Private Ermittler - 2000 Seiten, 16 Krimis in einer Sammlung. Alfred Bekker

Читать онлайн книгу.

Private Ermittler - 2000 Seiten, 16 Krimis in einer Sammlung - Alfred Bekker


Скачать книгу
Sluiter atmete tief durch. Er wischte sich über die Augen, betastete dann mit schmerzverzerrtem Gesicht einige Stellen an seinem Oberkörper.

      "Die beiden haben Sie ganz schön in die Mangel genommen."

      "Schweinehunde!"

      "Ich habe gehört, Sie hatten Schwierigkeiten mit einer sogenannten Russengang, die versucht hat, Schutzgelder bei Ihnen einzusammeln."

      "Ja, hatten wir. Aber wir haben die Polizei eingeschaltet und außerdem unsere Geschäfte von Mitarbeitern eines privaten Wachdienstes sichern lassen."

      "Davon hat mir Ihre Mutter nichts erzählt."

      "Hat Sie wohl vergessen zu erwähnen. Ein Computer ist sie schließlich nicht."

      "Aber sie weiß genau, was sie will, oder?"

      "Ja, das stimmt wohl."

      "Und sie glaubt auch genau zu wissen, dass Ihr Vater keinen Unfalltod erlitt?"

      Anstatt zu antworten, versuchte Sluiter aufzustehen.

      Lorant half ihm dabei, zuckte dann zusammen, als er eine ungeschickte Bewegung machte, die ihn seinen Ischias wieder spüren ließ.

      "Sie hat es aber auch ganz schön erwischt."

      "Kennen Sie einen guten Arzt, der ein Reizstromgerät hat?"

      "Dr. Purwin in Moordorf."

      "Dann werde ich dort bei Gelegenheit mal vorbeischauen."

      Ubbo Sluiter stützte sich auf den Tresen. Das Telefon stand ganz in der Nähe. Aber er machte keine Anstalten, die Polizei zu rufen. Lorant nahm sich vor, auf diesen Punkt zurückzukommen.

      Später.

      Er fragte: "Sind Sie auch der Meinung, dass Ihr Vater ermordet wurde?" Ubbo zuckte die Achseln.

      "Was weiß ich?"

      "Wäre nicht schlecht, wenn Sie mich ein bisschen unterstützen, Herr Sluiter. Ich meine, wenn mir die Polizei schon nicht hilft..."

      Der sonst so blasse und eher zurückhaltende Ubbo Sluiter brauste jetzt plötzlich auf. "Herrgott noch mal, was soll das denn? Ich kann Ihnen auch nicht mehr dazu sagen, als Ihnen meine Mutter oder die Kripo schon gesagt haben! Alles andere ist doch Kaffeesatzleserei."

      Ein gewagter Vergleich für jemanden, der wahrscheinlich gar keinen Kaffee trinkt, sondern selbstverständlich klassisch-ostfriesischen Tee!, ging es Lorant durch den Kopf.

      "Ihre Mutter glaubt, dass Ihr Vater erschlagen wurde. Und ich habe inzwischen Hinweise gefunden, dass es so gewesen sein könnte." Lorant erzählte Sluiter kurz und knapp von dem Kugelschreiber, den er gefunden hatte. "Ein Indiz, mehr nicht. Aber immerhin etwas. Ihr Vater könnte bei der Töpferei getötet und dann zum Boot gebracht worden sein."

      Ubbo schien zum ersten Mal wieder alle Sinne beisammen zu haben, seit die beiden Schläger aufgetaucht waren und ihn in die Mangel genommen hatten. Er sah Lorant mit einem Blick an, den dieser nicht so richtig zu deuten wusste. Wovon sprach dieser Blick? Skepsis? Unglauben? Verwunderung? Vielleicht von allem ein bisschen. Warum gibt es eigentlich Spezialisten für das Erkennen und Vergleichen von Handschriften - aber keine Spezialisten für die Interpretation von Blicken?, ging es Lorant duch den Kopf.

      "Vielleicht waren es diese Typen!", meinte Ubbo dann. "Ich meine, es würde zumindest einen Sinn ergeben. Wir haben denen die Hölle heiß gemacht. Es wurde zwar letztlich niemand festgenommen, aber es dürfte sie schon ziemlich geärgert haben, dass die Polizei sich diese Gang mal vorgeknöpft hat."

      "Ich glaube nicht, dass die beiden das waren."

      "'Wenn du uns nochmal die Bullen auf Hals hetzt -—du bist tot wie dein Vater!' -—das hat einer der Kerle gesagt, während er mich zusammenschlug. Ich erinnere mich jetzt wieder. Meine Güte, ich hatte so eine Scheiß-Angst."

