Private Ermittler - 2000 Seiten, 16 Krimis in einer Sammlung. Alfred Bekker

Читать онлайн книгу.

Private Ermittler - 2000 Seiten, 16 Krimis in einer Sammlung - Alfred Bekker


Скачать книгу

      Frau Bernhardine Sluiter ging auf Lorant zu, zog sich dabei einen Gartenhandschuh aus und reichte dem Detektiv die Hand.

      "Ich bin froh, dass Sie da sind, Herr Lorant."

      "Ich auch."

      "Wie soll ich das verstehen?"

      "War gar nicht so einfach, hier her zu gelangen."

      "War die Beschreibung nicht gut, die ich Ihnen gegeben hatte?"

      "Doch. Aber zwischendurch wurde ich aufgehalten. Ich brauche Ihnen ja wohl nicht zu erklären, was 'Boßeln' ist..."

      Bernhardine Sluiter lächelte matt.

      "Nee, das brauchen Sie mir wirklich nicht zu erklären." Sie atmete tief durch, seufzte dabei. "Mein Mann hat diesen Sport bis zum Exzess betrieben." Sie machte eine wegwerfende Handbewegung. "Alles nur ein Vorwand, um sich ordentlich einen hinter die Binde kippen zu können, würde ich sagen, aber ein bisschen Spass muss der Mensch ja haben."

      Spass mit Doppel-ss anstatt ß.

      Jedenfalls sprach Bernhardine Sluiter das Wort so aus.

      "Wir haben ja hier schon keinen Karneval!"

      "Und Sie finden, dass Boßeln ein adäquater Ersatz ist?"

      "Gott sei Dank wird das noch nicht im Fernsehen übertragen."

      "So wie KÖLLE ALAAF!"

      "Genau."

      Lorant lächelte etwas gequält. "Glauben Sie mir, das kommt auch noch. Irgendein Privatsender findet sich auch dafür!"

      "Kommen Sie doch mit ins Haus, Herr Lorant, damit wir alles besprechen können."

      "Nichts dagegen, aber..."

      Frau Sluiter schien Lorants Gedanken gelesen zu haben. Jedenfalls folgten ein paar knappe Kommandos, die den Hund dazu veranlassten, sich zu entfernen. Er trottete in Richtung der Garage und ließ sich davor nieder.

      "Sie sehen..."

      "...der macht nix."

      "Genau. Und vor allen Dingen hört er auf's Wort."

      Lorant folge Bernhardine Sluiter. Sie gingen am Haupteingang des Hauses vorbei, betraten die kurzgeschorene Rasenfläche. Der Boden war dunkel, tief, und voller Wasser. Frau Sluiter führte Lorant zur Terrasse.

      "Halten Sie diesen Hund aus Sicherheitsgründen oder aus Tierliebe?", fragte Lorant.

      "Beides. Allerdings im Verhältnis 90 zu 10 zu Gunsten der Sicherheit."

      "Fühlen Sie sich derart bedroht?"

      "Mein Mann und ich haben..." Sie stockte, biss sich dann auf die Lippe. "Ich rede von meinem Mann immer noch so, als würde er noch leben. Manchmal denke ich, dass er nach Hause kommt. Tasso denkt das übrigens auch. Er springt plötzlich auf, läuft schwanzwedelnd zur Tür, wenn er was gehört hat..."

      Als Bernhardine Sluiter die angelehnte Terrassentür öffnete, sah Lorant ihr Gesicht für einen kurzen Augenblick aus dem Profil. Ein trauriger Ausdruck kennzeichnete ihre Züge in diesem Moment. Ein Ausdruck der Trauer, der jedoch nur kurz sichtbar blieb und einem unverbindlichen, etwas gequält wirkenden Lächeln wich.

      Eine Frau, die sich sehr gut zu kontrollieren vermag!, erkannte Lorant. Sie will ihre Emotionen nicht zeigen. Jedenfalls nicht mir gegenüber. Aber ist das so schwer zu verstehen? Ich bin ein Fremder, der in ihre Welt eindringt. Und in nächster Zeit werde ich sogar ziemlich indiskret in dieser Welt herumschnüffeln müssen. In einer Welt, die bis vor kurzem noch völlig in Ordnung schien und in die jetzt der Tod getreten ist. Der gewaltsame Tod, nicht das schicksalhafte, unabwendbare Ableben eines geliebten Angehörigen, mit dem man sich abfinden muss.

      Lorant glaubte zu verstehen, was in seinem Gegenüber vor sich ging.

