Der Bergpfarrer Paket 1 – Heimatroman. Toni Waidacher
Читать онлайн книгу.kamen zuerst, wenig später schritt Christel langsam die Treppe hinunter, wo Tobias sie in Empfang nahm.
In seinem Hals steckte ein dicker Kloß. So schön hatte er sich seine Braut nicht vorgestellt.
»Ich weiß gar net, was ich sagen soll«, kam es leise über seine Lippen.
Es war Vinzenz Leitner, der mal wieder witzelte.
»Sag’ einfach: Ja!«
Aber das mußte ihm gar net gesagt werden. Sein Herz klopfte ihm bis zum Hals hinauf, als der Bürgermeister von St. Johann, der Bruckner-Markus, der auch der Standesbeamte des Ortes war, ihm die entscheidende Frage stellte, und der Christel ging es nicht anders.
»Jetzt darfst’ die Braut küssen«, sagte Markus, nachdem er zweimal ein deutliches Ja gehört hatte.
Glücklich schauten sich die Brautleute an, Mutter Hornhausen weinte in ihr Taschentuch, und auch Monika Leitner hielt ihre Tränen der Rührung nicht zurück.
Tobias nahm seine Frau in die Arme, und sie gaben sich den süßesten Kuß ihres Lebens.
*
Der Himmelsspitz und die Wintermaid lagen noch im Dunst des frühen Nebels, als der Geistliche schon unterwegs war. In seinem Rucksack steckten wie immer Brot und Schinken und eine Thermoskanne mit Kaffee. Um seinen Hals trug Sebastian ein Fernglas, das er zwischendurch immer wieder vor die Augen hielt.
Langsam, aber stetig ging es bergan. Der Wanderer hatte keine Mühe, dem Pfad zu folgen. Wenn man so im Training war, wie Pfarrer Trenker, dann hatte man sich den Spitznamen ›Bergpfarrer‹ verdient.
Sebastian empfand den Wald wie eine Kirche, und die majestätischen Berge waren ihm wie ein Dom. Immer wieder zog es ihn hinaus in die Einsamkeit, konnte er doch hier Gottes Schöpfung in ihrer ganzen Vielfalt bewundern.
Während einer Rast überdachte er noch einmal die Ereignisse der letzten Tage und Wochen. Vieles hatte es gegeben. Erfreuliches, wie die Hochzeit von Christel und Tobias, oder die Rettung des Kranken Hubert Brunnenmayr. Aber auch Unerfreuliches, wie die Geschichte mit Resl Leitner und seinem Bruder Max.
Immerhin konnte Sebastian sich freuen, wenn er an seine Situation dachte, die sich während der Feier auf dem Leitnerhof abgespielt hatte.
Da war die Resl zum Max gegangen und hatte ihn um Verzeihung gebeten. Der Gendarm hatte gute Miene zum bösen Spiel gemacht und die Entschuldigung angenommen. Mehr noch – er hatte wieder mit Theresa Leitner getanzt, und als sie dabei einmal in die Nähe des Tisches kamen, an dem Sebastian saß, da hatte Max seinem Bruder zugeblinzelt, während der ihm verstohlen mit dem Finger drohte.
Sebastian Trenker schmunzelte in Erinnerung an diesen Moment.
Es war schön zu wissen, daß es einen Gott gab, der wieder alles zum Guten gewendet hatte. Er, Sebastian, war nur sein Werkzeug. Dafür, daß er das sein durfte, war er dankbar und glücklich, und dieses Glück wollte er mit den Menschen teilen.
Wie so oft empfand er ein befriedigendes Gefühl, wenn er an seine Gemeinde dachte. Als er sich entschloß, Pfarrer zu werden, da hatte er schon geahnt, daß es kein leichter Beruf sein würde, dennoch hatte er es nicht einen Augenblick bereut. Wenn es darauf ankam, dann mußte er vierundzwanzig Stunden für seine Schäfchen dasein. Ebenso, wie es sich für einen guten Hirten gehörte.
Markus Bruckner schaute seine Besucherin verschwörerisch an.
»Gell’, Frau Kerner, es ist Ihnen klar, daß das alles unter uns bleiben muß«, sagte er. »Über den wirklichen Grund Ihres Aufenthalts darf kein Wort nach außen dringen.«
Die blonde Mittzwanzigerin, die in einem der bequemen Sessel im Büro des Bürgermeisters von St. Johann saß, schlug die Knie übereinander und strich den Rock glatt. Sie trug ein dunkelblaues Kostüm und eine cremefarbene Bluse. Ein goldenes Kettchen war das einzige Schmuckstück.