      "Ist das der Grund, warum Sie jetzt nicht die Polizei rufen?"

      "Einen Augenblick."

      Blut lief aus Ubbos Sluiters Nase heraus.

      Er versuchte den Strom aufzuhalten, dann ging er durch eine Seitentür davon. Dort musste sich ein Waschraum mit WC oder so etwas befinden. Jedenfalls hörte Lorant, wie ein Wasserhahn aufgedreht wurde. Reichlich konfus, der Junior-Chef!, dachte Lorant. Ubbos Tragik war wohl, dass er trotz der Tatsache, dass sein Vater tot war, noch immer eine Art Junior-Chef war. Betonung auf Junior, nicht auf Chef. Und das würde wohl auch so bleiben, bis sich eines Tages seine Mutter mal aus der aktiven Arbeit zurückzog.

      So wie Lorant die resolute Dame kennen gelernt hatte, würde das wohl erst dann geschehen, wenn Bernhardine Sluiter sich entweder in einem Zustand fortgeschrittener Demenz oder in einem Eichensarg gefand. Und bis dahin mochten noch Jahrzehnte vergehen. Keine guten Aussichten für Ubbo, überlegte Lorant. Außer, der Junior-Chef hatte nichts gegen seine ewige Kronprinzenrolle.

      Schließlich kam Ubbo zurück, hielt sich mehrere Lagen Toilettenpapier vor die Nase. "Das fängt immer wieder an zu bluten."

      "Lassen Sie's röntgen. Könnte gebrochen sein."

      "Sehen Sie mal zu, dass Sie nicht mehr humpeln!"

      "Keine Sorge. Aber zu einem anderen Punkt: Diese Kerle wollten Sie offenbar einschüchtern. Aber nicht umbringen. Sie haben nicht einmal mich umgebracht, obwohl es gerade ziemlich knapp war..."

      "Ich danke Ihnen ja auch sehr. Sie haben Mut."

      "Geschenkt. Es geht mir um etwas anderes."

      "Worum?"

      "Ich glaube nicht, dass diese Leute Ihren Vater umgebracht haben."

      "Ach, sind Sie auch noch Hellseher?"

      "Der Mord an Ihrem Vater war eine Art Inszenierung."

      "Was? Spinnen Sie jetzt total?"

      "Bedenken Sie: Jemand hat ihn extra auf das Boot geschleift, dann dafür gesorgt, dass das Boot hinaustrieb."

      "Der Mörder -—mal vorausgesetzt, es war überhaupt ein Mord -—wollte, dass die Tat nicht so schnell entdeckt wird!"

      "Das konnte er so nicht erreichen, Herr Sluiter. Es wäre dann doch viel leichter gewesen, den Toten mit einem Stein zu beschweren und in einem der nahen Tümpel und Kanäle zu versenken. Es hätte eine Ewigkeit gedauert, bis man ihn gefunden hätte."

      "Ich weiß nicht."

      "Und was diese beiden Schlägertypen angeht, die hätten Ihren Vater wahrscheinlich einfach liegen lassen."

      "Alles Theorie, Herr Lorant."

      "Ich könnte mich ja mal mit den beiden unterhalten. Vielleicht erweist sich dann, ob an meiner Theorie was dran ist! Ich wette, Sie kennen sogar die Namen!"

      "Der Große heißt Ferdinand. Nachname weiß ich nicht mehr."

      "Und der Weißblonde, der auf mich geschossen hat?"

      "Victor."

      "Und dessen Nachnamen kennen Sie auch nicht?"!

      "Herrgott noch mal, was soll das eigentlich? Wollen Sie hier ein Verhör mit mir durchführen? Bin ich hier vielleicht verdächtig, meinen Vater umgebracht zu haben, glauben Sie das?"

      Du bringst mich glatt auf eine Idee, dachte Lorant, behielt seinen Gedanke aber tunlichst für sich. Ein Junior-Chef, der es leid war, immer Junior zu bleiben... War das nicht zumindest eine psychologische Grundkonstellation, die durchaus in einem Mord kulminieren konnte? Es wäre nicht der erste Fall dieser Art gewesen, mit dem Lorant zu tun gehabt hätte. Aber andererseits sprach auch einiges dagegen. Das eher vorsichtige Temperament beispielsweise, das Ubbo an den Tag legte. Die Bravheit. Konnte ein so braver Mensch, der im Hauptberuf Sohn zu sein schien, eine so schreckliche Tat planen, dem eigenen Vater eins über den Schädel geben, um ihn dann mit dem Segelboot auf eine Reise ohne Wiederkehr zu schicken?

      Und was, wenn er jemanden dafür angeheuert


Скачать книгу