Der Bergpfarrer Paket 1 – Heimatroman. Toni Waidacher

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Der Bergpfarrer Paket 1 – Heimatroman - Toni Waidacher


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Taschenmesser schnitt Sebastian ein gutes Stück davon ab, ebenso von dem krossen Brot, das seine Haushälterin gebacken hatte. Langsam und genußvoll ließ er es sich schmecken. Dabei schaute er auf das herrliche Panorama der Berge und der bewaldeten Höhen.

      Er hatte gerade sein Mahl beendet, als ein merkwürdiger Laut ihn aufhorchen ließ. War da wirklich etwas, oder hatte er sich getäuscht?

      Nein, da war es wieder. Es klang wie ein unterdrücktes Stöhnen. Sebastian war nicht sicher, aber er glaubte, daß das Geräusch aus der Hütte käme.

      Ein wildes Tier vielleicht? Unmöglich war das nicht. Die Hütte hatte zwar eine Tür, aber ein Fuchs oder Marder konnte sich schon mal durch irgend ein Loch dort hinein verirren und dann den Weg hinaus nicht wiederfinden.

      Pfarrer Trenker näherte sich vorsichtig der Hüttentür. Den Gedanken an ein wildes Tier verwarf er jedoch. Solche Geräusche verursachte nur ein Mensch.

      Ein Mensch, der Hilfe brauchte.

      »Hallo, ist da jemand?« rief er durch die offene Tür.

      Die Berghütte bestand aus einem größeren Raum, in dem roh gezimmerte Tische und Stühle standen, und mehreren Nebenkammern, in denen Strohbetten auf müde Wanderer warteten. Von dort kamen die seltsamen Laute.

      Sebastian stieß die Tür zu der Kammer auf und trat ein. Auf dem Strohbett lag ein Mann in merkwürdig verkrümmter Haltung. Der Pfarrer näherte sich ihm.

      »Grüß’ Gott, sind Sie verletzt? Kann ich Ihnen irgendwie helfen?«

      Der Mann richtete sich mühsam von seinem Lager auf und lehnte sich mit dem Rücken an die Wand. Er mochte so um die sechzig Jahre alt sein und machte einen recht heruntergekommenen Eindruck. Er war nicht rasiert und roch er sehr streng, wie Pfarrer Trenker mit einem Nasenrümpfen feststellte.

      »Mein Bein«, antwortete er und zeigte auf seine zerrissene Hose. »Ich hab’s mir bei der Kletterei aufgeschlagen.«

      »Lassen S’ mal sehen.«

      Trotz des Geruchs, der von dem Mann ausging, setzte Sebastian sich an seine Seite und hob vorsichtig die Hosenfetzen von dem Bein ab.

      »Du lieber Himmel!« entfuhr es ihm.

      Die Wunde sah fürchterlich aus. Blutverkrustet und angeschwollen. Die Haut ringsherum hatte eine bläuliche Färbung angenommen.

      »Ich habe zwar ein Erste-Hilfe-Päckchen dabei«, sagte Sebastian. »Aber das hier muß ein Arzt behandeln. Bestimmt tut es sehr weh. Wir müssen schnellstens ins Tal hinunter.«

      Er schaute sich um. Neben dem Lager des Mannes lagen zwei Plastiktüten, in denen sich wohl die ganze Habe des Obdachlosen – um solch einen handelte es sich bei dem Mann – befand.

      »Haben S’ denn schon ’was gefrühstückt?« erkundigte er sich, weil er nicht den Eindruck hatte, daß der Verletzte etwas zm Essen bei sich hatte.

      Der Mann schüttelte den Kopf.

      »Seit zwei Tagen lieg‘ ich hier«, antwortete er. »Gestern mittag hab’ ich die beiden letzten Semmeln gegessen.«

      »Na, dann müssen S’ ja einen richtigen Hunger haben.«

      »Und wie!«

      Der Geistliche holte den Rucksack herein. Es war nicht nur genug Speck und Brot übrig, in der Thermoskanne gab es auch noch heißen Kaffee. Der Mann schnalzte genießerisch mit der Zunge, als Sebastian ihm davon einschenkte, und der Duft den kleinen Raum durchzog.

      »Und Räucherspeck gibt’s auch!«

      Der Landstreicher schickte einen Blick zur Decke, als schaue er direkt in den Himmel.

      »Ich glaub’, ich bin im Paradies.«

      Sebastian schmunzelte und schnitt Speck und Brot ab. Der Mann verschlang es gierig. Dazu trank er den ganzen Kaffee aus, der noch in der Kanne war. Als er fertig war, strich er sich über den Bauch.

