Der Bergpfarrer Paket 1 – Heimatroman. Toni Waidacher
Читать онлайн книгу.Sebastian dachte nach.
»Wenn ich ihn mit hinüber ins Pfarrhaus nehme?« fragte er.
»Würde das ausreichend sein?«
»Ich glaub’ schon«, nickte der Arzt. »Dann könnt’ ich jeden Tag nach ihm schau’n. Er braucht auch täglich eine Trombosespritze, und die Wunde muß gereinigt werden. Wenn S’ genügend Platz haben, Hochwürden, dann wäre das geradezu ideal.«
Sebastian Trenker strich sich nachdenklich über das Kinn.
»Am Platz soll’s net liegen«, meinte er. »Ich muß nur noch überlegen, wie ich es der Frau Tappert beibringe…«
*
Sophie Tappert nutzte die Stunden, in denen der Pfarrer auf Bergtour war, für den großen Hausputz. Eigentlich wäre es ihr lieber gewesen, Hochwürden verzichtete auf derlei sportliche Betätigungen – im Geiste sah sie ihn schon irgendwo abgestürzt in einer Schlucht liegen –, aber da konnte sie mit Engelszungen reden, Pfarrer Trenker würde sich von seiner Leidenschaft doch nicht abbringen lassen.
Jetzt, wo wieder alles blitzte und blinkte, gönnte sich die Perle des Pfarrhaushaltes eine Ruhepause. Sophie Tappert hatte sich mit einer Tasse Kaffee in die Küche gesetzt und wollte gerade die Zeitung aufschlagen, als sie die Haustür hörte.
Nanu, dachte sie, war der Herr Pfarrer schon wieder von seiner Tour zurück? Das wunderte die Haushälterin. Max Trenker, Hochwürdens Bruder, konnte es nicht sein, denn der hatte erst vor einer halben Stunde angerufen und mitgeteilt, daß er nicht zum Mittagessen käme. Was nur selten geschah – Max, der in St. Johann für Recht und Ordnung sorgte, war den Kochkünsten Sophie Tapperts regelrecht verfallen und er verstand es immer wieder, rechtzeitig zu den Mahlzeiten im Pfarrhaus aufzutauchen. Heute jedoch mußte er als Zeuge in einer Gerichtsverhandlung aussagen, die in der Kreisstadt stattfand, so daß er mit einigen belegten Broten zum Mittag vorlieb nehmen mußte.
Frau Tappert faltete die Zeitung zusammen und legte sie auf den Tisch. Dann stand sie auf und öffnete die Tür zum Flur. Es war tatsächlich Pfarrer Trenker, der da hereinkam, aber er war nicht allein. Zusammen mit Dr. Wiesinger trug der Geistliche einen Mann auf einer Krankentrage herein.
»Um Gottes willen«, rief die Haushälterin und eilte ihnen entgegen. »Was ist denn passiert?«
»Nicht so schlimm«, winkte der Arzt ab. »Herr Moislinger hat sich verletzt und jetzt braucht er ein paar Tag’ Ruhe.«
Sophies Augen weiteten sich ungläubig.
»Was? Etwa hier bei uns?«
Sie sah den Pfarrer an. Das konnte Hochwürden unmöglich ernst meinen. Dieser Mensch hier im Haus? Da sah man doch gleich, woher der kam. Und wie der roch!
Sebastian deutete den Blick seiner Perle richtig.
»Ich dacht’, wir haben doch oben die Kammer frei«, wagte er zu sagen. »Ein Bett steht auch drin… Es ist ja net für lang’.«
Sophie Tappert schüttelte innerlich den Kopf. Wir sind doch kein Hotel, sagte sie sich, und ein Krankenhaus gleich gar net!
Aber bitte, Hochwürden mußte ja wissen, was er tat, sie war ja nur die Haushälterin.
Der Mann auf der Trage hatte bisher noch gar nichts gesagt, doch jetzt richtete er sich auf und schaute Sophie mit treuen Augen an.
»Es ist mir außerordentlich peinlich, Ihnen so viele Umstände zu machen, gnädige Frau«, sagte er. »Aber den Mächten des Schicksals sind wir armseligen Menschen hilflos ausgeliefert. Erlauben Sie, daß ich mich vorstelle, ich bin der Moislinger-Karl.«
»Vielleicht sollten wir Herrn Moislinger erstmal ins Bett verfrachten«, mischte sich Toni Wiesinger ein. »Die Trage wird nämlich net leichter.«
»Da haben S’ recht, Doktor«, nickte Sebastian.
Vorsichtig balancierten sie den Verletzten nach oben in den ersten Stock des Pfarrhauses. Dort oben, am Ende des langen Flures gab es einen kleinen Raum, der, wenn es erforderlich war, als Gästezimmer diente.
