Spieler, Pistoleros, Coltschwinger: Western Sammelband. Kirby Jonas
Читать онлайн книгу.Jacke!“
Der im ramponierten schwarzen Anzug fluchte, zog die Jacke aus und warf sie auf die Kante des umgekippten Tisches. Ein Cowboy schnappte die Jacke sofort und drehte sie um, aber es fielen keine Karten aus den Ärmeln.
„Aber er hat eine Karte aus dem Ärmel gezogen!“, zischte ein Cowboy. „Das hab ich doch gesehen, verdammt! – Zählen Sie die Karten nach, Marshal! Es muss eine mehr da sein.“
„Es ist eine mehr“, sagte John. „Zumindest ist die Kreuz neun doppelt. Aber eigentlich hat nur ein Verrückter eine Kreuz neun im Ärmel!“ John blickte den Cowboy scharf an. Sie nannten ihn Jed. Er war ein kleiner, verschlagen aussehender Kerl.
„Wollen Sie meine Leute vielleicht verdächtigen, die Karte auf den Tisch geworfen zu haben?“, schimpfte der Rancher an der Theke.
John wandte sich um und ging ein paar Schritte auf Bronson zu. Der Rancher war fünfundfünfzig Jahre alt, ein stiernackiger Mann mit schrankbreiten Schultern, dem der dicke Kopf direkt auf den Schultern zu sitzen schien. Er hatte kurzgeschorenes graues Borstenhaar, eine dicke Nase, gletscher-farbene Augen und ein breites Kinn. Bronson trug einen derben Anzug von brauner Farbe. Seine Jacke war doppelreihig geknöpft und bauschte sich dort auf, wo er den Revolver unter ihr an der Hüfte trug.
„Ihre Leute machen seltsame Späße“, erklärte John. „Das weiß in dieser Stadt jeder, Mr. Bronson. Aber noch ist ja nichts passiert. – Wollen wir es nicht bei dem belassen, was bis jetzt war?“
„Jagen Sie die Halunken fort“, zischte der Rancher, „bevor meine Leute Brei aus ihnen machen!“
John blickte an Bronson vorbei und sah sich in dem großen Spiegel neben dem Flaschenregal hinter der Theke. Er war ein großer Mann, dunkelblond mit blauen Augen, und er war jetzt fünfunddreißig Jahre alt. Der silberne Stern an seiner schwarzen Lederjacke funkelte im Lampenlicht mit den Geschosshülsen in den Schlaufen seines Gürtels um die Wette, und als er den Kopf bewegte, blitzten auch die silbernen Schnallen an seinem Hut. Er blickte auf den dicken Keeper, dem das Doppelkinn herabhing, und dann auf die beiden Mädchen, denen wieder Farbe in die Gesichter zurückkehrte.
Er wandte sich um und sagte: „Es ist besser, ihr verschwindet jetzt. Die Cowboys mit ihrem Boss, das sind sieben gegen euch.“
„Und ich hab noch zwei Leute auf meiner Ranch!“, rief der Rancher brummig.
„Wir haben nicht betrogen“, sagte der große Mann im ramponierten Spieleranzug.
„Versteht ihr denn nicht?“, fragte John. „Sie sind sieben gegen euch. Und hier hilft euch keiner.“
„Sie auch nicht, was?“, zischte der große Mann, den der andere Kervin genannt hatte.
„Ich weiß nicht, wer von euch die Karten auf den Tisch geworfen hat.“ John blickte auf die Cowboys, die noch immer ihre Revolver in den Fäusten hatten. „Aber ich weiß etwas anderes: Der von euch, der den ersten Schuss abfeuert, landet mit Sicherheit drüben in meiner Zelle!“
„Ich denke, wir verschwinden, Kervin“, murmelte einer der vier Männer.
John ging rückwärts, bis er neben dem Rancher an der Theke stand.
Ina, das rotblonde Barmädchen mit den bernsteinfarbenen Augen, kam auf ihn zu und lehnte sich gegen ihn, legte ihm die eine Hand auf die Schulter und tat, als würde sie von ihm Besitz ergreifen.
Die vier Fremden schoben sich an der Wand entlang. Kervin blieb stehen und blickte zurück, aber die anderen schoben ihn weiter, hinaus aus dem Saloon und vom Bretterweg. Jemand rief nach dem Stallmann.
Rancher Bronson lachte polternd, drehte sich um und donnerte die Faust auf die Theke. „Los, McDowell, Whisky!“
„Und wer bezahlt den Schaden?“, fragte der Salooner keifend.