      »So, jetzt geht’s mir schon wieder besser, herzlichen Dank für dieses fürstliche Mahl«, sagte er und strahlte den Geistlichen dabei an. »Dabei fällt mir ein, daß ich mich noch gar net vorgestellt habe.«

      Er deutete im Sitzen eine Verbeugung an.

      »Ich bin der Karl Moislinger.«

      »Angenehm, Sebastian Trenker«, stellte der Pfarrer sich vor. »Wie sieht’s denn aus, Herr Moislinger, glauben Sie, daß wir zwei es schaffen, heil ins Tal zu kommen, wenn ich Sie stütze.«

      Karl machte ein nachdenkliches Gesicht.

      »Das schon«, antwortete er. »Allerdings, das mit dem Arzt, das können S’ vergessen. Ich bin nämlich in keiner Krankenkasse, müssen S’ wissen.«

      »Darüber machen S’ sich mal keine Gedanken«, winkte Sebastian ab. »Das findet sich schon. Erstmal müssen wir schauen, daß wir Sie heil nach unten bekommen.«

      *

      Das war leichter gesagt, als getan. Das kranke Bein mußte fürchterlich weh tun. Immer wieder wurde der Abstieg durch Pausen verzögert, die sie einlegen mußten. Schließlich schafften sie es doch. Und sie hatten Glück im Unglück. Gerade als sie die Straße erreicht hatten, kam ein Traktor mit Anhänger angefahren. Sebastian hielt den Bauern an.

      »Pfüat dich, Enzinger, sei so gut und nimm uns beide auf dem Anhänger mit. Der Mann hier hat ein verletztes Bein, das sich der Doktor Wiesinger unbedingt ansehen muß.«

      Der Bauer nickte.

      »Grüß Gott, Herr Pfarrer. Freilich können S’ mitfahren. Warten S’, ich helf’ Ihnen.«

      Karl Moislinger riß vor Erstaunen den Mund auf.

      »Sie sind Pfarrer?« fragte er, als der Traktor langsam anruckelte. »So sehen S’ aber gar net aus!«

      Sebastian lachte. Es war nicht das erste Mal, daß jemand, der ihn nicht kannte, erstaunt war und nicht glauben konnte, einen Geistlichen vor sich zu haben. Diese schlanke, durchtrainierte Figur traute man eher einem Sportler zu, als einem Pfarer.

      »Es trügt oft der Schein«, gab er zu bedenken.

      Kurze Zeit später erreichten sie St. Johann. Der Bauer fuhr bis vor die Praxis und half, den Verwundeten ins Wartezimmer zu bringen.

      »Vergelt’s Gott, Enzinger«, bedankte der Seelsorger sich für die Hilfe.

      »Hab’ ich gern’ getan«, verabschiedete der Bauer sich, während Toni Wiesinger das Wartezimmer betrat.

      »Kommen S’ gleich durch«, bat er Sebastian und Karl in das Sprechzimmer.

      Zusammen hoben sie den Kranken auf die Liege, und Toni Wiesinger machte sich an die Arbeit. Karl Moislinger verzog vor Entsetzen das Gesicht, als der Arzt die Utensilien bereitlegte, um die Wunde zu säubern, hielt aber still. Als schließlich der Verband angelegt war, atmete er tief durch.

      »So, ich gebe Ihnen jetzt noch eine Tetanusspritze«, sagte Toni Wiesinger, was erneutes Entsetzen hervorrief.

      »Bleiben S’ noch einen Moment liegen«, riet der Arzt seinem Patienten, nachdem er die Spritze gesetzt hatte.

      Sebastian Trenker saß derweil draußen im Wartezimmer. Außer ihm war sonst niemand anwesend. Toni Wiesinger kam aus dem Behandlungsraum und setzte sich zu ihm.

      »Wo haben S’ denn den gefunden?« erkundigte er sich.

      Der Geistliche erzählte unter welchen Umständen er auf Karl Moislinger gestoßen war.

      »Was übrigens Ihr Honorar angeht, das werd’ ich wohl bezahlen. Der Mann ist ja net krankenversichert«, erklärte er.

      Der Arzt schüttelte den Kopf.

      »Das geht schon in Ordnung so«, erwiderte er. »Aber etwas anderes macht mir Sorge. Der Herr Moislinger bräuchte strengste Bettruhe. Das Bein muß geschont werden. Bei dem Sturz hat er sich den Knochen aufgeschlagen. Es ist zwar nix gebrochen, aber es


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