Die Haushälterin war vorausgeeilt und hatte schon das Bett bezogen, als die beiden Männer die Trage hereinschafften.
»So, Frau Tappert, jetzt sein S’ so gut und bringen S’ dem Herrn Moislinger eine Schüssel Wasser, Seife und Handtücher«, bat Sebastian.
Er wandte sich an den neuen Mitbewohner des Pfarrhauses.
»Ich hoff’, Sie fühlen sich recht wohl bei uns. Nachher bringt Frau Tappert Ihnen eine gute Suppe. Die wird Sie wieder kräftigen.«
»Dank’ schön, Herr Pfarrer«, sagte Karl Moislinger. »Ich weiß gar net, wie ich das wieder gutmachen kann.«
Sophie Tappert verdrehte die Augen – ausgerechnet die gute Rindssuppe mit den Leberknödeln darin. Naja, dachte sie im Hinuntergehen, es ist ja Christenpflicht, einem in Not geratenen Menschen zu helfen, aber muß der Kerl auch noch hier im Pfarrhaus übernachten? Wer wußte, was der noch alles im Schilde führte? Jeden Tag las man doch in der Zeitung, was für ein Gesindel sich überall herumtrieb!
Auf jeden Fall werd’ ich meine Kammer zusperren, wenn ich schlafen geh’, dachte sie und machte sich mit grimmiger Miene daran, die Wünsche des Pfarrers zu erfüllen. Und, auf jeden Fall mußte Max Erkundigungen über den Dahergelaufenen einziehen. Wer weiß, vielleicht wurde er sogar irgendwo gesucht?
Noch nie hatte Sophie Tappert den Abend so herbeigesehnt, und damit Max’ Rückkehr aus der Stadt.
*
Elke Kerner wanderte zielstrebig den Hang hinauf. Unter ihr breitete sich das weite Tal aus, an dessen Rand das Dorf lag. Die junge Landschaftsarchitektin schaute mit akkribischem Blick und sprach immer wieder ihre Eindrücke in ein Diktiergerät, das sie in der Hand hielt. So hielt sie in Stichworten fest, was sie für wichtig und erwähnenswert für das Fremdenverkehrs-Gutachten hielt, das sie erstellen sollte.
Was sie in erster Linie sah, war ein wunderschönes Panorama aus majestätischen Bergen, malerischen Wäldern und saftigen Wiesen voller bunter Blumen und wilder Kräuter. Irgendwo weidete eine Herde Kühe, Rot- und Federwild zeigte sich bisweilen, und darüber spannte sich ein wolkenloser blauer Himmel.
Elke nahm einen Fotoapparat aus der Tasche, die sie um die Schulter trug, und machte ein paar Bilder. Dieser Anblick lohnte, festgehalten zu werden.
Wenig später riß sie sich aus ihren romantischen Betrachtungen. Schließlich war sie hier, um zu arbeiten, und ihr Auftrag war es, herauszufinden, wo der beste Standort für ein Hotel war. Nicht direkt im Dorf, aber auch nicht zu weit davon entfernt. Die rechte Seite des Talkessels konnte durchaus in Frage kommen. Dort war ein breiter Weg hinauf zu den Wanderpfaden, die zu den Zwillingsgipfeln führten. Elke hatte sich diesen Abschnitt zuerst angesehen. Er schien ihr für den Bau der Seilbahn, die auf den Gletscher fahren sollte, am geeignetsten.
Die geplante Größe des Hotels machte ihr einiges Kopfzerbrechen. Sie fragte sich, ob sich wirklich genügend Investoren dafür finden ließen. Immerhin mußten etliche Geldgeber bereit sein, auch die Bergbahn zu finanzieren. Alles in allem würde es einige Millionen kosten, die ehrgeizigen Pläne des Bürgermeisters durchzusetzen. Elke hatte eine ungefähre Vorstellung davon, was alleine die ganzen Bauanträge und Genehmigungen an finanziellen Mitteln erforderten. Ganz zu schweigen von den sonstigen Hindernissen, die sich einem solchen Projekt gegenüber aufbauen konnten: Umweltschutz, Bürgerinitiativen oder politisches Kalkühl.
Die junge Frau zuckte mit der Schulter. Das alles mußte sie ja nicht interessieren. Sie sollte lediglich den Boden bereiten.
Allerdings konnte sie sich des Eindrucks nicht erwehren, daß mit dem bau eines solchen Touristenzentrums ein nicht wieder gutzumachender Fehler begangen wurde. Hier, so hatte Elke den Eindruck, war die Natur noch intakt, und die Menschen schienen mit sich und dem was sie hatten zufrieden zu sein. Alles machte einen gesunden und urtümlichen Eindruck. War es wirklich notwendig, das zu zerstören? Einer Bettenburg würde die nächste folgen, der Bau der Seilbahn