Private Ermittler - 2000 Seiten, 16 Krimis in einer Sammlung. Alfred Bekker

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Private Ermittler - 2000 Seiten, 16 Krimis in einer Sammlung - Alfred Bekker


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dachte Lorant. Leicht zu identifizieren an der höflichen und etwas distanzierten Anrede 'ey', kombiniert mit dem Vertrauen schaffenden 'du', selbst bei völlig fremden Personen.

      Lorant deutete in Richtung Wasser.

      "Da will ich hin!", sagte er.

      "Na, warum gehst du dann nich'?"

      "Dann werde ich mal gehen!"

      "Tu das. Aber die Wiese steht fast ganz unter Wasser. Keine Gummistiefel dabei?"

      "Nein."

      "Selber Schuld."

      Blöder Sack!, dachte Lorant und passierte den ungefähr zwei Meter breiten Durchgang neben der Töpferei. Als der gepflasterte Bereich aufhörte, stand er wenig später bis zu den Knöcheln im Wasser, sank dabei förmlich in den Schlamm ein. So ein Mist!, dachte er und spürte dabei die Feuchtigkeit in seine Turnschuhe hineinkriechen. So hatte er sich das nicht vorgestellt.

      Er fragte sich, warum noch niemand auf die Idee gekommen war, hier Reis anzupflanzen. Lorant erinnerte sich an Reportagen über Südostasien, in denen man mit Reisbauern mit riesigen Strohhüten hinter ihren gewaltigen Zebu-Ochsen her knietief durch das auf ihren Reisfeldern stehende Wasser stapfen sah.

      War das nicht eine landwirtschaftliche Alternative für Norddeutschland?

      Schließlich gab es in der EU doch Rindfleischberge und Milchseen. Aber von einem Reisüberschuss hatte Lorant noch nie etwas gehört.

      Liegt wahrscheinlich am schlechten Wetter, dass man das hier nicht macht!, ging es ihm durch den Kopf.

      Beim jedem seiner Schritte entstand ein watschendes Geräusch.

      Der 'Wikinger' war mit seinen Packarbeiten offenbar fertig. Jetzt stand er neben dem Eingang seines Töpferladens und beobachtete Lorant.

      "Hab' ich ja gesagt!", stieß er hervor, als Lorant sich umdrehte.

      Lorant lag eine ziemlich ätzende Erwiderung auf der Zunge, aber dann wurde seine Aufmerksamkeit durch etwas anderes abgelenkt.

      Durch einen winzigen leuchtend blauen Punkt.

      Und der passte irgendwie farbmäßig nicht in diese Wiese mit ihrem sattgrünen Gras und dem dunklen, mit Schlamm gesättigten Wasser.

      Lorant bückte sich, griff in die Matsche und holte einen Kugelschreiber aus der Brühe.

      "Na, Gold gefunden?", lachte der 'Wikinger'.

      "Ja, so etwas ähnliches", murmelte Lorant und betrachtete den Kugelschreiber genauer. Er drehte ihn herum, wischte mit dem Zeigefinger die Matsche weg. SLUITER BOOTS- UND SEGELBEDARF NESSERLÄNDER STRASSE 34 XXXX EMDEN war darauf gedruckt worden. Die Postleitzahl von Emden war allerdings nicht mehr zu lesen, weil dort die äußere Farbschicht abgeblättert war.

      Lorant stapfte zurück zu dem 'Wikinger', zeigte ihm den Stift.

      "Hier ist vor kurzem jemand ums Leben gekommen, der so hieß, nicht wahr?", fragte Lorant.

      "Wieso interessiert dich dat denn? Polizei?"

      "Nein. Privatdetektiv."

      Lorant kramte in seinen Jackentaschen herum, suchte nach seinem Ausweis.

      "Nich' gut sortiert, wa?"

      "Hier!", hielt Lorant ihm seine eingeschweißte Karte entgegen. Irgendwelche legalen Befugnisse waren damit in Deutschland zwar nicht verbunden, aber in der Regel machte Lorant damit großen Eindruck. Die Macht des Fernsehens war eben letztlich doch stärker als die des Bürgerlichen Gesetzbuches und seiner Bestimmungen.