      Du hast das alles selbst durchgemacht, dachte er. Sei nicht zu ungeduldig mit ihr.

      Die Witwe führte Lorant ins Haus.

      Lorant ließ den Blick schnell durch das mit ziemlich klobig wirkenden Polstermöbeln ausgestattete Wohnzimmer schweifen. Gelsenkirchener Barock, dachte Lorant. Das hatte sich inzwischen wohl national gesehen durchgesetzt, über alle regionalen Grenzen hinweg.

      "Setzen Sie sich doch, Herr Lorant."

      "Danke."

      "Möchten Sie etwas trinken?"

      "Kaffee."

      "Tut mir leid, ich habe keine einzige Bohne da. In diesem Haus trinkt niemand Kaffee. Wie wäre es mit Tee?"

      "Nein, lieber nicht."

      Lorant setzte sich mitten auf das Sofa. Er wandte den Kopf zu den Fotos hin, die da an der Wand hingen. Das erinnerte Lorant an einen Ahnenschrein. Vergilbte Schwarzweißfotos von Groß- und Urgroßeltern. Ein Hochzeitsfoto der Sluiters. Daneben ein Foto, das offenbar auch Gretus Sluiter zeigte. Es musste allerdings mindestens zwanzig Jahre später aufgenommen worden sein.

      "Das ist - war - mein Mann!", sagte Bernhardine Sluiter mit tonloser Stimme.

      Lorants Blick glitt nach links.

      Noch ein Hochzeitsfoto.

      Der junge Mann darauf hatte durchaus Ähnlichkeit mit Gretus Sluiter in jungen Jahren.

      "Mein Sohn Ubbo und seine Frau Rena."

      "Aha, ja..."

      "Daneben unsere Enkelkinder."

      Lorant warf kurz einen Blick auf das Bild, das zwei Jungs zeigte, die dem ermordeten Gretus unverkennbar ähnlich sahen. Der Detektiv schätzte sie auf neun und elf Jahre. "Tragen die denn auch so etwas eigentümliche original-friesische Namen?"

      Bernhardine Sluiter schüttelte den Kopf.

      "Nee, sie heißen Kevin und Marvin."

      "Klingt selbst für meine Ohren nicht friesisch."

      "Nee, echt nicht!"

      Eine Pause entstand. Bernhardine Sluiter rieb etwas verlegen mit den Handflächen über die Oberschenkel, ehe sie schließlich zu sprechen begann. "Wie ich Ihnen am Telefon bereits sagte, geht es um den Tod meines Mannes. Jemand hat hier angerufen und sich als Meerwart des Großen Meeres ausgegeben."

      "Benno Folkerts."

      "Ja. Sie kennen ihn?"

      "Flüchtig." Lorant zuckte die Achseln. "Ich habe ein Krabbenbrot bei ihm gegessen."

      "Der Benno hat nichts damit zu tun, da bin ich mir ganz sicher. Da hat Gretus irgendjemand hereingelegt."

      "Was hat Ihr Mann Ihnen über den Inhalt des Telefongesprächs gesagt?"

      "Dass etwas mit dem Segelboot wäre, das wir am Großen Meer liegen hätten. Gretus ist natürlich gleich losgefahren. Wir haben nicht viel darüber sprechen können. Ich muss gestehen, ich war auch ziemlich beschäftigt. Wissen Sie, wir haben insgesamt drei Geschäfte in Emden, und ich mache die Buchhaltung für alle drei und..."

      "Kurz und gut: Sie hatten Stress!"

      "Ja, so kann man es ausdrücken." Sie holte tief Luft. Nicht zum ersten Mal, wie Lorant auffiel. Als ob ihr eine zentnerschwere Last auf der Brust liegt und ihr das Atmen schwer macht, überlegte er. Für Sekunden war wieder dieser Ausdruck unendlicher Traurigkeit in ihren Zügen. Aber diese winzige Zeitspanne reichte Lorant aus, um ihn wiederzuerkennen.

      Der Tod ihres Mannes hat diese Frau wirklich zutiefst erschüttert!, war Lorant überzeugt.

      "Jedenfalls fuhr er dann weg. Es war schon dunkel. Mein Gott, er kam nicht mehr zurück." Sie schluckte. "Ich bin schließlich ins Bett gegangen und dachte, dass Gretus vielleicht noch einen trinken gegangen ist. Am nächsten Morgen war er immer noch nicht da..." Sie schluckte erneut. Die Ader an ihrem Hals pulsierte. Es schien sie auf das Äußerste anzustrengen, über dieses Thema zu sprechen.


Скачать книгу