, der unten am Boden zusammengerollt lag, hob den Kopf und schaute seinen Herrn fragend an.

      »Ist gut, mein Alter«, sage Christian und tätschelte ihm den Kopf. »Schlaf weiter.«

      Er stand auf und ging ans offene Fenster. Laue Nachtluft wehte herein. Christian schlief immer bei geöffnetem Fenster. Im Sommer sowieso, aber auch im Winter mußte es zumindest einen Spalt breit geöffnet sein. Er setzte sich auf die Fensterbank und schaute hinaus. Die Geräusche des Waldes drangen zu ihm herüber. Viele von ihnen wußte er zu unterscheiden.

      Aber seine Gedanken waren ganz bei ihr. Seit jener unseligen Geschichte mit Maike, hatte er sein Herz verschlossen gehalten, doch nun schien es, als hätte diese junge Frau, die er heute kennengelernt hatte, diesen Verschluß ein wenig geöffnet. Und ganz deutlich wurde Christian bewußt, daß er sich in Kathrin verliebt hatte.

      Mehr noch, er begehrte sie mit jeder Faser seines Körpers. Ja, er liebte sie, wie ein Mann eine Frau nur lieben konnte!

      Himmel, konnte so eine Liebe überhaupt eine Chance haben, fragte er sich. Sie war die Tochter eines Wilddiebes, und sie haßte jeden, der den grünen Rock trug – nicht nur den, der ihren Vater ins Gefängnis gebracht hatte!

      Konnte er unter diesen Umständen eigentlich erwarten, daß sie seine Liebe erwiderte? Ja, durfte er sich ihr überhaupt offenbaren?

      Fragen über Fragen, aber keine Antworten.

      *

      Der junge Forstbeamte ahnte nicht, daß es im Ainringer Wald noch einen Menschen gab, der keinen Schlaf fand. Genau wie er, saß auch Kathrin am offenen Fenster und


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