      Lorant nahm dem 'Wikinger' den Kugelschreiber wieder aus der Hand.

      "Das ist ein Beweisstück!", meinte der Haarige. "Das musst du den Bullen geben!"

      Sieh an, dachte Lorant. In Wahrheit also doch ein Spießer! Wie tröstlich.

      "Das mache ich auch."

      "Also der Sluiter, der ist dahinten auf seinem Boot umgekommen."

      "Welches ist es denn?"

      "Der rotweiße Jollenkreuzer."

      "Der, an dem JERRY dransteht?"

      "Ja."

      "Wieso nannte Gretus Sluiter sein Boot JERRY?"

      "Was weiß ich? Vielleicht ist er JERRY COTTON-Leser!"

      "Und ich dachte immer, Segler benennen ihre Boote nach ihren Frauen, um sie gnädig zu stimmen."

      "Warum gnädig stimmen?"

      "Weil sie so viel Zeit auf dem Boot und so wenig mit ihren Frauen verbringen."

      Der Wikinger machte eine wegwerfende Handbewegung. "Ey, du redest 'nen Quatsch!" Dann deutete er hinaus zu den Booten. "Am besten du fragst mal Ihno Carstens, den Hafenmeister vom Yachtclub. Dahinten siehst du ihn an seiner Jolle herumschrauben. Der Ihno muss den Toten gut gekannt haben. Schließlich waren sie im selben Yacht-Club."

      "Und Sie? Sind Sie nicht im Yacht-Club?"

      "Ey, nix für ungut, abba mit deinem 'Sie' gehst du mir auf die Eier!"

      "'Tschuldigung, war keine Absicht."

      "Also ich bin nich' im Yacht-Club, sondern bei der Konkurrenz auf der anderen Hafenseite."

      "Ach so."

      Lorant betrachtete noch einmal kurz den Kugelschreiber. Die Witwe scheint recht gehabt zu haben, dachte er. Die Ermittlungen waren offenbar nicht sonderlich sorgfältig durchgeführt worden.

      Sonst hätte man den Kuli einfach nicht übersehen dürfen.

      Wahrscheinlich hatte man gar nicht danach gesucht.

      Lorant sah sich um, ließ den Blick schweifen. Was, wenn Gretus Sluiter nicht auf oder an seinem Boot starb, sondern genau hier?, dachte er. Ein Schlag auf den Kopf, Sluiter sank zu Boden, der Täter schleifte ihn davon und dabei verlor er den Stift.

      So konnte es gewesen sein.

      Lorant war gespannt darauf, was sein staatlich-bezahlter Kollege Kriminalhauptkommissar Meinert Steen dazu sagen würde, wenn er ihn darauf ansprach.

      ––––––––

      7.

      Lorant ließ den 'Wikinger' hinter sich, stapfte durch die nasse Wiese auf das Boot von Gretus Sluiter zu. Inzwischen lag es längst wieder an seinem Liegeplatz. Schräg gegenüber am Ausgang des Hafenbeckens befand sich ein Schilf-Areal. Dort war die JERRY offenbar steckengeblieben. Das verwunderte nicht. Bereits aus der Entfernung war anhand der Wellenbrechung zu sehen, wie flach es dort sein musste.

      Ein paar Liegeplätze weiter montierte ein ziemlich kahlköpfiger Mann an seinem Boot herum. Er war gerade damit beschäftigt, eine Ankerwinde zu befestigen.

      Als er Lorant bemerkte, musterte er ihn misstrauisch.

      "Mein Name ist Lorant, ich bin Privatdetektiv und ermittle im Fall Sluiter."

      Der Mann runzelte die Stirn. Er erhob sich, wischte sich die Nase mit dem Ärmel ab.

      "Ja, und?"

      "Sie sind Ihno Carstens, der Hafenmeister?"

      "Jooo."

      "Angeblich sollen Sie Gretus Sluiter gut gekannt haben."

      "Gretus war eine Zeitlang Schriftführer bei uns im Yachtclub, als ich zweiter Vorsitzender war."

      "Privat kannten Sie ihn nicht?"

      "Natürlich kannte ich ihn privat. Aber..."

      "Aber was?"

      "Ich dachte, es stünde jetzt fest, dass Gretus verunfallt ist?"


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