Private Ermittler - 2000 Seiten, 16 Krimis in einer Sammlung. Alfred Bekker
Читать онлайн книгу.Güte, jetzt habe ich aber die Nase voll! Die Hälfte der Sachen, die hier im Büro herumliegt, gehört gar nicht hier hin! Und eine Bootskajüte hat nun mal die Eigenschaft, dass sich da über kurz oder lang alles mögliche an Krempel ansammelt!"
"Dürfte ich die Bilder vom Tatort mal sehen? Kommen Sie, Herr Steen, das können Sie mir eigentlich nicht abschlagen. Vielleicht bin ich danach ja auch überzeugt, dass Frau Sluiter etwas übertreibt..."
"Und...und geben Ihren vermutlich lukrativen Auftrag wieder zurück?" Steen lachte schallend auf. "Das glauben Sie doch wohl selber nicht, Lorant!"
Lorant zuckte die Achseln.
Steen zögerte einige Augenblicke lang, bedachte Lorant mit einem nachdenklichen Blick und stieß sich dann mit dem Fuß vom Schreibtisch ab, sodass er mitsamt seinem Rollstuhl dem Aktenschrank entgegenrollte.
Zielsicher griff er einen bestimmten Ordner heraus, legte ihn vor Lorant auf den Tisch und schlug ihn auf.
Für Sekundenbruchteile konnte Lorant die Zeile GERICHTSMEDIZINISCHES GUTACHTEN lesen, aber dann hatte Steen die Seite umgeschlagen. Das gerichtsmedizinische Gutachten hätte Lorant natürlich ebenso brennend interessiert wie die Bilder vom Tatort. Aber der Detektiv wollte den Bogen nicht überspannen.
"Hier sind die Bilder", sagte Steen und deutete mit den Fingern auf die sorgfältig einsortierten Fotos.
Lorant konnte sich gut vorstellen, dass einer wie er die Urlaubsfotos von 1976 mit einem Griff zur Hand hatte und alle sechs Wochen einen Dia-Abend mit einer kleinen Auswahl von etwa sechstausend Bildern aus seinem großen Bildbestand zur Vorführung brachte. Jedem Tierchen sein Pläsierchen, dachte Lorant, während er die Bilder betrachtete.
Mit einem Fuß hing Gretus Sluiter im Netz der Reling fest. Wie dahindrappiert sah das in Lorants Augen aus.
Ein inszenierter Tod...
Ein inszenierter Mord!
Auf keinen Fall ein Unfall.
Lorant hatte in all den Jahren, in denen er sich schon mit ungeklärten Mordfällen auseinandersetzte, eine Art sechsten Sinn dafür entwickelt. Und meistens hatte er mit seinen ersten Ahnungen richtig gelegen.
Lorant schluckte.
Da war sie.
Die Boßel-Kugel.
Lorant beugte sich so nahe an das Bild heran, wie es möglich war.
"Brauchen Sie eine Brille?", fragte Steen ätzend.
"Kann das sein, dass da Blut an dieser Boßel-Kugel klebte?"
"Ja, das kann nicht nur sein, das WAR auch so."
"Was hat die Kugel neben der Leiche zu suchen?"
"Den, der sie da hingelegt hat, können wir leider nicht mehr fragen."
"Sie meinen den Mörder!"
Steen lächelte dünn. "Nein, ich meine Gretus Sluiter. Denn wem sollte die Kugel sonst gehört haben?" Er seufzte. "Wie ich schon sagte, auf so einem Boot liegt immer eine Menge Zeug herum. Sluiter hat ja auch zwei Enkelkinder, die ab und zu mitgefahren sind.... Haben Sie Kinder?"
"Nein."
"Dann haben Sie auch keine Ahnung, was die einem alles an Bord schleppen. Ich spreche da aus eigener Erfahrung."
"Aber Boßel-Kugeln sind kein Kinderspielzeug."
Steen nahm Lorant die Akte wieder ab. "Jetzt ist Schluss", bestimmte er. "Ich habe Ihnen schon mehr zugestanden, als ich eigentlich dürfte. Aber jetzt haben Sie den Bogen schlichtweg überspannt."