»Selbstverständlich, Herr Bruckner«, erwiderte Elke Kerner. »Von mir erfährt niemand etwas. Offiziell mache ich hier ein paar Tage Urlaub. Es ist ja auch ein schöner Ort, Ihr Sankt Johann.«
»Nicht wahr!«
Markus Bruckner war ans Fenster getreten und sah hinaus. Gerade hielt vor dem gegenüberliegenden Hotel ein Reisebus und eine Schar Touristen stieg aus. Der Bürgermeister drehte sich wieder um.
»Und wir werden dafür sorgen, daß das auch in aller Welt bekannt wird«, sprach er weiter. »Finden Sie mir nur einen geeigneten Standort für das Hotel.«
Elke Kerner trank einen Schluck aus der Kaffeetasse, die vor ihr auf dem Tisch stand und legte dann die Fingerspitzen aneinander.
»Hm, sechshundert Betten, ist das nicht ein bißchen zu gewagt für Ihren kleinen Ort«, gab sie zu bedenken. Immerhin fehlt es hier ja noch an attraktiven Freizeitmöglichkeiten.«
»Das kommt alles noch«, winkte der Bürgermeister ab. »Bis jetzt kommen die Leut’ wegen der guten Wandermöglichkeiten, die wir hier haben. Sie soll’n mal sehen, was erst hier los ist, wenn das Hotel steht, mit allen erdenklichen Attraktionen. Ich hab’ schon mit dem Reisinger-Sepp gesprochen, das ist der Wirt von dem Hotel, in dem Sie wohnen, der Sepp zieht mit. Das wird vom Allerfeinsten. Schwimmbad, Sauna, Solarium. Einen Golfplatz werden wir anlegen, und eine große Diskothek. Tanz und gute Laune bis in den frühen Morgen – das ist’s, was die Leut’ wollen. Schauen S’ nur einmal, was da auf Mallorca los ist, mit den ganzen Urlaubern. Warum soll das hier net auch geh’n.«
»Also, ob das, was da in Spanien geschieht, hier auch funktioniert, wage ich zu bezweifeln«, versuchte die Frau den Enthusiasmus des Bürgermeisters von Sankt Johann zu bremsen. »Ganz zu schweigen davon, ob so etwas überhaupt erwünschenswert ist. Was ich mit attraktiven Freizeitmöglichkeiten meine, bezieht sich vielmehr auf das hiesige Angebot für Wintersportler. Es fehlen Skipisten, Seilbahn und all die anderen Sachen, die einen Wintersportort für Touristen erst anziehend machen.«
Markus Bruckner schüttelte den Kopf.
»Ich versteh’ ihre Einwände, Frau Kerner. Dennoch, eines zieht das andere nach. Wenn das Hotel erstmal steht, dann finden sich genügend Investoren, um die Skipiste und Seilbahn zu bauen. Wenn Sie sich alles anschauen, werden Sie mir recht geben. Die beiden Gipfel, der Himmelsspitz und die Wintermaid, laden geradezu ein, dort Pisten anzulegen.«
Elke Kerner erhob sich und reichte Markus die Hand.
»Gut, Herr Bruckner, dann machen wir es so, wie verabredet. Ich schaue mir die Gegend an, und in etwa einer Woche erhalten Sie ein ausführliches Exposé, in dem ich meine Vorschläge und Anregungen darlege.«
»Ist recht, Frau Kerner.«
Er legte einen Finger an den Mund.
»Und zu niemandem ein Wort.«
»Selbstverständlich nicht. Sie können sich darauf verlassen.«
*
Ein wenig nachdenklich schlenderte die junge Frau über die Straße. Irgendwie schien dieser ganze Auftrag zu vage und ominös. Allein diese ganze Geheimhaltung! Elke schmunzelte – sie war doch keine Spionin.
Oder doch? Beinahe kam sie sich so vor. Im Auftrag des Bürgermeisters sollte sie herausfinden, an welcher Stelle ein geeigneter Platz für den Bau eines Riesenhotels war. Davon durfte niemand etwas erfahren. Warum, fragte die Frau sich. Gäbe es vielleicht Widerstand gegen ein solches Projekt? Der Gemeinderat würde hinter der Sache stehen, sagte zumindest der Bürgermeister. Aber was war mit den anderen Leuten hier? Würden die Markus Bruckner und seinen ehrgeizigen Plänen Steine in den Weg legen?
Elke Kerner blieb einen Moment stehen und schaute sich um. Ein schöner, beschaulicher Ort, dieses Sankt Johann, dachte sie. Nicht so groß, daß man als Fremder den Überblick verlieren konnte, aber auch nicht zu klein. Ihr Blick fiel bewundernd auf die Kirche, die auf einem