Der Bergpfarrer Paket 1 – Heimatroman. Toni Waidacher

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Der Bergpfarrer Paket 1 – Heimatroman - Toni Waidacher


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in der Ferne war das Brechen von Zweigen zu hören. Offenbar lief jemand in großer Eile durch den Wald.

      Der unbekannte Schütze?

      *

      Motorengeräusch durchbrach die Stille des Waldes. Der junge Förster ließ das Gewehr sinken.

      »Wer immer da geschossen hat – jetzt fährt er davon«, sagte Christian Ruland.

      Er sicherte die Waffe und hängte sie sich wieder um. Sie gingen zu der Stelle, an der sie gestanden hatten, als der Schuß fiel.

      »Wenn ich den erwische«, erboste sich Xaver. »Der kann was erleben! Das war doch ein Mordanschlag.«

      Christian bückte sich und hob den Ast auf, dann schaute er zum Wipfel des Nadelbaumes empor. Die Kiefer hatte einen schlanken, hohen Stamm, der hoch angesetzte Ast hatte wohl in einer Höhe von zweieinhalb Metern gesessen. Es war ein meisterhafter Schuß gewesen.

      »Das glaub’ ich net«, widersprach er und deutete nach oben. »So hoch, wie der Ast saß, ist es schon ein Kunststück, ihn herunter zu schießen. Das war kein Zufall, sondern ein Volltreffer. Einen von uns zu treffen, wäre indes eine Leichtigkeit gewesen.«

      Der alte Förster mußte seinem jungen Kollegen zustimmen. Trotzdem verstand er nicht, was das Ganze sollte.

      »Ich könnt’ mir denken, daß es eine Warnung sein sollte«, meinte Christian. »Es hat sich ja bestimmt herumgesprochen, daß heut’ der neue Förster seinen Dienst antritt. Wer weiß, vielleicht wollte mir auf diese Weise jemand klar machen, daß er sich vor mir net fürchtet.«

      »Vielleicht«, brummte Xaver. »Ich könnt’ mir aber auch denken, daß der Schuß doch mir galt. Sozusagen als Abschiedsgeschenk. Manch einer der Halunken hat ja einen makabren Humor.«

      »Mag sein«, antwortete Christian. »Aber, haben S’ net gesagt, daß die Schlimmsten alle im Gefängnis sitzen?«

      »Stimmt«, nickte Anreuther. »Vor allem der Schlimmste, der mir bittere Rache geschworen hat. Also, wenn ich’s net besser wüßt’, dann würd’ ich glatt sagen, daß der alte Breithammer der Schütze eben war. So einen Schuß traue ich ihm zu, keiner schießt besser als er. Der Breithammer ist ein wahrer Meisterschütze.«

      Fast klang so etwas wie Bewunderung in den Worten des Försters mit.

      »Aber, der sitzt mindestens noch ein Jahr«, schüttelte er den Kopf.

      »Sie machen mich richtig neugierig«, meinte der Jüngere, als sie weitergingen. »Erzählen S’ doch mal, wie er so ist, dieser Breithammer.«

      »Ach, ich glaub’, im Grunde ist er gar kein schlechter Kerl, der Joseph Breithammer«, sagte Xaver. »Er hat einfach viel Pech gehabt im Leben. Früh die Frau verloren, das Kind ganz alleine aufgezogen, naja, wie es dann so kommt – keine Arbeit, der Alkohol… Seine Wutausbrüche damals vor Gericht, als er schwor, sich an mir zu rächen, ich hab’s eigentlich nie wirklich ernst genommen.«

      Er warf einen Blick zurück.

      »Doch wenn ich’s jetzt bedenke… der Schuß trägt eindeutig seine Handschrift.«

      »Sie erwähnten ein Kind«, forschte Christian nach. »Wo ist es denn jetzt, wo der Vater im Gefängnis sitzt?«

      Xaver Anreuther schmunzelte.

      »Das Kind ist inzwischen eine junge Frau«, erklärte er. »Kathrin Breithammer ist etwa Mitte zwanzig und ein ziemlich hübsches Ding. Der alte Breithammer besitzt ein kleines Waldgrundstück. Da hat er vor Jahren eine Hütte darauf gebaut. Die Kathrin wohnt darin.«

      »Ganz alleine im Wald?« wunderte sich Christian. »Wovon lebt sie denn? Ich meine, wer sorgt für sie?«

      »Oh, die Kathrin kann für sich alleine sorgen. Sie baut Kartoffeln und Gemüse an. Dann sucht sie Pilze und verkauft sie an Gaststätten und Hotels in der Umgebung, und zuweilen geht sie auf einen Hof, wenn Erntezeit ist, und verdient sich etwas dazu. Ich denk’ schon, daß sie ihr Auskommen hat.«

      »Das ist ja sehr merkwürdig«, schüttelte der junge Förster den Kopf. »Warum lebt sie denn net im Dorf? Da hätt’ sie’s doch viel bequemer.«

      Xaver Anreuther zuckte mit der Schulter.