Lorant nahm den Zeitungsartikel über die Leiche in Huntetal aus dem Jackett und breitete ihn vor Steen aus.
"Schon gelesen?"
Steen überflog rasch die wenigen Zeilen.
"Was soll das mit dem Fall Sluiter zu tun haben?"
"Die Boßel-Kugel..."
"Jetzt werden Sie nicht albern, Lorant. Und wenn Sie nichts weiter vorzubringen haben, wäre ich Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mich jetzt meine Arbeit machen ließen."
Lorant erhob sich aus dem quietschenden Bürostuhl, in dem er Platz genommen hatte. Das war nicht mehr, aber auch nicht weniger als ein offener Rauswurf. Okay, dachte Lorant, dann ist die Kooperation damit wohl erst mal beendet.
Lorant wandte sich zur Tür.
Er drückte die Klinke hinunter, dann drehte er sich noch einmal herum.
"Was gibt's denn noch?", nörgelte Meinert Steen.
"Sluiter hatte Ärger mit einer Russengang", sagte Lorant.
"RusslandDEUTSCHE waren das. Betonung auf DEUTSCHE, denn die haben alle einen deutschen Pass."
"Wie auch immer. "
"Sie sehen natürlich gleich einen Zusammenhang zwischen den Schwierigkeiten mit dieser Gang und Sluiters Tod. Aber da muss ich Sie enttäuschen, Lorant."
"So?"
Steen lächelte gezwungen.
"Wir haben denen auf den Zahn gefühlt. Sluiter war nicht der einzige Geschäftsmann, bei dem die Ärger gemacht haben. Jetzt laufen ein paar Jugendgerichtsverfahren und ich denke, damit ist die Sache erledigt."
"Meinen Sie?"
"Viel Erfolg bei Ihren Ermittlungen, Lorant. Aber sorgen Sie hier bitte nicht für unnötigen Stress, ja?"
Lorant nickte und dachte dabei: Das wird sich möglicherweise nicht vermeiden lassen, Herr Steen!
––––––––
10.
Ubbo Sluiter kaute gelangweilt auf einem Stück Weißbrot herum und las im Sportteil der Zeitung. "Das Foto hätte der Typ von der Zeitung auch anders knipsen können!", knurrte er.
Rena trank ihren Tee leer.
Der Appetit war ihr gründlich vergangen, und so aß sie nicht einmal die gesunden Körner, die sie sich allmorgendlich gönnte, weil alles andere Gift für den Teint und die gute Figur war.
Ubbo blickte auf, sah seine Frau an.
"Der hat das so geknippst, dass die Bandenwerbung von uns nicht sehen ist!"
"Glaubst du, es kauft jemand auch nur einen einzigen Bootsmotor, weil er bei den Spielen von Kickers Emden die Bandenwerbung von SLUITER gesehen ht?"
"Meine Güte, wozu macht man denn Bandenwerbung?"
"Dein Vater wohl deshalb, weil er meinte, dass die Firma über zuviel Geld verfügte."
"Rena!"
"Ist doch wahr."
"Über Tote sollte man nicht so reden. Außerdem...."
"Ja?"
"Ich dache, du hättest dich immer ganz gut mit Pa verstanden."
"Habe ich. Im Prinzip jedenfalls."
Rena atmete tief durch. Es war ruhig im Haus, wenn Marvin und Kevin zur Schule waren. Fast friedlich. Nur der Presslufthammer am Ende der Straße ging ihr auf die Nerven. Aber dagegen war im Moment wohl nichts zu machen.
"Ma will vom Kauf der Boutique nichts mehr wissen, Ubbo."
Ubbo verschluckte sich fast, musste einen kräftigen Schluck Tee trinken, bevor er wieder zu Atem kam. Krebsrot lief er dabei an. Rena sah ihm ruhig zu. "Ich könnte auch ersticken und du würdest keinen Finger rühren, was?", keuchte er und atmete dann tief durch.
"Du übertreibst!"
"Na, das will ich hoffen."