Der Bergpfarrer Paket 1 – Heimatroman. Toni Waidacher

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Der Bergpfarrer Paket 1 – Heimatroman - Toni Waidacher


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Herr Henning, es geht schon wieder«, sagte Elke und versuchte, ihm ihre Hand zu entziehen.

      »Wie bitte? Ach so, ja natürlich…, entschuldigen Sie…«, stammelte er und ließ die Hand los.

      Elke kletterte vorsichtig hinunter. Dabei überlegte sie, was dieser träumerische Ausdruck in seinen Augen bedeuten mochte.

      Carsten indes sah ihr hinterher, ratlos über das, was da geschehen war. Hatte er sich wirklich eben in Elke Kerner verliebt?

      *

      »Herr Doktor, was glauben S’, wann ich wieder aufsteh’n kann?« fragte Karl Moislinger. »Ich halt’s net mehr aus im Bett.«

      »Nanu«, wunderte sich Toni Wiesinger. »Gefällt’s Ihnen net hier im Pfarrhaus?«

      Der Arzt war wie jeden Tag herübergekommen und hatte sich das Bein angesehen, und dem Patienten die Spritze gegeben. Er war erstaunt darüber, wie schnell die Wunde verheilt war, nach nur drei Tagen.

      »Doch, doch, es ist ja der reinste Luxus für unsereinen«, beeilte Karl sich zu versichern.

      Er wollte auf keinen Fall als undankbar gelten.

      »Aber, wissen S’, Herr Doktor, ich bin an das ungebundene Leben in der Natur gewöhnt. Ich schlaf’ auch viel besser im Freien. Na, und was soll ich sagen – die gnädige Frau Tappert wird auch froh sein, wenn S’ mich wieder los sind.«

      Er schaute zur offenen Kammertür und vergewisserte sich, daß die Haushälterin des Pfarrers nicht gerade in diesem Moment herein kam, dann beugte er sich zum Arzt.

      »Also, das sag’ ich Ihnen, die hat einen Blick die Frau – es wundert mich, daß ich net tot umfalle.«

      »Na, na, so schlimm wird’s schon net sein. Ist doch eine ganz patente Person, die Frau Tappert und eine hervorragende Köchin«, meinte Toni Wiesinger.

      Gleichwohl wußte er um die Ängste, die die Haushälterin ausstand, seit Karl Moislinger zu Gast war. Daran änderte sich auch nichts, als Max versicherte, daß der Kranke ein ganz harmloser Landstreicher sei, der nirgendwo von der Polizei gesucht würde.

      »Das ist wohl wahr«, stimmte Karl zu. »Der Herr Pfarrer kann sich glücklich schätzen, solch eine Perle gefunden zu haben. Trotzdem möcht’ ich so bald wie möglich von hier fort.«

      »Also gut«, entschied der Arzt. »Wenn S’ denn unbedingt wollen – ich denk’ in zwei, drei Tagen können S’ das Bett verlassen.«

      Er legte einen neuen Verband an und verabschiedete sich.

      »Ich schau’ dann morgen wieder nach Ihnen.«

      »Ist recht, und vielen Dank, Herr Doktor«, rief Karl Moislinger ihm hinterher.

      Doch er dachte etwas anderes…

      … wenn ich in zwei, drei Tagen aufstehen kann, dann kann ich es auch gleich! Was soll ich noch länger hier ’rumliegen? Schön, das Bett ist weich, und das Essen gut und reichhaltig, aber eigentlich ist das Bett zu weich, solch eines hab’ ich sonst net, und das Essen ist zu gut und reichhaltig, soviel und gutes hab’ ich sonst auch net.

      Nein, Moislinger, deine Zeit hier ist abgelaufen, bevor du noch verweichlichst. Am besten wird’s sein, wenn du in der Nacht gehst, wenn alle schlafen, dann braucht’s auch keine langen Erklärungen.

      Zufrieden mit seinen Gedanken drehte er sich auf die Seite und schlief bald darauf ein. Bis zum Mittagessen war es noch etwas hin.

      *

      Kurz nach zwölf brachte Sophie Tappert das Tablett mit dem Essen herein. Es gab Rinderbrust in Meerettichsauce und Rote Bete. In einer kleinen Schüssel befand sich Birnenkompott zum Nachtisch.

      »Sagen Sie, gnädige Frau, was ich schon seit Tagen fragen wollt’, ich vemisse meine Kleidung. Sie wissen net, rein zufällig…«

      Sophies Augen schossen Blitze auf ihn an.

      »Hören S’ endlich mit der gnädigen Frau auf«, schimpfte sie. »Die bin ich nämlich net. Und was Ihre ›Kleidung‹ betrifft, wie Sie’s nennen – die hab’ ich in den Müll geworfen.«

      »Was?«

      Karl fuhr entsetzt auf.