      »Das hab’ ich sie auch schon fragen wollen«, erwiderte er. »Aber die Kathrin ist net gut auf mich zu sprechen, weil ich ihren Vater ins Gefängnis gebracht hab’. Sie lehnt jeden Kontakt mit mir ab.«

      »Na, die ist vielleicht gut«, empörte sich Christian. »Immerhin ist Wilddieberei ein Verbrechen, auf das nun einmal Gefängnisstrafe steht.«

      Sie waren inzwischen wieder beim Forsthaus angekommen.

      »Naja, sie sieht es wohl ein wenig anders«, meinte Xaver. »Sie werden sie bestimmt einmal kennenlernen. Dann können S’ sich ihr eigenes Bild von ihr machen.«

      Es war vereinbart, daß Xaver noch so lange im Dienst blieb, bis Christian sich eingelebt hatte. Der alte Förster würde dem jungen alles zeigen – heute war es ja nur ein erster Rundgang – und ihn mit allem bekannt machen. Dazu gehörte auch die Vorstellung des neuen Revierförsters bei den Brüdern des wöchentlichen Stammtisches im Hotel »Zum Goldenen Löwen« in St. Johann.

      »Morgen abend lernen S’ dann auch die ganzen wichtigen Leute kennen«, erklärte Xaver.

      Der Nachmittag verging mit der Erledigung der Verwaltungsarbeit – auch der Papierkram mußte sein, wie Xaver sich ausdrückte, außerdem machte Christian sich anhand verschiedener Karten mit dem Ainringer Wald vertraut. Erst kurz vor dem Abendessen kam er dazu, seine Koffer und Taschen in das Zimmer zu schleppen, das er fürs Erste bewohnen würde. Später hatte er ja die ganze Dienstwohnung für sich.

      Bis spät in die Nacht unterhielten sich die beiden Förster über dieses und jenes, die Arbeit im Wald, Naturschutz und Umwelt, und als Christian schließlich müde, aber glücklich in seinem Bett lag, da wurde ihm wieder einmal bewußt, was er sich immer dann ins Gedächtnis rief, wenn er abgespannt oder gar erschöpft war, daß er den schönsten Beruf der Welt hatte.

      *

      »Ah, da schau her«, sagte Max Trenker zu sich selbst und pfiff leise durch die Zähne.

      Er saß hinter dem Schreibtisch in seinem Büro und hielt ein Fax in der Hand, das eben gekommen war. Absender war die Dienststelle in der Kreisstadt, und der Inhalt glich einer kleinen Sensation.

      Der Polizeibeamte von St. Johann warf einen Blick auf die Uhr an der Wand gegenüber. Kurz vor Dienstschluß. Er erhob sich und faltete das Fax zusammen. Dann steckte er es in die Brusttasche seines Hemdes, nahm Jacke und Dienstmütze vom Haken und machte sich auf den Weg.

      Draußen schickte er einen bedauernden Blick in Richtung des Pfarrhauses, das in Sichtweite zu seinem Büro lag. Heute abend würde er leider auf den Genuß verzichten, den das Abendessen der Haushälterin seines Bruders bot. Max hatte noch einen dringenden, dienstlichen Termin, der sich nicht hinausschieben ließ.

      Dadurch würde er auch zu spät zum Stammtisch kommen, das ließ sich zwar verschmerzen, nicht aber der Verzicht auf die herzhaften Bratkartoffeln, die Sophie Tappert heute abend servierte. Bestimmt hatte sie dazu ihre pikante Sülze vorbereitet. Immer wenn Stammtischabend war, gab es im Pfarrhaus Deftiges. Offenbar war die Perle seines Bruders der Meinung, daß solch eine Unterlage gut für den Bierkonsum sei…

      Mochte es bei Max vielleicht stimmen, so gewiß nicht für Sebastien Trenker, der einen Schoppen Roten dem Bier allemal vorzog. Trotzdem ließ sich Sophie Tappert nicht davon abbringen.

      Max seufzte, als er in sein Dienstfahrzeug stieg. Er mußte zu einer Zeugenvernehmung nach Engelsbach hinüber, und wie gerne wäre er stattdessen Gast im Hause seines Bruders!

      Der Beamte hatte gerade den ersten Gang eingelegt, als er Sebastian vorfahren sah. Er hielt neben dem Wagen an und winkte dem Geistlichen zu.

      »Kommst’ net zum Essen?« fragte Sebastian Trenker.

      Max machte ein saures Gesicht.


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