„Nehmen Sie, was auf dem Boden herumliegt“, sagte John Slade. „Das reicht sicher.“
„Los, Whisky jetzt!“, polterte Bronson. Er schlug wieder auf die Theke und lachte.
Seine Männer und das andere Mädchen drängten heran. Der Keeper zeterte noch, schenkte aber die Gläser voll. Ein stämmiger Cowboy schnappte sich June Silver, das schwarzhaarige Mädchen mit der grauen Strähne, und stellte sie auf den nächsten Tisch. June lachte wild und begann mit klappernden Sohlen auf dem Tisch zu tanzen.
Bronson schob John Slade ein volles Glas zu, aber der gab es an Ina weiter, machte sich von ihr frei und wandte sich ab.
„Was ist denn, trinken Sie nicht mit mir?“, schimpfte der Rancher.
„Nein.“ John ging an dem Mann vorbei und verließ den Saloon.
Die vier Fremden kamen gerade aus dem Hof des Mietstalles und zogen ihre Pferde hinter sich her. Auf der breiten Straße saßen sie auf und ritten am Saloon vorbei. Der kalte Nachtwind hüllte sie in Staub ein, sodass sie nur noch schemenhaft in verschiedenen Lichtbahnen zu sehen waren. Dann verschluckte sie die Dunkelheit, und der Hufschlag ihrer Pferde ging im Sausen des Windes unter.
*
Als Ina Gillam das Office betrat, lehnte John an der Rückwand und paffte eine Zigarette. Das fünfundzwanzigjährige Mädchen lächelte, schob die Tür zu und lehnte mit der Schulter dagegen. Ina trug ein rotes Samtkleid, das bis zum Gürtel ausgeschnitten war, in der Länge jedoch bis auf ihre Schuhe reichte. Sie strich sich das vom Wind zerzauste Haar glatt und blickte sich um.
„Ich wollte mal sehen, wie du hier lebst“, sagte sie und blickte sich in dem halbdunklen Raum um.
Eine Lampe hing an einer Schnur über dem aus Brettern zusammengenagelten Tisch, hinter dem ein schäbiger, uralter Sessel stand. Der Raum hatte rechts und links der Tür kleine Fenster, ein Gewehrständer befand sich neben der Ecke, dann ein Schrank und ein Regal mit teilweise vergilbten Akten. Eine Tür führte in einen Nebenraum, und dann war da noch ein langes Gitter, hinter dem sich die Zelle befand. An die Wände waren stellenweise Steckbriefe genagelt, welche die nicht vorhandene Tapete ersetzten. Ansonsten bestanden die Wände aus rohen Brettern.
„Ziemlich hässlich, was?“ Das Mädchen legte den Kopf schief.
„Ja, ziemlich.“ John ging zu dem schäbigen Sessel und ließ sich hineinfallen. „Gefällt es dir drüben nicht mehr?“
„Sie haben June ausgezogen. Ich habe mich dünngemacht, bevor ich an der Reihe war. Ich kann diese wilden hirnlosen Kerle nicht leiden, das weißt du doch.“
John zog an seiner Zigarette und streifte die Asche in dem Becher auf dem Tisch ab.
„Kann man sich nicht setzen?“
John Slade ging in den Nebenraum, holte einen Stuhl und stellte ihn vor den Tisch.
Ina setzte sich und schlug ein Bein über das andere. „Ich bin jetzt schon zwei Wochen hier und hatte nie Gelegenheit, mal allein mit dir zu reden, John!“
„Worüber willst du denn mit mir reden?“ John ging hinter den Tisch zurück und setzte sich. Er drückte die Zigarette im Aschenbecher aus und lehnte die Ellenbogen auf den rohen Tisch.
Ina strahlte ihn an. „Wir haben uns Jahre nicht gesehen. Und ich dachte, ich sehe nicht richtig, als du plötzlich mit dem Stern da vor mir gestanden hast.“
„Das kann ich mir denken.“
Ina lachte. „Wie bist du nur auf so was Verrücktes gekommen, John?“
„Irgendwie“, sagte er abweisend und scharf.
„Mein Gott, wenn ich bedenke, wie das früher war!“
John stand auf. „Früher ist für mich lange vorbei, Ina.“
„So? – Dann wissen sie wohl auch nicht, dass man dich John Colt genannt hat.“
„Nein, sie wissen es nicht. Aber möglicherweise würde es sie interessieren. Willst du es ihnen sagen?“
„Unsinn, John!“
„Es