      »Meinen guten Anzug? Ich hatte nur den einen!«

      »Seien S’ froh, daß Sie ihn los sind«, fuhr Sophie ihm über den Mund. »Es waren eh nur noch Lumpen. Sie bekommen ja einen neuen. Einen, den der Herr Pfarrer getragen hat. Ich hoff’, Sie wissen das zu schätzen.«

      Sie ging hinaus und kehrte nach einiger Zeit mit einem Bündel Kleidung zurück. Ein dunkelgrauer Anzug, ein weißes Hemd und ein paar kaum getragene schwarze Halbschuhe. Dazu Karls Leibwäsche, die inzwischen gewaschen war. In einer kleinen Plastiktüte waren seine persönlichen Sachen, die sich in dem alten Anzug befunden hatten. Sophie Tappert verschwieg, daß sie sie mit Gummihandschuhen herausgeholt hatte, bevor sie die Lumpen in den Müll warf.

      »Den Schlafanzug können S’ ebenfalls behalten, hat der Herr Pfarrer gesagt.«

      Der Moislinger war ganz verwirrt über diese Großzügigkeit.

      »Vielen Dank«, sagte er. »Ich weiß gar net, womit ich das verdient hab’.«

      »Ich auch net«, erwiderte Sophie Tappert und rauschte aus der Kammer.

      *

      Carsten Henning zog das Sakko an und warf einen prüfenden Blick in den Spiegel, bevor er zum Essen hinunterging. Sepp Reisinger hatte ihm einen Tisch reserviert.

      »Am Samstag abend ist immer viel los«, erklärte der Wirt.

      »Net nur das a la Carté Geschäft. Am Wochenend’ ist auch immer Ball auf dem Saal. Wissen S’, wenn die Leut’ die ganze Woch’ über hart arbeiten, dann wollen’s am Samstag ihr Vergnügen. Wenn S’ mögen, Herr Henning, dann kommen S’ nach dem Essen einfach dazu. Da ist immer eine Mordsgaudi, wenn die Musi’ spielt.«

      »Mal sehen«, hatte Carsten geantwortet.

      Als er jetzt die Treppe hinunterging freute er sich in erster Linie darauf, auf Elke Kerner zu treffen. Zumindest hoffte er es. Gestern abend und heute morgen, beim Frühstück, hatte er sie nicht gesehen, und überrascht festgestellt, wie sehr er dies bedauerte. Die junge Frau mit den blonden Haaren ließ sich nicht mehr aus seinen Gedanken verdrängen. Er hatte sich fest vorgenommen, sich nicht so schnell wieder zu verlieben, und nun befürchtete er, daß es schon längst geschehen sei. Seit dem gestrigen Zusammentreffen, als er sie in seinen Armen gehalten hatte, da schien die Welt sich anders’rum zu drehen.

      Als Carsten das Restaurant betrat, suchten seine Augen vergebens die Tische ab. Nirgendwo war das zauberhafte Gesicht zu entdecken. Statt dessen kam Sepp Reisinger und führte ihn persönlich an den reservierten Tisch. Er stand in einer kleinen Nische, und von dort aus konnte man das Lokal übersehen.

      Nach einem kurzen Blick in die Karte, wählte er ein Wildgericht und einen Schoppen Rotwein dazu. Zuvor schenkte der Wirt ihm einen alten Portwein als Aperitif ein.

      Carsten ließ sich Zeit und aß mit Ruhe und Genuß. Dabei schaute er sich um und betrachtete die Tische, die alle besetzt waren. Nicht nur Touristen speisten hier, auch viele einheimische Gäste ließen sich von den Kochkünsten der Wirtin verwöhnen. Der Hotelkaufmann gab ihnen recht, was Irma Reisinger auf den Tisch brachte, brauchte den Vergleich mit der Küche des renommierten Hauses, in dem er Geschäftsführer war, nicht zu scheuen.

      Gleichwohl wurde der Genuß durch die Tatsache, daß Elke Kerner nicht im Restaurant war, ein wenig getrübt.

      Carsten verzichtete auf ein Dessert und ließ sich die Rechnung bringen. Als er auf den Flur trat, hörte er vom anderen Ende her die Musiker im Saal spielen. Warum nicht, dachte er. Nicht immer hatte man Gelegenheit, einen zünftigen, bayerischen Abend zu verbringen, schon gar nicht, wenn man aus dem hohen Norden stammte. Er ging den Flur hinunter und blieb abrupt stehen. Aus einer Ecke kamen erstickte Laute. Es war, als würde jemandem der


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